Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
Das kann ich so wie es da steht nicht untertreichen. Es klingt zu sehr nach "keine Chance", und das seh ich nicht so. Nicht in dieser Radikalitaet.
Eine Perfektion, falls Du diese Ansprichst, gibt es zwar auch in meine Augen nicht [hier auf Erden]... aber das stellt fuer mich kein Grund dar, dass streben nach Gott als "Hoffnungslos" zu betrachten augrund unserer menschlichen Unvollkommenheit.
Lieber NetKrel,
dann will ich es aber anders formulieren, in der Hoffnung weniger radikal zu klingen. Nehmen wir die absolute Wahrheit als Beispiel. Um die absolute Wahrheit zu kennen und uns ihrer sicher zu sein, müssten wir meiner Meinung nach zwingend ausschließen können uns zu irren. Das aber ginge soweit ich das sehe logisch nur dann, wenn wir allwissend sind, denn ansonsten bliebe immer noch Raum für ein Nicht-Wissen und daraus folgend die Möglichkeit falscher Annahmen. Das Verfügen über eine Vollkommenheit (hier die absolute Wahrheit) setzt also bereits eine Vollkommenheit voraus (die Allwissenheit). Oder anders gesagt, wo Unvollkommenheit besteht, ist eine Vollkommenheit nicht möglich. Und obschon wir daher ausschließen können, dass wir je alles wissen werden, so macht es den Versuch immer mehr zu lernen und zu wissen nicht weniger sinnvoll.
Was ich daher Übertragen auf unsere Gotteserkenntnis meinte ist, dass wir ob unserer Unvollkommenheit zumindest zu Lebzeiten in unserer eben unvollkommenen Existenz niemals in der Lage sein werden, Gott vollständig zu erfassen. Soweit scheinst du mir ja auch zustimmen zu können. Damit will ich nicht sagen, dass es sinnlos sei dennoch nach Gemeinschaft mit Gott und Erkenntnis Seines Willens zu streben – auch wenn wir sie in ihrer Vollendung, nämlich der Einheit mit Gott zu Lebzeiten nicht erreichen mögen. Ganz im Gegenteil scheint es mir äquivalent zum Streben nach Wahrheit absolut notwendig, dass wir fortwährend danach streben – und uns eben nicht einbilden die Antworten bereits zu kennen. Aber es hilft dann eben auch einander mit deutlich mehr Wertschätzung begegnen. Denn wie du schon sagst … wenn man sich damit abfindet, dann kann man sehr viel entspannter seine Meinungen austauschen. ^^

Ja, ich weiß – manche meiner Überlegungen können sicherlich etwas trocken – oder wie du es formulierst technokratisch - wirken. Ich denke das liegt daran, dass wir zwei vermutlich von unterschiedlichen Denkströmungen und deren Geschichtsverständnis beeinflusst sind. Zumindest sehe ich mich bei deiner Verwendung der Begrifflichkeiten Inspiration und Intuition an das Konzept von Rudolf Steiner erinnert, vermute also, dass deine Ansichten teils durch esoterische Schriften beeinflusst sind. Da wir aber ja zu ähnlichen Ergebnissen kommen, mag es vermutlich auch nur eine Frage der Begrifflichkeiten sein, die wir bevorzugen, obgleich wir sie ähnlich gebrauchen.

Ich möchte aber auch nochmal auf deine Kritik am Fundamentalismus eingehen, die ich zwar verständlich finde, aber zum Teil doch auch etwas zu harsch – wenn ich das so sagen darf. Auch ich finde, und das hast du natürlich zutreffend erwähnt, dass eine biblizistische Lesart der Bibel ihr nicht gerecht wird und nur mit massiver Verleugnung wissenschaftlicher und historischer Tatsachen haltbar ist. Jedoch sehe ich mit Blick auf den Fundamentalismus nicht nur das ideologische Konzept, sondern auch den dahinter stehenden Menschen. Und hier bemühe ich mich um Verständnis für jene, die sich freiwillig für ein solches Denken entscheiden. Und die ihre Gründe haben. Natürlich gibt es Grenzen. Wie wir wissen gibt es Anzeichen dafür, dass fundamentalistische Ansichten auf Dauer zu einer negativen Einstellung führen. Und wir wissen auch, dass Fundamentalismus sehr häufig mit Hass verbunden ist. Sei es weil eine Kränkung kompensiert wird, sei es weil konfliktträchtig empfundener Selbsthass hier eine legitime Ausdrucksmöglichkeit und Übertragung nach außen erhält. (Z.B. in Form der Selbstgeißler, die fortwährend ihr Ego zu kreuzigen versuchen oder dem "Hass auf die Welt") Man darf diese Gefahr natürlich nicht ignorieren. Und ich denke wir müssen nicht darüber streiten, dass eine fundamentalistische Überzeugung spätestens dann zu verurteilen ist, wenn sie radikal ausgelebt wird und in der Selbstüberhöhung der eigenen Position als unbedingt und über jeden Zweifel erhaben und als absolut geltend anderen Menschen ihre Wertigkeit abspricht, egalitäre Strukturen schafft und damit direkt oder indirekt zur Gewalt aufruft.

Auf der anderen Seite aber gibt es Menschen, denen die in fundamentalistischen Konzepten immanent innewohnende Geringschätzung des anderen entweder nicht so deutlich ist, oder die versuchen durch ihr Verständnis fundamentaler Grundsätze diesem zu entgehen. Das Radikale am Fundamentalismus ist ja auch nicht die Überzeugung gegenüber anderer Annahmen „im Recht zu sein“ bzw. es besser zu wissen. Wir alle gehen davon aus, dass unsere Annahmen überzeugender sind, sonst würden wir sie nicht vertreten.^^ Das Radikale scheint mir vielmehr die fehlende Bereitschaft zumindest gewisse Ansichten zu hinterfragen, sich einem kritischen Dialog zu stellen bzw. die Möglichkeit eines eigenen Irrtums einzuräumen. Wo aber der „Fundamentalist“ nur unter seinesgleichen wandelt, ist er u.U. gar nicht genötigt sich diesen Fragen zu stellen, kann also sehr gemäßigt sein und einen Fundamentalismus als heilsam erleben. Tatsächlich wissen wir ja heute aus Befragungen, dass viele Menschen mit einer solchen Überzeugung einfach glücklicher sind, weil sie unmittelbar vor ihrer Bekehrung in einer Lebenskrise standen, die Bekehrung damit also möglicherweise zugleich eine Bewältigungsstrategie war. Oft mag für diese Fundamentalisten im Entscheidungsprozess eher die neue soziale Identität als die Ideologie das Ausschlaggebende Argument gewesen sein. Und andere, meist eher bildungsferne Menschen können u.U, ein einfach strukturiertes Glaubensbild auch eher in ihren Alltag integrieren, als ein oft nur schwer nachvollziehbares Bild, wie es die Wissenschaft zeichnet. Diesen Menschen mag also die zumindest zeitweilige Hinwendung zum Fundamentalismus eine Hilfe sein, den sie für sich persönlich als Glauben in einer wohltuenden Gemeinschaft erleben, ohne dass die Auseinandersetzung mit den Folgen für Andersdenkende mehr sind, als eine rein akademische Frage.
Worauf ich hinaus will ist aber, dass eine jede Kritik an einer Ideologie nicht übersehen darf, dass diese Ideologie nicht im luftleeren Raum existiert, sondern von Menschen getragen wird, die als Mitmenschen unseren Respekt und unser Bemühen um Verständnis verdienen. Und gerade deshalb scheint es mir wichtig, dass wir bei allem Austausch und bei aller Kritik an den Ansichten eines anderen immer auch sehen, dass wir es nicht an Wertschätzung dem Menschen gegenüber fehlen lassen. Denn auch unsere Ansichten und „Wahrheiten“ sind nicht über jeden Zweifel erhaben. Wenn wir aber den Fundamentalismus als Lebensweise radikal ablehnen, machen wir damit nichts anderes als das, was wir am Fundamentalismus verurteilen. Und es ist daher in meinen Augen nicht unsere Aufgabe den Fundamentalismus als Ideologie auszumerzen. Eine Überzeugung kann niemals von außen „abgeschafft“ werden. Sie muss von ihren Vertretern freiwillig aufgegeben werden. Und wenn, wie wir glauben, gute Gründe dafür vorliegen, dann können wir diese in einem von Wertschätzung geprägtem Dialog zum Ausdruck bringen. Aber die Entscheidung unseren Argumenten zu folgen verbleibt beim Gegenüber. Und leider – um den Bogen zu schließen – wissen wir alle, dass nicht jeder auf die Stimme der Vernunft zu hören bereit ist. Oder nur das hört, was er hören will. Und insofern – um auf die Eingangsüberlegung zu kommen – sehe ich jede Reformation mit einem vorsichtigen Blick. Den Grundsatz der Neugestaltung und kritischen Prüfung könnte ich ohne weiteres zustimmen. Problematisch empfinde ich es aber dort, wo Änderungen aufgezwungen werden oder aber dazu dienen, neue Klüfte zu schaffen statt Menschen zu verbinden.
Heute mal nur Gedankensalat......^^