Schönen guten Abend lieber Bruder,
auf dich ist wirklich Verlass! Kaum hat man was gepostet, bekommt man von dir auch schon eine Antwort/Reaktion. :-)) Das finde ich super! Zudem du ganz offensichtlich auch noch sehr schnell schreiben kannst, was ich wirklich beeindruckend finde, da ich mir hier mit meinem "Vier-Finger-Suchsystem" ganz schön schwer tue...;-)

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net.krel
Grundsaetzlich Deinen Beitrag zustimmend faellt es mir, mit der Zeit, immer schwerer und schwerer von "dem Christentum" oder "dem christlichen Glauben" zu sprechen bzw. "zu lesen".
Verstehe ich zB unter "dem Christentum" bzw. "dem christlichen Glauben" das, was Du darunter verstehst (zumindest so wie ich Dein Verstaendnis davon aus all Deinen Beitragen her kenne)... so kann ich wie gesagt Deinen Beitrag voll und ganz (und sogar mit Freude :-) ) einfach nur zustimmen.
Verstehe ich jedoch unter "dem Christentum" bzw. "dem christlichen Glauben" das, was ich persoenlich als "False-Kult" bezeichne, so wie "dieser" mir eher (leider) mehrheitlich "innerhalb der Christenheit" begegnet (immer und immer wieder)... so gaebe es einiges wo ich Deinen Beitrag widersprechen muesste... aber das betraefe ja Dich bzw. Dein Verstaendnis vom "christichen Glauben" nicht, weil ich ja weis (<-- denk ich zumindest :-) ) wie Du "die Dinge betrachtest"...
Weißt du, ich bin dieses Thema betreffend ganz eindeutig ein Sturkopf und komme deshalb einfach nicht umhin, die Definition, bzgl. dessen was wir Christentum nennen, weitestgehend offen zu lassen. Für mich persönlich schließt der Begriff "Christentum" die gesamte Geschichte dieser Weltreligion ein, einschließlich all ihrer finsteren Zeiten. Deshalb ist das, was du als "False-Kult" bezeichnest, in meinen Augen genauso Christentum, wie z.B. das, was wir im Zusammenhang mit der Lehre Eckharts kennen lernen durften.
Was jedoch den "christlichen Glauben" betrifft differenziere ich schon gerne etwas genauer, weil für mich hier die konkrete Lehre mit ins Spiel kommt, die sich anders als die "Geschichte des Christentums" einerseits auf persönliche Überzeugungen bezieht, andererseits aber auch nicht im "luftleeren Raum" hinsichtlich ihrer Inhalte agiert, so dass es schon klare Kriterien gibt, was den christlichen Glauben ausmacht und was nicht.
"Die Geschichte des Christentums" beschreibt also sehr allgemein, was im "Namen des Christentums" im Laufe der Zeit alles geschehen ist, während der christliche Glaube konkret sagt, was christlich ist und was nicht. Und selbstverständlich bekommt man hinsichtlich des ersten Punktes sehr viel eindeutigere Informationen, als man sie bzgl. des zweiten Punktes bekäme, aber das liegt nun einmal in der Natur der Sache.

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net.krel
Ich bin (rein fuer mich persoenlich) irgendwann mal zu einem Punkt angekommen wo mir das letztendlich "egal" ist... oder besser gesagt: Wo das fuer mich immer weniger und weniger eine Rolle spielt, also in wie Fern nun etwas "Zeitgeist-Konform" ist oder nicht.
Es gibt (bei mir) zB Dinge die sind sehr Zeitgeist-Konform (zB die Ent-Mythifizierung des Bibelfundamentalismus) ... und andere Dinge wiederum ganz und gar nicht.
Ich betrachte das, was Jesus lehrte (allein rein jetzt nur mal anhand zB der Evengelien) letztendlich als einen (primaer) "inneren Weg" den man, irgendwann mal, unabhaengig vom Zeitgeist und Mainstream-Denken gehen "muss" (sofern man ihn gehen will bzw. bereit dazu ist)... naemlich (in meien Worten -->) "die Bewustwerdung seiner eigenen Seele mit dem Geist Gottes"...
Oder anders gesagt: Sich selbst als Bestandteil Gottes zu erkennen.
Noch anders gesagt: Gott in sich zu erkennen/erfahren.
Oder wie es manche "evangelische Theologen" auch gerne sagen: "Eine Beziehung mit Gott".
Es gibt ja viele Moeglichkeiten es auszudreucken wie ich es meine... und ich denke gerade Du (<-- Schueler Meister Eckharts) weist wie/was ich meine.
Ja, ich denke ich weiß schon was du meinst und gebe dir auch völlig recht, dass es einem letztlich egal sein kann ob etwas "zeitgeistkonform" ist, oder nicht, aber ich denke auch das es wichtig ist sich darüber klar zu sein, dass man sich grundsätzlich immer auch mit dem Zeitgeist auseinandersetzen muss, weil man von ihm eben bewusst, oder unbewusst beeinflusst ist und weshalb eine Religion/Glaubenslehre langfristig nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie es versteht den Zeitgeist in sich aufzunehmen. Sie muss sich dann zwar nicht zwangsläufig "zeitgeistkonform" verhalten, aber sie muss schon noch in den Zeitgeist passen, weil sie ansonsten irgendwann einfach keine Rolle mehr spielen wird und zunehmend in die Bedeutungslosigkeit versinkt (ein Schicksal, das vielen Weltanschauungen, Kulten und Glaubensvorstellungen ja bereits widerfahren ist).
Im Christentum ist man ja generell nicht so gerne zeitgeistig, weil man einerseits sehr häufig der Vorstellung anhängt, dass man ein unveränderliches, über die Zeit erhabenes und nicht von "Modeerscheinungen" beeinflussbares Glaubens- und Lehrsystem besitze und es andererseits sowieso geboten sei, sich nicht der Welt gleich zu machen, da die Welt und weltliches Verhalten ja häufig als gegensätzlich zum christlichen Glauben verstanden wird.
Ich persönlich glaube aber, dass das Christentum gerade deshalb so erfolgreich war, weil es es ganz wunderbar verstand den jeweiligen Zeitgeist zu assimilieren (Widerstand ist zwecklos...;-)) und in sich aufzunehmen, während es überall dort zu "christlichen Krisen" kam, wo das mit der "Assimilierung des Zeitgeistes" nicht mehr so richtig funktionieren wollte. Das beste Beispiel dafür ist wohl die Aufklärung und damit das Aufkommen der modernen Naturwissenschaft mit ihrem Weltbild. Da hat das Christentum nämlich noch heute ganz gewaltig dran zu knabbern und manch ein Christ mag nur mit Schaudern daran denken, dass auch er am End' vielleicht tatsächlich vom Affen abstammen könnte....;-)
Das Beispiel des Kreationismus ist in diesem Zusammenhang vielleicht wirklich ganz gut geeignet, um zu verdeutlichen was ich meine. Ich habe da jetzt leider keine konkreten Zahlen, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass das Christentum, bzw. der christliche Glaube für manche Zeitgenossen gerade deshalb völlig unglaubwürdig ist, weil es eben eine "Sechs-Tage-Schöpfung" lehrt, was in keiner Weise mit dem "Zeitgeist des Jahres 2016" vereinbar ist, da dieser ja schlussendlich doch eher naturwissenschaftlich ist und also darauf aufmerksam macht, dass es keine sechs Tage, sondern Jahrmillionen dauerte, bis sich das Universum im Allgemeinen und die Erde im Speziellen entwickelt hatten.
Nun ist es aber keinesfalls so, dass niemand mehr an die "Sechs-Tage-Schöpfung" glauben würde, es ist lediglich nicht mehr dem Zeitgeist entsprechend dieses zu tun. Und nun stellt sich die Frage, inwieweit das Christentum auch in Zukunft noch erfolgreich wäre, wenn es die "Sechs-Tage-Schöpfung" als unumstößlichen Fakt darstellen würde, an den unbedingt geglaubt werden müsse? Ich denke wenn man tatsächlich so glauben müsste und es keine Alternative dazu geben dürfte, würde das Christentum mit der Zeit immer unbedeutender, weil für viele Menschen ganz einfach unglaubwürdig, werden. Nun muss man aber innerhalb des Christentums selbstverständlich nicht so denken und glauben, sondern man darf auch sehr gerne den Schöpfungsmythos im übertragenen Sinne verstehen und ihn auf diese Weise mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft vereinbaren. Und genau darin sehe ich die große Stärke des Christentums! Es ist anpassungsfähig, weit, dem Zeitgeist gegenüber aufgeschlossen und gerade weil (nicht obwohl!) es sich der Wahrheit verpflichtet fühlt, auch immer weltoffen, also auch offen für neue Erkenntnisse. Da, wo es all das nicht mehr ist, also zuvorderst in christlich fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften, in denen der Zeitgeist als etwas von Sünde Durchwobenes betrachtet wird, ist es meiner persönlichen Meinung nach auch nicht mehr wirklich zukunftsfähig.

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net.krel
Es ging (imho) nicht darum eine "neue Weltreligion" namens "Christentum" ins Leben zu rufen (erst recht nicht in diesen "Ausartungen" und Dogmen wie sie uns die "Geschichte" "der Christenheit" ja nun schon oft genug gezeigt hat)...
Es ging (imho) nicht darum ein weltweites "konsitutionelles Kirchentum-Netzwerk" zu Gruenden mit dem (Deck)Namen "Christentum" wo dann die "Konzentration" letztendlich auf deren "inner Kulte", Rituale, und "lithurgische Streitfragen" und all dies die "Hauptrolle" spielt... (so und nicht anders hab ich zumindest die rkk kennen gelernt)... das ist fuer mich buchstaeblich "abwegig"... sprich: Das hat alles schon lange nichts mehr mit dem zu tun um was es in meinen Augen "bei den Lehren Jesus" ging... nicht mal bei den (meisten :-) ) Aposteln ging es darum :-)
Ja also ich denke in diesem Punkt dürfte man grundsätzlich eigentlich recht flott einig werden, denn es sollte in der Auseinandersetzung mit der "Religion Christentum" doch weitestgehend bewusst geworden sein, dass es nicht Jesus und auch nicht Petrus gewesen war, der die treibende Kraft beim "Bau der Kirche" darstellte, sondern ganz klar Paulus! Ich habe wirklich schon oft gedacht, dass es nur redlich wäre, würden sich manche Christen "paulinische Christen" nennen, so wie ich mich ja auch als "eckhartscher Christ" verstehe...;-) Denn wollte man sich in seinem Selbstverständnis tatsächlich zuvorderst an (dem historischen) Jesus orientieren, müsste man eigentlich "viel jüdischer werden/leben".

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net.krel
In dieser aktuellen Welt ist es meiner Ansicht nach eher schwer, denn leicht, "den Weg" (so wie ich ihn zumindest verstehe) wie ihn Jesus gelehrt hatte zu gehen.
Mitunter gehoert eben auch dazu, sich nur nicht einzubilden dass dort "wo christlich draufsteht" auch unbedingt immer "christlich" drinn ist (und mit "christlich" meine ich auf keinen Fall "die Mainstream Religionen die sich den Namen "Christentum" jeweils selbst geben, sondern das, was Jesus wirklich lehrte was letztenldich fuer mich das ist, "was zu Gott" fuehrt)
Fuer mich steht zB ausser Frage dass "der Intellekt" sich alles (und anderen) so hindrehen kann (selbst sogar noch die uebelsten Machenschaften und Verbrechen... siehe Geschichte der rkk) dass es nach aussen hin auch noch "gut und Gott-gerecht" aussieht... und davon schliese ich weder" Relgionen" (<-- die sowieso nicht) noch sogar "die Spirituallitaet" aus... alles kann missbraucht werden und in sein glattes Gegenteil am Ende auch noch verzerrt werden!!!
Ja, da sprichst du wirklich sehr wichtige Punkte an, die hinsichtlich der Frage, ob das Christentum lebensbejahend, oder doch eher lebensfeindlich ist, unbedingt erörtert werden müssen. Schade finde ich allerdings gerade ein bisschen, dass du nicht ein weinig mehr darüber geschrieben hast, weshalb du es als eher schwer erachtest, den christlichen Weg, so wie ihn Jesus lehrte, zu gehen. Das würde mich nämlich wirklich sehr interessieren, weshalb du das so empfindest. Vielleicht magst du ja noch bisschen was dazu sagen? Würde mich sehr freuen!
Bei mir ist das jedenfalls ganz anders. Ich persönlich empfinde die Anforderungen des Alltags, also zuvorderst das Berufsleben und das "Funktionieren in der Gesellschaft" als schwierig, während es gerade mein Glauben ist, der mir das alles sehr sehr viel leichter und überhaupt erst erträglich werden lässt. Ich habe mittlerweile für mich persönlich festgestellt, dass ich am Allerbesten im Kloster aufgehoben gewesen wäre und dort mit einiger Sicherheit mein provisorisches Wesen am besten hätte entfalten können. Ich bin ganz und gar nicht traurig, dass es nicht so gekommen ist und sehr dankbar für mein Leben, so wie es ist, aber so rein theoretisch und angesichts meiner grundsätzlichen Veranlagung, wäre ein Leben im Kloster sicher mehr "mein Ding" gewesen, als das Leben draußen in einer Gesellschaft, in der die zarten Seelen einfach nicht genug Ellenbogen haben, um sich durchzusetzen (wenn man versteht was ich meine...).
Ich muss aber sofort einschränkend dazu sagen, dass ich eine sehr romantische Vorstellung vom Klosterleben habe, die höchstwahrscheinlich gar nicht soviel mit der Realität zu tun hat und ich ebenso höchstwahrscheinlich sowieso ruckzuck dort rausgeflogen wäre, weil ich mich nicht als ausreichend anpassungsfähig und viel zu rebellisch erweisen würde. Außerdem gibt es zurzeit gar kein Kloster, das nach dem Vorbild Eckharts geführt würde, weshalb ich mit meinen Ansichten sicher als ketzerisch empfunden würde und die lieben Glaubensbrüder deshalb schon schnell das Holz zusammensuchen würden, um den Scheiterhaufen anzufachen....:-))
Spaß beiseite, aber es ist ja nun wirklich nicht ganz so einfach in Glaubensdingen sein weltliches Zuhause zu finden und das liegt ganz bestimmt nicht zuletzt auch daran, dass nicht überall dort wo Christentum draufsteht, Christentum drin ist, wie du es nanntest. Mit Schaudern denke ich dabei z.B. an die lieben Gnadenkinder, Schwestern und Brüder, die im Schoße der Spätregengemeinschaft diese schlimme Erfahrung machen mussten. Und sicher, daran hast du, lieber net.krel, bestimmt denken müssen, steht auch hinsichtlich der rkk zwar oftmals christlich drauf, ist aber nur Machtideologie drin.
Das liegt halt meiner persönlichen Meinung nach eben daran, dass das Christentum als Kirche in seinem historischen Verlauf gegenüber allen möglichen Vorstellungen geöffnet bleiben musste, wollte es weiterhin Geltung und Einfluss besitzen/haben. Und da ist dem Missbrauch natürlich gleich auf mehrere Weise Tür und Tor geöffnet.
Einerseits besteht z.B. die Gefahr, dass in der Auseinandersetzung mit zeitgeistigen Vorstellungen der christliche Glauben vollkommen verwässert wird und dann natürlich auch zunehmend verloren geht, was man meiner Meinung nach z.B. ganz gut an der evangelischen Landeskirche in Deutschland sehen kann, die meiner Beobachtung nach in weiten Teilen nur noch sowas wie ein "Sozialverein" ist, in dem von der "Kraft des Evangeliums" eigentlich nichts mehr zu spüren und zu sehen ist.
Andererseits ist es aber z.B. auch genauso gefährlich, sich in der Auseinandersetzung mit zeitgeistigen Vorstellungen mit dicken Mauern zu umgeben, weil man genau diese, eben erörterte, "Verwässerung" fürchtet und deshalb unbedingt vermeiden möchte. Derart gemauert wird meiner Beobachtung nach vor allem dort, wo die Welt grundsätzlich als böse betrachtet und das Weltbild entsprechend ausschließlich in den Farben Schwarz und Weiß gemalt wird.
Beiden Gruppen ist meiner persönlichen Meinung nach gemeinsam, dass sie keine positiven, für die Zukunft des christlichen Glaubens tragfähige Ansätze (von Lösungen ganz zu schweigen) bieten können, auf denen weiterhin lebendige Kirche gebaut werden könnte. Ich sehe da auf beiden Seiten eine Erstarrung, die im ersten Fall in die völlige Beliebigkeit, im zweiten Fall in anachronistischen Stillstand mündet.

Zitat von
net.krel
Man muss lernen, zu unterscheiden was "Authentisch" also "echt" ist... und was nicht. (gerade bzgl. Religion und Spirituallitaet... gerade dort)
Es haben sich schon viele Verbrecher "Christen" genannt und sahen sich auch noch als "Christen" ... und ebenso falsche absolut irrsinnige und eben "Lebens/Leibes/Seelenfreindliche' (Un)Lehren als "Christentum" ausgegeben... und deshalb ist es in meinen Augen wichtig hier unbedingt lernen unterscheiden zu koennen.
Und diese "Unterscheidungsfaehgikeit" ist auch nicht damit nur getan in dem man zB "die Relgion" wechselt... weil wenn man unter der vielzahl der "Christentume" nicht unterscheiden konnte, was davon "Spreu" und was "Weizen" ist... wie will man es dann in anderen "Religionen" bzw. "spirituellen Disziplinen" dann koennen? Eben... genauso wenig dann. Denn auch dort stuende man vor der gleichen "Aufgabe" zu lernen was, "Spreu" und was "Weizen" ist... ist ja nicht so dass es die "Spreu" nur innerhalb "der Christenheit" gibt... es gibt sie letztendich in jeder "spirituellen Disziplin/Gruppierung"...
Und um zu Unterscheiden... bzw. die Faehigkeit ausarbeiten, die Spreu vom Weizen trennen zu koennen, muss man letztendlich "den Kontakt zur Wahrheit" (also letztendlich Gott --> "die Wahrheit/en") haben/lieben bzw. stehts suchen.
Mhhm, naja, lieber net.krel, gerade das Argument, "man müsse Kontakt zur Wahrheit haben", hat in der Geschichte des Christentums für unfassbar viel Leid gesorgt und es war gerade dieses Argument, dass sehr viele lebens/leibes/seelenfeindliche (Un)Lehren im Christentum etablierte.
Wenn im biblischen Kanon beispielsweise zu lesen ist, dass die Frau in der Gemeindeversammlung schweigen soll und generell dem Manne untertan, bzw. lediglich seine Gehilfin sei, dann war und ist das ja für viele Christen nicht einfach nur eine persönliche Meinung von Paulus, oder ein Ausdruck, der im Schöpfungsmythos gewählt wird, sondern dann gilt es diesen Gläubigen als (unumstößliche) Wahrheit. Diese Menschen wähnen sich ja gerade deshalb in Kontakt mit der Wahrheit, weil sie ihre Bibel haben und dort ihrer festen Überzeugung nach nichts als die Wahrheit drin steht.
Das geht dann häufig so weit, dass nur noch die biblische Wahrheit überhaupt Wahrheit sein kann und deshalb muss, muss, muss sich dann z.B. auch die Sonne um die Erde drehen und kann es keinesfalls umgekehrt sein. Es wäre wirklich sehr interessant zu erfahren, wie viele Menschen ihr Leben lassen mussten, weil sie nach Überzeugung der "Wahrheitsliebenden" die Unwahrheit sagten.
Ich hab' da auch ein sehr schönes Beispiel, das ich sehr gerne in Teilen und im Wortlaut zitieren möchte. Die Anklageschrift gegen Meister Eckhart, die sogenannte Bulle "In agro dominico" vom 27.März 1329 (hach, in 32 Tagen ist der 687ste Jahrestag, schluchz...):
Auf dem Acker des Herrn, dessen Hüter und Arbeiter Wir nach himmlischer Verfügung, wenn auch unverdientermaßen, sind, müssen Wir die geistliche Pflege so wachsam und besonnen ausüben, dass, wenn irgendwann ein Feind auf ihm über den Samen der Wahrheit Unkräuter sät, sie im Entstehen erstickt werden, bevor sie zu Schößlingen verderblichen Keimens aufwachsen, damit, nachdem der Same der Laster abgetötet und die Dornen der Irrtümer herausgerissen sind, die Saat der katholischen Wahrheit fröhlich aufgehe.
Fürwahr, mit Schmerz tun Wir kund, dass in dieser Zeit einer aus deutschen Landen, Eckhart mit Namen, und, wie es heißt, Doktor und Professor der Heiligen Schrift, aus dem Orden der Predigerbrüder, mehr wissen wollte als nötig war, und nicht entsprechend der Besonnenheit und nach der Richtschnur des Glaubens, weil er sein Ohr von der Wahrheit abkehrte und sich Erdichtungen zuwandte. Verführt nämlich durch jenen Vater der Lüge, der sich oft in den Engel des Lichtes verwandelt, um das finstere und häßliche Dunkel der Sinne statt des Lichtes der Wahrheit zu verbreiten, hat dieser irregeleitete Mensch, gegen die helleuchtende Wahrheit des Glaubens auf dem Acker der Kirche Dornen und Unkraut hervorbringend und emsig beflissen, schädliche Disteln und giftige Dornsträucher zu erzeugen, zahlreiche Lehrsätze vorgetragen, die den wahren Glauben in vieler Herzen vernebeln, die er hauptsächlich vor dem einfachen Volke in seinen Predigten lehrte und die er auch in Schriften niedergelegt hat.
Eigentlich ist das doch ein wirklich kurzer Text, aber ich habe es bewusst einmal fettgedruckt hervorgehoben, wie häufig hier mit der Wahrheit argumentiert wird. Eigentlich wird Eckhart ausschließlich vorgeworfen, dass er sich der Lüge zu- und von der Wahrheit abgekehrt hätte. Was ist also Wahrheit, lieber net.krel?
Nochmal schluchz, hach, ich kann das gar nicht lesen...Macht mich sehr traurig...! :-((
Nun gut, nächster Punkt, was ist Spreu und was ist Weizen, was ist authentisch und was ist es nicht? Also bzgl. des zweiten Punktes, was authentisch ist und was nicht, befrage ich persönlich sehr gerne die historisch-kritische Wissenschaft, die ja trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten versucht, die Authentizität von z.B. Jesu-Worten, oder auch den Kontext, innerhalb dessen die Menschen damals gelebt und gedacht haben (womit wir wieder beim Zeitgeist wären) zu untersuchen.
Wie ja bereits weiter oben kurz erwähnt, war der historische Jesus mit großer Sicherheit weit jüdischer, als wir Christen uns das heute für gewöhnlich so vorstellen. Jesus hat kein Weihnachten gefeiert, kein Ostern und kein Pfingsten (alles logisch, ich weiß...;-)), aber die jüdischen Feste waren ihm von Bedeutung. Es gibt auch einige Anhaltspunkte die darauf schließen lassen, dass Jesus Vegetarier war und in einem vorangegangenen Post hatte ich ja schon erwähnt, dass sich Jesus höchstwahrscheinlich völlig selbstverständlich mit Frauen umgab, eine (gewisse) Gleichberechtigung also durchaus wahrscheinlich ist.
Das sind nun alles Dinge, die viele Christen vielleicht interessant finden, sie aber nicht dazu bewegen werden, fortan die jüdischen Feste zu feiern, Vegetarier zu werden, oder sich vehement für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einzusetzen. Wieso ist das so, wo doch eigentlich der Christ in der Nachfolge Jesu steht, wie es so schön heißt? Also eigentlich müsste sich ein Christ ja an dem Verhalten, Tun und Lassen Jesu orientieren, um aufrichtig sagen zu können, "ich folge Jesus nach". Tatsächlich ist der historische Jesus aber unter gläubigen Christen oftmals nun nicht gerade von großer Bedeutung. Warum?
Ich persönlich vermute ja, dass das vor allen Dingen daran liegt, weil man den historischen Jesus nicht wirklich braucht, wenn man stattdessen die Bibel und ihre Auslegung und Interpretation hat. Dafür ist, wie ich finde, mal wieder Paulus ein gutes Beispiel, um zu verdeutlichen was ich meine. Jesus hat den Paulus zu Lebzeiten ja nie kennen gelernt und umgekehrt, hat Paulus den historischen Jesus niemals kennen gelernt und trotzdem ist Paulus die überragende Persönlichkeit des Neuen Testamentes und damit auch des christlichen Glaubens.
Eigentlich ist das doch bisschen seltsam, oder? Ich meine Jesus hat sich ganz bewusst 12 Jünger ausgesucht, mit denen er durch die Lande zog und denen er seine Botschaft(en) vermittelte. Diese 12 (da waren sicher noch mehr Menschen regelmäßig in Jesu Umgebung) haben den authentischen Jesus tagtäglich erlebt und ihn also auch in den Banalitäten des Alltags beobachten können, weshalb doch eigentlich diese Augenzeugen am allerbesten müssten sagen können, was authentische Nachfolge ist und was nicht. Und es ist dann ja laut Evangelien auch Petrus, dem Jesus höchstpersönlich prophezeit, dass er "die Kirche" bauen werde/würde.
Tatsächlich ist aber der Einfluss des römischen Staatsbürgers Paulus (man bedenke: "römisch-katholisch", wie Paulus ist die Kirche, nicht "jerusalem-katholisch", wie Petrus ;-)) sehr viel größer, als der Einfluss des Petrus. Das ist doch seltsam, oder? Ich meine, wie gesagt, Paulus hat Jesus nie kennen gelernt und er ist auch nach seinem "Damaskusereignis", nicht sofort zu den Augenzeugen gegangen, um etwas über den authentischen Jesus zu erfahren, sondern laut Galaterbrief hat sich Paulus erst drei Jahre nach seiner Bekehrung mit Petrus getroffen. Also ich finde das sehr, sehr seltsam!
Man könnte also durchaus zu dem Urteil gelangen, dass der "authentische Jesus" im Christentum ziemlich schnurzpiepegal ist, so wie er es ganz offensichtlich Paulus war. Interessant ist vielmehr der Jesus als Christus und entsprechend viel schreibt dann z.B. auch Paulus über ihn. Aber bevor ich zu diesem Thema "Jesus als Christus" noch viele Worte verliere, lasse ich es an dieser Stelle lieber sofort komplett sein, weil ich nämlich mit Freude gesehen habe, dass "saved" wohl demnächst einen Thread zum Thema "Heil" eröffnen wird und da passt das dann allerbestens rein!
Bis hierher reicht es ja auch völlig zu konstatieren, dass ich persönlich hinsichtlich dessen, was im christlichen Glauben authentisch ist und was nicht, etwas ratlos bin. Ich fürchte aber, dass wir von dem historischen Jesus tatsächlich kaum etwas wissen und kaum etwas verstehen, weshalb ich persönlich meine Affinität auch sehr viel mehr in der christlichen Philosophie habe und in diesem Rahmen dann auch versuche, die Spreu vom Weizen zu trennen und dabei an der Wahrheit orientiert zu bleiben...:-)

Zitat von
net.krel
oki @Provisorium... das nur mein Kommentar "frei Feder" zu Deinen (wie so oft hervorgangenden :-) ) Beitrag.
Vielen Dank für das Lob und deine "freie Feder"! :-)
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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