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Essentiell wichtig ist deshalb: Dass man sich immer und immer wieder bewusst macht, dass das eigene Gottesbild, bzw. das Eigene "Verstaendnis von Gott", immer kleiner ist, als die Realitaet Gottes... immer kleiner ist, als "die Vollkommenheit Gottes"...
Ich denke ich weiß schon was du meinst. :-)

Hinsichtlich Eckharts Gottesbild muss man wissen und ich glaube das habe ich letztens irgendwann schon einmal gesagt, dass Eckhart zwischen Gott und Gottheit unterscheidet. Dabei versteht er unter Gott, den Gott menschlicher Vorstellung, wie er z.B. im tradierten Christentum als dreieiniger Gott gesehen wird und die Gottheit ist die "jenseits des menschlichen Vorstellungsvermögens liegende (neuplatonische) (All)einheit", weshalb "Eckharts Gottheit" also grundsätzlich mit dem neuplatonischen Einen identisch ist.

Das neuplatonische Eine ist nun mit keiner weltlichen Vorstellung identifizier- und bestimmbar, weil es übergegensätzlich und der Welt transzendent ist, weshalb man eben auch nur negative (verneinende) Aussagen über das Eine treffen kann und keine positiven (bestimmende). Man kann also immer nur sagen was es nicht ist (eben vermittels der negativen Aussagen) und kann nie sagen was es ist, weshalb man eben im Sinne der negativen Theologie nie sagen könnte, dass Gott gut oder allmächtig ist, denn Güte und Macht sind Eigenschaften der Welt und kommen deshalb auch immer nur weltlichen Geschöpfen/Dingen zu. Die Gottheit aber ist über der Welt, transzendent und insofern eben auch "Übergut" und "Übermächtig".

Eckhart hat das einmal so ausgedrückt:

Sage ich nun: Gott ist gut, so ist es nicht wahr, sondern ich bin gut, Gott ist nicht gut. Ich sage mehr: ich bin besser als Gott, denn was gut ist, kann besser werden; was besser werden kann, kann das Allerbeste werden. Nun ist Gott nicht gut, daher kann er nicht besser werden. Und wenn er also nicht besser werden kann, so kann er auch nicht allerbest werden, denn diese drei sind fern von Gott: gut, besser und allerbest, denn er ist über allem. Sage ich ferner: Gott ist weise, so ist es nicht wahr: ich bin weiser als er. Sage ich ferner: Gott ist ein Wesen, so ist es nicht wahr: er ist ein überschwebendes Wesen und eine überwesende Nichtheit. Daher sagt Sankt Augustin: Das Schönste, was der Mensch von Gott sprechen kann, das ist, dass er vor Weisheitsfülle schweigen kann. Daher schweig und schwatze nicht von Gott, denn damit, dass du von ihm schwatzest, lügst du, tust also Sünde. Willst du nun ohne Sünde sein und vollkommen, so schwatze nicht von Gott. Du sollst auch nichts verstehen unter Gott, denn Gott ist über allem Verstehen. Es sagt ein Meister: Hätte ich einen Gott, den ich verstehen könnte, ich wollte ihn nimmer für Gott halten.

Das, was Eckhart also Gottheit nennt, ist sozusagen der "unvermittelte, reine Gott, jenseits aller (menschlichen) Vorstellung. An anderer Stelle nennt Eckhart ihn auch einen "Abgrund", oder das "verborgende Dunkel". In all diesen Beschreibungen geht es aber letztlich darum, dass man Gott eben nicht definieren, nicht verstehen kann, dass er eben über allem ist und damit auch über allem Verständnis.

Interessant und erhellend in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch, dass in Eckharts Vorstellung, Gott erst durch den Menschen Gott wurde. Er sagt, dass es Gott erst ab diesem Zeitpunkt gab, als der Mensch ihn Gott nannte und das er davor einfach nur war, was er eben war (und man kann nicht wissen was er war). Die Bestimmung zum Gott, kommt Gott also erst durch den Menschen zu und wäre der Mensch nicht, dann wäre Gott nicht Gott, sondern er wäre, was er eben ist. So wie es ja auch in der Bibel Gott selbst über sich aussagt, wenn er z.B. sagt: "ich werde sein, der ich sein werde/ ich bin, der ich bin". (2.Mose 3,14)

Das sind halt die Folgen, die sich aus einer negativ theologischen Sichtweise heraus logisch ergeben. Eckhart ist da also nur konsequent und das hat eigentlich auch gar nichts mit einer Mystik zu tun, sondern Eckhart zieht nur schroff die Konsequenzen, die sich für das Gottesbild ergeben müssen, wenn Gott der Ursprung von allem und somit der Schöpfer der Welt, aber gleichzeitig eben nicht mit dieser Welt identisch, also von ihr frei und unberührt sein soll. Im Neuplatonismus hatte man bereits sehr genau untersucht und entsprechend auch bestimmt, was der Welt als Urgrund zugrunde liegen müsse und welche "Eigenschaften" vonnöten sind, damit dieser Urgrund gleichzeitig ursächlich für alles sein kann, aber trotzdem von allem unberührt bliebe und also nicht in irgendeiner Weise von etwas Weltlichen bestimmt wäre. Das ist dann eben das bereits erwähnte neuplatonische Eine und weil über das Eine hinaus nichts Höheres und Vollkommeneres gedacht oder sich vorgestellt werden kann, identifiziert Eckhart eben Gott mit diesem neuplatonischen Einen, was dann auch erklärt, weshalb sich Eckhart mit seiner Theologie nicht im Widerspruch mit dem damaligen Weltbild befand, sondern ganz im Gegenteil, sich das damalige Weltbild und Eckharts Gottesbild im absoluten Einklang befand.

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Mit den "rationalen Verstand" ist Gott, in meinen Augen, so oder so "nicht zu greifen"... wie soll das gehen? Der Verstand ist analytischer Natur... "rechnerischer" Natur... "theoretischer" Natur, "nicht fuehlender" Natur...

Ich will damit unseren Verstand aber auf keinen Fall (!) als "Unnuetz" deklarieren... wiederhole: Auf keinen Fall(!). Wir haben ihn ja nicht Umsonst. Wir benoetigen ihn aufjedenfall fuer unser Leben und er (unser Verstand) soll auch stehts fortlaufend geschult sein bzw. werden (ja und ich sage auch: Umso geschulter umso besser!) ... in seinen Disziplinen!
Der Verstand und die menschliche Vernunft können bzgl. der "Gottesfrage" immer nur zu einer Schwelle führen. Ich meine aber, dass man diesbezüglich dann auch konsequent sein und diese Schwelle eben klar benennen sollte. Ich persönlich finde ja, dass eben ganz besonders der Neuplatonismus sehr logisch nachvollziehbar deutlich gemacht hat, wie uns der Verstand und die Vernunft zu der Schwelle führen können, über die hinaus der Mensch eben keine "treffendere Definition" mehr für das Göttliche und Gott finden kann und jenseits dieser Schwelle "liegt" dann eben das neuplatonische Eine und damit Gott.

Für gewöhnlich wird aber, z.B. im heutigen Christentum, diese Schwelle gar nicht berührt, geschweige denn, dass man sich ihrer wirklich bewusst wäre. Das hat dann nicht selten zur Folge, dass Gott eben mit allerlei weltlichen Eigenschaften "behängt" wird und er dann schlussendlich eben sowas wie ein "Zauberwesen" ist, das sich die Welt von oben anschaut und hier und da mal in die Weltgeschichte eingreift, oder eben auch nicht. Ich denke so ein "Zaubergott" ließe sich eigentlich recht schnell ausschließen, wenn man denn seine Vernunft und den Verstand konsequent nutzen würde.

Ich habe jetzt leider keine Zeit, aber ich werde demnächst einmal versuchen zu erklären, weshalb der Neuplatonismus "das Eine" als das verstandes- und vernunftmäßig "Göttlichste" betrachtet. Das ist wirklich sehr interessant und auch gut nachvollziehbar, weil es eben auf ganz konsequent vernunftbasierten Gedanken beruht und damit sogar der paulinschen Aussage gerecht wird, dass das, was man von Gott erkennen kann, vernunftbasiert offenbar ist (Römer 1, 19+20). Außerdem finde ich persönlich ja, dass das neuplatonische Eine einer "echten Vorstellung" von Gott entspricht, also da ist Gott dann wirklich unbegreiflich und doch ist da eine Ahnung von einer Schönheit und Heiligkeit, die ich in noch keiner anderen (Gottes)vorstellung auch nur im Geringsten vergleichbar finden konnte.

LG
Provisorium