Ich fühle mich bei dieser Diskussion um Glaube und Werke immer an die bei dem Philosophen Kant zu findende Differenzierung in Handlungen „aus Pflicht“ und bloß „pflichtgemäßen“ Handlungen erinnert. Könnte man nicht einen sehr ähnlichen Vergleich im Kontext von Glaube und Werke konstatieren? Denn wer etwas im Glauben bzw. aus dem Glauben heraus tut, handelt aus dem Wunsch heraus das Richtige zu tun und Gott damit die Ehre zu geben. Oder allgemeiner formuliert, er handelt in Verantwortung vor einer moralischen Instanz. Dem gegenüber steht der Mensch, der zwar in seinem Handeln identisch scheint, aber nicht aus einer Verantwortung und Überzeugung heraus handelt, sondern aus egoistischen Motiven bzw. Motiven seiner Begehrlichkeit, seines Fleisches.
Ich finde auch den von dir (Sunigol) eingebrachten Gedanken der hinreichenden und notwendigen Bedingung hier sehr nützlich. Und ich stimme dir zu, der Glaube (bzw. die rechte Gesinnung oder wie ich es nennen würde das Motiv) ist damit notwendiger, aber nicht hinreichende Voraussetzung, denn es bedarf natürlich neben der Absicht auch der Handlung selbst. Wenn ich also weiß bzw. zu wissen glaube, was ich tun sollte, es aber nicht tue, dann wird mir meine gute Handlungsabsicht allein nichts bringen. Habe ich dich soweit richtig verstanden?
Ich denke man könnte dies dann nach dem INUS-Prinzip noch weiter differenzieren und das Motiv bzw. die Handlungsabsicht als ein notwendiger aber nicht hinreichender Teil einer hinreichenden, aber nicht notwendigen Bedingung ansehen, nämlich moralische Handlungsabsicht und Handlungstat als Bedingung für das Werk als das sichtbare und spezifische Ergebnis der Handlung, womit auch deutlich wird, warum Werke allein nicht ausreichen, denn es lassen sich neben den durch die Umstände sich zufällig ergebende, in ihrem Ergebnis aber identischen Werke auch andere, egoistische Motive finden, die den Menschen zu denselben Handlungen und damit Werken verleiten, so wie umgekehrt auch gut gemeinte Bemühungen durch die Umstände nicht zu dem gewünschten „Werk“ führen mögen.
Würde dies dann nicht auch den verschiedenen Aussagen der Schrift entsprechen? Also sowohl der Vorstellung von der Notwendigkeit des Glaubens, als auch der Vorstellung, dass nicht alle, die Christus bekennen auch von diesem erkannt werden (weil sie nicht aus Pflicht, sondern nur pflichtgemäß Christus bekennen), als auch der Vorstellung, dass Werke allein nicht ausreichen, und zuletzt auch der Vorstellung, dass das Gericht über die Heiden ebenso gerechtfertigt ist, da ihr Handeln aber auch ihr moralisches Urteilen Rückschlüsse auf ihre Handlungsabsichten zulässt und damit den Umstand bezeugt, dass ihnen die Grundsätze des göttlichen Gesetzes ins Herz geschrieben und damit bekannt sind, so wie auch das Wesen Gottes sich insgesamt über die Vernunft erfassen lässt?
Herzlichen Gruß
Lior
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
Lesezeichen