Aus Jesu Jugendzeit überliefert das NT nur einen Aufenthalt des 12-Jährigen im Tempel, bei dem er die Jerusalemer Toralehrer mit seiner Bibelauslegung beeindruckt haben soll (Lk 2,46 f.). Das gilt als legendarisches Motiv, um Jesu Bibelkenntnis zu erklären. Lesen und Schreiben konnten Kinder ärmerer jüdischer Familien, die keine Schriftrollen besaßen, allenfalls in Toraschulen und Synagogen lernen. Nach Lk 4,16 las Jesus in der Synagoge von Nazaret aus der Tora vor, bevor er sie auslegte. Nach Mk 6,2 f. hatten Jesu Hörer ihm das Predigen nicht zugetraut und bemerkt, dass es sich von der traditionellen Schriftauslegung unterschied; nach Joh 7,15 fragten sie sich:
Wie kann dieser die Schrift verstehen, obwohl er es nicht gelernt hat? Doch Jesu häufige Frage an seine Hörer „Habt ihr nicht gelesen…?“ (Mk 2,25; 12,10.26; Mt 12,5; 19,4 u. a.) setzt seine Lesefähigkeit voraus. Ob er auch schreiben konnte, ist ungewiss. Nur Joh 8,6.8 erwähnt eine Geste des Schreibens oder Zeichnens auf den Boden.
Jesu Predigt- und Argumentationsstil ist rabbinisch (Halacha und Midraschim). Seine ersten Jünger nannten ihn „Rabbi“ (Mk 9,5; 11,21; 14,45; Joh 1,38.49; Joh 3,2; 4,31 u. a.) oder „Rabbuni“ („mein Meister“: Mk 10,51; Joh 20,16). Diese aramäische Anrede entsprach dem griechischen διδάσκαλος für „Lehrer“. Sie drückte Ehrerbietung aus und gab Jesus denselben Rang wie den Pharisäern, die sich als Ausleger mosaischer Gebote ebenso bezeichneten (Mt 13,52; 23,2.7 f.). Aus starken Ähnlichkeiten der Toraauslegung Jesu mit damaligen Rabbinerrichtungen folgert Pinchas Lapide, er müsse eine Toraschule besucht haben.
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