
Zitat von
Padma
Ja, genau - und das, wo doch in dieser Aufforderung genau das Gegenteil steckt (das Gegenteil davon, sich seiner Göttlichkeit bewusst zu werden und daraus zu leben) ;-):
Man beachte den Kontext:[...]
Parallelstelle:
Lk 14, 26 Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.27 Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
Ich glaube diesbezüglich kann ich vermittelnd "einschreiten". :-)
Wenn Digido sagt, dass sich der Mensch seiner Göttlichkeit bewusst werden muss, dann steckt in dem von dir genannten Lukasvers nicht das Gegenteil davon, sondern Jesus hat in diesem Vers lediglich deutlich gemacht, wie man sich als Mensch seiner Göttlichkeit bewusst wird.
Und das geht so....;-)
Ich fang' mal mit dem Wort "hassen" an. Wer hasst, der lehnt mit Eifer etwas ab, er will also nicht das, was er hasst, was er hasst soll weg. Jesus spricht aber nicht nur vom "hassen", sondern er sagt zuvor: "Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht..."
Wie soll also der Mensch zu Jesus kommen? Er soll ledig, frei, ungebunden, nicht an der Familie, nicht an sich selbst hängend zu ihm kommen, denn wenn man noch an der Familie, oder an sich selbst hängt, dann ist man nicht wirklich frei für Jesus (In diesem Kontext ist auch "Buße" zu verstehen).
Im Grunde wird hier tatsächlich wieder "spirituelle Armut" angesprochen! Der Mensch steht niemals besser, als wenn er von allem frei, also völlig arm dasteht, nichts hat, nichts weiß, nicht will. Dann, in dieser Armut, kann er zu Jesus kommen und ist er frei für Jesus.
Meister Eckhart hat in einem anderen Kontext mal gesagt, dass die fremden Gäste in der Seele des Menschen schweigen müssen, damit sie Jesus hören kann. Das heißt erst wenn die Seele keine fremden Gäste (und damit sind alle unsere "Gebundenheiten" gemeint - also auch die Familie und man selbst) mehr hört, ist das seelische, spirituelle Ohr frei für das Sprechen Jesu.
Paulus hat auf dem Areopag in Athen gesagt (Apostelgeschichte 17, 24-28):
Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, auch wird er nicht von Menschenhänden bedient, als wenn er noch etwas nötig hätte, da er selbst allen Leben und Odem und alles gibt.
Und er hat aus einemjede Nation der Menschen gemacht, dass sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, wobei er festgesetzte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmt hat, dass sie Gott suchen, ob sie ihn vielleicht tastend fühlen und finden möchten, obwohl er ja nicht fern ist von jedem von uns. Denn in ihm leben wir und bewegen uns und sind wir, wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: Denn wir sind auch sein Geschlecht.
Paulus kritisiert in dieser Bibelstelle die "Götzenbilder und -tempel" der Griechen. Er sagt ihnen, dass Gott nicht in diesen Tempeln wohnt, sondern uns viel näher ist, denn in ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir. Oder anders: Wir sind seines, wir sind Gottes Geschlecht, also göttlicher Herkunft, substantiell mit Gott verbunden!
Und wenn Digido nun meint, dass sich der Mensch seiner Göttlichkeit bewusst werden muss, dann, so denke ich, meint er genau das! Der Mensch ist göttlichen Geschlechts und er lebt, bewegt und ist in Gott.
So und um nun den Kreis zu schließen nochmal zu Jesus und seiner Aufforderung sich selbst, Vater, Mutter, Kinder, Bruder, Schwester zu hassen, damit man frei und ledig zu ihm kommt.
Als Mensch haben wir sozusagen "zwei Seinsweisen". Einerseits sind wir Kreatur, Geschöpf, zeitlich, sterblich und vergänglich. Andererseits sind wir aber eben auch Gottes Geschlecht und also mit dem verbunden, der über der Zeit, der Sterblich-, Vergänglich- und Kreatürlichkeit steht. Man könnte also sagen, dass unsere Seele, unser Leben einen kreatürlichen und vergänglichen und einen göttlichen, unvergänglichen Anteil hat.
Von diesem kreatürlichen Anteil sollen wir lassen, den sollen wir hassen, mit Eifer ablehnen, an dem sollen wir (unser Herz) nicht hängen, davon sollen wir frei werden, weil wir in dem Maße, wie wir von diesem (weltlichen) Anteil frei werden, im gleichen Maße unser eigentliches, göttliches Wesen verwirklichen, weil wir eben grundsätzlich Gottes Geschlecht sind.
Man kann sich also durchaus als Mensch seiner Göttlichkeit bewusst werden, nämlich insofern, dass man sein kreatürliches und geschaffenes Sein lässt (hasst, die Stimmen in der Seele zum Schweigen bringt, damit man Jesus hören kann...) und dadurch in das Sein Gottes eintritt und gewahr wird, dass Gott und ich ("ich" nicht verstanden als geschaffene Kreatur, sondern als "ich" im Sinne meines göttlichen Geschlechts) eins sind. Das ist es, was meines persönlichen Glaubens nach Jesus lehrte.
Und der Weg zu diesem "Gewahr werden" ist der spirituelle Weg der geistigen Armut, den Jesus in dem Lukasvers mit dem Wort "hassen" andeutete...;-)
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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