Mir hat Sunigols Beitrag gefallen, danke dafür. Und ich möchte ihn nur durch ein zwei meiner Gedanken ergänzen.
Das Problem mit dem wie Sunigol es nennt „von außen verlangte Verzicht“ dem tatsächliche Überzeugungskraft fehlt ist in meinen Augen zusätzlich dadurch erschwert, dass viele sich ihrer tatsächlichen Bedürfnisse gar nicht bewusst sind oder sie sich nicht eingestehen, weil mit dem von außen verlangten Verzicht oft eine mangelnde Achtsamkeit gegenüber den eigenen Bedürfnissen bzw. eine Anpassung des Selbstbildes an die angenommene soziale Erwartung mit einhergehen kann. Das Zölibat ist hier sicherlich ein extremes Beispiel, aber keine Ausnahme.

Zum anderen möchte auch ich in Hinblick auf die Verknüpfung Zöllibat = Kindesmissbrauch zur Vorsicht mahnen. Sunigol hat das Wesentliche bereits genannt, ich möchte aber noch auf ein anderes Problem hinweisen – und im Wissen um die oft empörte Reaktion mit aller Vorsicht wohlgemerkt. Zumindest du Thalestris erinnerst dich vielleicht noch an die Diskussion, die wir in einem anderen wohlbekannten Forum geführt haben, als es um rituellen Missbrauch im Satanismus ging. Ein Phänomen, dass in den 80ern und 90ern immer wieder in der Presse zu hören war, und von dem immer wieder Betroffene wahrhafte Schreckensbilder gezeichnet haben. Die aber – nach später gewissenhaft durchgeführten Untersuchungen – sich in den meisten Fällen entweder als Einzeltaten ohne wirklichen kultischen Bezug oder aber als fragwürdige und oft belegbar falsche Erinnerungen herausstellten. Man möge mich bitte nicht missverstehen – ganz ohne Frage gibt es Missbrauchstaten und ganz sicher sind die Opfer jeweils Betroffene. Dennoch ist bei den Betroffenen das Erlebte nicht als über jeden Zweifel erhabene Videoaufzeichnung im Gedächtnis gespeichert, sondern oft als fragmentarische Bilder, die vom sich Erinnernden in einen Sinnzusammenhang gestellt und interpretiert werden. Die Gedächtnisforschung hat hier in den letzten Jahren und Jahrzehnten unsere Vorstellung vom Gedächtnis und seiner Funktion in vielerlei Hinsicht korrigieren müssen. Und wie man meines Wissens nach mittlerweile ebenfalls weiß und belegen kann, können in der Öffentlichkeit der Medien ausgebreitete Skandale wie der Missbrauch von Kindern durch einzelne Geistliche dazu führen, dass andere Betroffene ihre jeweiligen Erinnerungsfragmente neu interpretieren und in Verbindung mit der an sie herangetragenen Information es ihnen auf einmal "wie Schuppen von den Augen fällt" und sie sich an Dinge erinnern, die sie vorher völlig "vergessen" hatten. Das kann sogar soweit gehen, dass selbst die beschuldigten Täter sich ihrer Erinnerung unsicher werden und von einer vermeintliche Täterschaft überzeugt werden – ein Phänomen das soweit mir bekannt ebenfalls schon beobachtet werden konnte.
Damit will ich weder behaupten, dass es keine echten Opfer gibt, noch will ich behaupten, dass es innerhalb der katholischen Priesterschaft keine Täter gab. Aber diese vereinfachte Darstellung „Zöllibat = Unterdrückte Sexualität = Missbrauch“ ist auch in meinen Augen zu bereitwillig aufgenommen worden. Und hat möglicherweise auch deshalb (und weil ja alle katholischen Priester zölibatär leben) gegenüber Priestern teilweise zu einem Generalverdacht geführt, wie man ihn z.B. auch von männlichen Kindergärtnern her kennt. Ich glaube man muss im Umgang mit diesen Themen zur Vorsicht gemahnen – sowohl im Interesse der Opfer wie auch der Beschuldigten. Denn auch wenn die Schuldigen ganz ohne Frage mit der ganzen und wie ich finde leider nicht ausreichenden Härte des Gesetzes gestraft gehören, dürfen wir nicht vergessen, dass die Mehrheit jener Menschen eben anders tickt....