
Zitat von
net.krel
@Lior... da seh ich mich grad zwischen zwei Fronten wenn Du mich das so fraegst :-)
Ja, das kann ich mir vorstellen.^^ Denn das Grundproblem scheint mir hier dasselbe oder zumindest sehr ähnlich. Der Bibelfundamentalist fordert das Einbeziehen der Existenz Gottes, weil ansonsten die Wissenschaft unvollständig ist und nie zur Wahrheit finden kann. Er kann nicht verstehen, dass das nicht geht – dass er ebenso erfolglos fordern könnte, das Junggesellen verheiratet sein müssen. Beides würde sich außerhalb des Definitionsrahmen bewegen. Und deine Forderung an die Psychologie scheint mir ähnlich. Stellen wir das mal einander gegenüber:
Die Wissenschaft untersucht die Gesetzmäßigkeiten der Welt. Sie versucht zu erkennen, wie alles zusammenwirkt. Aber dabei ignoriert sie die Existenz eines allwissenden und allmächtigen Gottes, und ohne diese in ihre Prämissen miteinzubeziehen, kann sie keine richtigen Schlussfolgerungen ziehen, denn es gibt ja eine Welt über die rein materialistische Ebene hinaus.
Wenn ich die markieren Wörter nun austausche, dann steht es ganz schnell so da:
Die Psychologie untersucht die Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Psyche . Sie versucht zu erkennen, wie alles zusammenwirkt. Aber dabei ignoriert sie die Existenz einer spirituellen Realität , und ohne diese in ihre Prämissen miteinzubeziehen, kann sie keine richtigen Schlussfolgerungen ziehen, denn es gibt ja ein Bewußtsein über die rein materialistische Ebene hinaus.
Du erkennst vermutlich, weshalb ich dieser Aussage skeptisch gegenüberstehe. Noch deutlicher wäre es vielleicht geworden, wenn ich die Forderung nach Einbeziehung der spirituellen Seite für die Heilung mit der in bibelfundamentalistischen Kreisen anzutreffenden Forderungen nach Einbeziehen einer Wirklichkeit von Krankheit verursachenden Dämonen in der Medizin gleichgesetzt hätte. Ich halte da offen gesagt deine Forderung für problematisch – wohlwollend formuliert. Zum einen muss klar zwischen Psychologie und Psychotherapie unterschieden werden. Das eine hat nur am Rande etwas mit dem anderen zu tun. Auch darf man meiner Meinung nach nicht die „Schul“-Psychologie mit einer Lehre von der transzendenten Seele des Menschen verwechseln. Ebenso wenig mit einer Lehre vom holistischen Menschen. Sie ist „die Lehre vom Erleben und Verhalten des Menschen, seiner Entwicklung im Laufe des Lebens und alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen und Bedingungen, soweit sie empirischen Beobachtungen zugänglich sind.“ Entsprechend kann sie im Zusammenhang mit spirituellen Erfahrungen nach dem Wie fragen (und das tut sie durchaus, es gibt einige sehr faszinierende Arbeiten dazu), aber nicht nach dem Ursprung oder der Wirklichkeit verschiedener Glaubensvorstellungen – das verlässt ihren Arbeitsbereich. (Wobei es hier ja durchaus andere Disziplinen gibt, z.B. die Philosophie aus der die Psychologie ja auch einst entsprang.^^)
Was die Psychologie meiner Ansicht nach manchmal nun tut, ist aus ihren Erkenntnissen heraus dazu zu mahnen, bestimmte metaphysische Erklärungsmodelle in Frage zu stellen – dann nämlich, wenn eine von spirituellen Ansichten postulierte Ursache–Wirkung–Verknüpfung untersucht und widerlegt wurde. Um es an einem Beispiel aus der Medizin deutlich zu machen (in der Hoffnung das nicht falsch darzustellen)... die meisten Mediziner würden nicht abstreiten, dass Akupunktur wirken kann. Aber die Annahme, dass es (nur) deshalb wirkt, weil bestimmte Energiebahnen durch die Nadeln punktiert werden, muss spätestens dann infrage gestellt werden, wenn die Akupunktur auch dann wirkt, wenn sie bewußt an der falschen Stelle durchgeführt wird. Du verstehst was ich meine? Diese Skepsis einer bestimmten Ursache–Wirkung–Verknüpfung als Erklärungsmodell gegenüber ist aber nicht gleichbedeutend mit einer pauschalen Ablehnung einer spirituellen Wirklichkeit. Das mag von Vertretern verschiedener Fachrichtungen teilweise anders dargestellt werden, das will ich nicht abstreiten, aber ich hab dir schon mal gesagt – du darfst nicht den Fehler machen von den Ansichten ihrer weltlichen Vertretern auf die Psychologie selbst zu schließen. Das wäre wie wenn du von dem Treiben der Kirche in der Geschichte auf den Inhalt der Bibel schlussfolgerst.^^ Und man darf auch nicht übersehen, dass viele Vertreter einer Spiritualität es primär deswegen ablehnen, weil es nicht mit ihren eigenen Vorstellungen von Spiritualität bzw. deren Gesetzmäßigkeit einhergeht.
Aber wenn wir das vertiefen müssen wir vermutlich einen neuen Thread eröffnen - sonst gehen die Themen wieder zu durcheinander. Der könnte ggf. ja auch interessant sein....
Geändert von Lior (05.09.2015 um 17:38 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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