Hallo lieber Bruder net.krel,

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net.krel
Allgemein gesprochen, glaube ich, liebst Du die "positive Negation" (aber berichtige mich falls ich mich irre...Du weist das natuerlich besser )...
Stichwort "Negative Theologie" oder "geistige Armut".
Hehe, ja, das kann man so sagen. :-)
Ich muss gestehen, dass mir das nicht immer auffällt, dass ich mich teilweise missverständlich ausdrücke, wenn ich z.B. solche Begriffe wie "geistige Armut", oder "negative Theologie" nutze, weil mir persönlich diese Begriffe eben so vertraut sind, dass ich gar nicht mehr angemessen in Erwägung ziehe, dass das für den Leser völlig unverständlich und mit ganz großen Fragezeichen rüber kommen könnte.
Aber du hast völlig recht, bei "negativer Theologie" könnte man wirklich denken, dass das eine Theologie sei, die sich kritisch und eben eher negativ mit Gott auseinandersetzt und "geistige Armut" versteht man heute in den meisten Fällen wahrscheinlich auch nicht mehr als etwas Positives, weil man mit Armut eben eher negative Dinge verbindet.
Ich lebe und denke da wohl wirklich manchmal zu sehr in "mittelalterlichen Vorstellungen". Aber das tu' ich halt auch sehr gerne! :-)

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net.krel
In meinen Augen bleibst Du naemlich ganz und gar nicht "stehen" mit den Lehren Meister Eckharts, wenngleich man das im buchstaeblichen Sinne vieleicht so (miss)verstanden haben koennte in Deinen Beitrag...
Ja also Eckhart ist halt einerseits meine "große Leidenschaft", den ich wirklich von ganzen Herzen liebe, weil mich noch nie ein Denker so tief berührt und so intensiv angesprochen hat wie er und andererseits ist er halt auch wirklich ein moderner Denker, was man bei einer 700 Jahren alten Philosophie eigentlich nun nicht erwarten würde.
Der jüdische Schriftsteller und Philosoph Ludwig Marcuse schrieb mal über Eckhart:
Der stärkste Kopf, der energischste, radikalste Denker unter den Mystikern, der, welcher das zu Verschweigende am eindringlichsten bewusst gemacht hat, war Meister Eckhart. Lange bevor die „Entmythologisierung“ erfunden wurde, war er der radikalste Entmythologisierer.
Eckhart war die Aufklärung – ohne Verklärung, war aufgeklärter als die Aufklärung. Er war in der Tat viel gefährlicher als später Luther, als die Entlarvung des Priester-Betrugs im achtzehnten Jahrhundert, als der harmlose Atheist des zwanzigsten. Eckhart deckte den „Abgrund“ auf, den alle Religionen und Philosophien zudeckten.
Und das kann ich wirklich nur bestätigen, denn je länger ich mich mit Eckhart, seiner Person, seiner Philosophie, generell seinem Denken und auch mit der Zeit , in der er lebte und wirkte auseinandersetze, desto mehr wird mir bewusst, wie aktuell er noch heute ist und dass er zu vielen Fragen, die wir heute noch haben, originelle, ja einzigartige Antworten gefunden hat!
Bezeichnend ist vielleicht auch die Tatsache, dass der Vorsitzende der Giordano Bruno Stiftung, Michael Schmidt Salomon, der mit seiner Stiftung sozusagen sowas wie der "Chefatheist und Hauptreligionskritiker Deutschlands" ist, in einem Interview einmal erklärte, dass er trotz seiner starken Abneigung gegenüber allem Christlichen, mit Meister Eckhart überhaupt kein Problem habe. Eckhart wird also sogar von den Atheisten geschätzt. :-)
Es ist jedenfalls so, dass man sich auf unterschiedlichste Weise dem "Phänomen", dem Menschen Eckhart nähern kann und man muss ja gar nicht tief in seine Philosophie einsteigen, wenn man das nicht möchte, sondern man kann sich sehr gut auch mit Gewinn an seinen deutschen Predigten erfreuen, über sie meditieren und sie einfach auf sich wirken lassen, ohne darin jetzt tiefschürfende philosophische Erkenntnisse zu suchen.
Er ist halt einfach auch ein toller Schriftsteller, mit einem sehr schönen Stil, der die deutsche Sprache sehr bereichert hat. Das Wort "Gelassenheit" zum Beispiel hat er in die deutsche Sprache eingeführt und ohne Eckhart würde es also gar keine Gelassenheit geben - das sagt doch schon so Einiges aus, finde ich, oder....? :-)
Und, na ja, wenn er einen mal gepackt und fasziniert hat, dann hat man ruckzuck dutzende Bücher zu lesen, muss sich generell mit der griechischen Philosophie und mit der Geschichte und den Lebensumständen der damaligen Zeit auseinandersetzen und sehr bald schon verbringt man sehr viele Stunden lesend, grübelnd, denkend, forschend, träumend und meditierend und am Anfang meint man noch, dass man mit großen Schritten voran kommt, aber alsbald merkt man dann, dass man doch noch sehr am Anfang seiner Reise steht und nun eher weiß, dass man noch nichts weiß und dann geht man tiefer und gibt sich immer intensiver in die ganze Sache rein, versucht den Überblick, die Draufsicht zu wahren und weil man bei Eckhart wirklich immer wieder so viele Dinge in eins zusammen denken muss, kommt man doch nie an ein wirkliches Ende, was aber letztlich doch einfach nur schön ist, weil Eckhart einem dadurch auch das Vertrauen lehrt...Man muss nicht alles wissen und verstehen...

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net.krel
Auch ist die "Negative Theologie", soweit ich sie aus Deinen Beitragen erklaert bekommen habe, natuerlich auch keine im Negativen (schlechten) Sinne "Negative Theologie".... ja eher im Gegenteil (hier wieder das Prinzip der "positiven Negation): Die Aussagen (von Dir als "eckhhartscher Schueler" :-) ) die hinter der "negativen Theologie" stehen...die sind (imho) hochkaraetig... zumindest in meinen Augen.
Oh, hochkarätig, da hast du aber bisschen viel gesagt, da werde ich ja bisschen rot...:-) Aber schön, wenn dir das was ich schreibe gut gefällt und etwas in dir berührt!
Für mich war die Entdeckung der negativen Theologie z.B. auch ein ganz besonderer Moment, weil ich schon immer spürte, dass wir mit unseren positiven Aussagen über Gott, mit all den Attributen, die wir ihm "andichten", eben mit all unseren Bestimmungen, letztlich fehl greifen und Gott kein bisschen näher kommen.
Und negative Theologie ist sich ganz einfach darüber bewusst, dass man über Gott keine positiven, keine wirklich treffenden Aussagen machen kann, denn alles was wir über ihn sagen könnten, wären doch nur weltliche Vorstellungen und diese würden ihm nicht gerecht werden. Deshalb kann man immer nur sagen was er nicht ist und also spricht man von "negativer Theologie", im Gegensatz zu "positiver Theologie", die Gott eben mit irgendwelchen Begriffen "dingfest" und bestimmbar machen möchte.

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net.krel
Das finde ich immer wieder interessant: Das, so wie ich Dich bzw. M. Eckhart verstehe...ist sehr sehr oft ziemlich identisch, wie auch ich die Dinge betrachte.... also jetzt rein von den eigentlichen Grundaussagen her... und sehe es auch so wie Du, dass dies "ein Weg" ist, den man "erstmal schaffen muss zu gehen"... ich behaupte da rein von mir selbst dass ich diesbzgl. noch einiges "immer wieder mal" noch am stolpern bin :-) ... mal mehr mal weniger... aber, bei mir, eher mehr als weniger... isso.
Ja, die Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen sind in der Tat bemerkenswert, weil wir ja auch jeweils aus der ganz eigenen Ecke kommen und obwohl wir uns dementsprechend aus unterschiedlichen Richtungen dem Thema Glaube, Religion, Spiritualität und Gott und die Welt nähern, finden wir doch immer wieder und sogar recht häufig zu den gleichen Überzeugungen. Das ist schön!
Allerdings ist grundsätzlich auffällig, dass sich Gläubige, die sich eher so in die "mystische Richtung" entwickeln, generell sehr häufig, sehr ähnlich denken und glauben. Das ist sogar religionsübergreifend so und vieles was ich persönlich glaube, finde ich auch im Buddhismus, im Hinduismus, oder in den mystischen Strömungen des Judentums und des Islam wieder.
Ich muss auch sagen, dass ich bisher noch niemanden im Internet kennen lernen durfte, der mich und meinen Glauben so brüderlich und herzlich "annimmt", wie du es tust, oder thalestris, oder auch der liebe Lior, der mir schon früher, als er noch Kasper hieß, immer sehr positiv aufgefallen war, weil in seinen Worten und Aussagen immer ganz viel Toleranz und Liebe mitschwingt - sowas spüre ich sofort!
Genau wie ich es sofort spüre, wenn jemand fleißigst bei Paulus in die Schule gegangen ist, weil dann leider gar nicht so selten so eine gewisse Härte und manchmal sogar verbitterte Strenge in den Aussagen zum Tragen kommt...

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net.krel
Wollte Dir das nur geschrieben haben, als Kommentar zu Deinen Beitragen.
Das ist wirklich sehr sehr lieb von dir und hat mit sehr sehr gut getan! Vielen lieben Dank!
LG
Provisorium
Geändert von Provisorium (07.09.2015 um 10:22 Uhr)
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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