Hallo Digido,
Ian Stevenson ist mir natürlich bekannt, und ich finde seinen Beitrag zu diesem Thema sehr interessant und durchaus lesenswert. Deinen Hinweis mich besser informieren zu sollen, nehme ich mal zur Kenntnis. Aber ich glaube behaupten zu dürfen, dass ich mich bereits ein ganz kleines bischen mit der Materie und der Thematik beschäftigt habe.^^ Vielleicht darf ich dich daher auf ein zwei Aspekte hinweisen, die in meinen Augen nicht unproblematisch sind.
1. Als wissenschaftlich allgemein anerkannt kann man seine Theorien kaum beschreiben. Wenn du dich allerdings mit der Thematik so eingehend beschäftigt hast, dann wird dir sicherlich nicht entgangen sein, dass seine Forschung durchaus umstritten ist. Zudem wirst du den Begriff Reinkarnation in keinem der mir bekannten Lehrbücher für Psychologie als wissenschaftliche Tatsache erwähnt sehen.
2. Soweit mir bekannt hat Stevenson selbst nie von Beweisen gesprochen, lediglich von Belegen, die Reinkarnation als Phänomen nahelegen. Aber falls du eine andere Aussage von ihm kennst, wäre ich dir für die Quellenangabe nicht undankbar.
3. Gibt es soweit mir bekannt durchaus Möglichkeiten, viele der beobachteten Sachverhalte anders zu erklären. Gerade Phänomene im Zusammenhang mit unseren Erinnerungen sind meines Wissens nach sehr problematisch. Und da ich keinen Fall kenne, bei dem Stevenson ganz zufällig vor Ort war, als eine Spontanäußerung stattgefunden hat, sind alle Fälle zudem retrospektiv – es ist also durchaus fraglich, welche Einflussnahme ggf. bereits zuvor stattgefunden hat.
4. Selbst wenn wir die Richtigkeit der von ihm geschilderten Phänomene akzeptieren, ist deine Formulierung, dass etwas „nicht anders als durch Reinkarnation erklärt werden kann“ in meinen Augen ein klassisches Beispiel für einen logischen Fehlschluss. Nur weil etwas (noch!) nicht anders erklärt werden kann, ist es kein Beweis für die Richtigkeit einer spekulativen Theorie. Das würde voraussetzen, dass alle anderen möglichen Erklärungen bereits bekannt sind und in Zukunft keine andere Erklärung mehr gefunden werden kann. Es lässt die Theorie möglicherweise als plausibel oder als ein gegenwärtig sinnvollstes Erklärungsmodell bestehen – mehr aber auch nicht. Was...
5. … für eine Theorie, die den wissenschaftlichen Arbeitsraum verlässt allerdings in meinen Augen nicht unproblematisch ist. Ebenso könnte man die körperlichen Spuren und das Wissen für Veränderungen und Einflüsterungen winziger Midi-Chlorianer, und die scheinbar reinkarnierten Kinder für potentielle Jedi-Ritter halten. Na klar, die körperliche Zeichnung der Kinder wäre nicht notwendig, aber vielleicht haben die kleinen Biester einfach einen seltsamen Sinn für Humor. Das ist zugegeben etwas polemisch formuliert und es liegt mir fern die Arbeit zur Reinkarnation als Humbug zu verwerfen – aber in Bezug zur Frage nach „Wissenschaftlichkeit“ ist es im Kern sehr ähnlich.
Lieber Digido, wie ich schon sagte – ich selbst würde die Möglichkeit einer Reinkarnation nicht kategorisch ausschließen wollen. Ich selbst fasziniere mich für neuere philosophische Konzepte, wie z.B. den Panpsychismus. Nur gehe ich nicht soweit daraus Tatsachen zu stricken. Und wenn die Lehre von der Reinkarnation deiner persönlichen Überzeugung nach die einzig plausible Antwort ist, dann kann ich das gerne auch akzeptieren. Aber es ist im Umkehrschluss dennoch nicht unbedingt weise und mit Sicherheit nicht sehr respektvoll, wenn man Menschen mit anderer Meinung zu dem Thema eine pauschale Unwissenheit unterstellt bzw. sie dazu auffordert sich besser zu informieren. Und wenn man das unterlässt, setzt man sich auch nicht einer gewissen Peinlichkeit aus, wenn das Gegenüber den eigenen Erwartungen nicht entspricht. Nur mal so als Gedanke....
Viele Grüße
Lior
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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