Liebe Thalestris,
das mit dem Psychologen und der geschützten Berufsbezeichnung habe ich angesprochen, vielleicht darf ich daher auch kurz was zu deiner Frage sagen.
Die Frage wer nun ein Experte ist, ist nicht einfach zu beantworten. Grundsätzlich gilt natürlich das was Digido schon sagte – ein Experte ist jemand, der sich in einem Themenbereich gut auskennt. Und das müssen tatsächlich nicht nur jene Menschen sein, die eine entsprechende Berufsbezeichnung haben, sondern können u.U. auch Laien und Hobbyisten sein, die sich lediglich in ihrer Freizeit mit einem Thema beschäftigen. Sehr häufig ist das z.B. auch in Fällen, die ein sehr eng enges Themenfeld umfassen; so kann der Lokalgeschichtlich Interessierte in der Geschichte seines Wohnortes sehr viel besser informiert sein, als ein Historiker, der sich verständlicherweise nicht auf einen einzelnen Ort beschränkt.
Die Berufsbezeichnungen (zumindest die Geschützten) bieten nun hingegen in der Regel so etwas wie eine Qualitätskontrolle. Es ist ja so, dass sich ja jeder für einen Experten in einer Sache halten kann und sich auch entsprechend als solchen ausgeben darf. Selbst dann, wenn er dabei sein Wissen maßlos überschätzt. Wer hingegen einen Berufstitel wie z.B. Psychologe zu recht führt, bei dem weiß man, dass er eine entsprechende Ausbildung oder ein entsprechendes Studium abgeschlossen hat. Es bescheinigt ihm also eine gewisse, überprüfte Kompetenz. Das heißt nicht zwingend, dass er in seinem Fach gut ist. Und noch weniger heißt es, dass er in einem speziellen Gebiet besser ist als ein Laie. Nicht jeder der z.B. Medizin studiert hat, ist deshalb ein guter und mitfühlender Arzt. Und selbst wenn doch, ist damit nicht gesagt, dass er ein Experte in Fragen der Radiologie ist. Da mag es z.B. Pfleger in diesem Berufsfeld (der Radiologie) geben, die über die Jahre mehr Expertenwissen sich aneignen konnten. Aber ein studierter Arzt kann zumindest eine umfassende Grundausbildung in seiner Disziplin vorweisen, was eben mit der abgeschlossenen Prüfung garantiert ist. Und er kann bei einem falschen Rat haftbar gemacht werden, was bedeutet, dass er auch in seinem Empfehlungen gewissenhafter vorgehen muss, als ein Chatpartner, der mal was empfiehlt. Ich weiß nicht wie du es siehst, aber ich würde mir jedenfalls lieber von einem Arzt beraten lassen, als von einem Mechaniker, der sich in seiner Freizeit nebenher für Medizin interessiert.^^
Nun gibt es aber einige Disziplinen (in den meisten Fällen Geisteswissenschaften), in denen es leider keine Seltenheit ist, dass sich Laien für mindestens gleichwertige, wenn nicht sogar überlegene Experten halten. Oder die Expertentum in einer Thematik falsch verstehen. Digidos Aussage wie „Wir sind ja alle lebendige Menschen und haben deshalb alle den unmittelbarsten Zugang zu unserer eigenen Seele und den psychischen Inhalten.“ ist meiner Meinung nach ein schönes Beispiel für eine sehr begrenzte Auffassung dessen, was es bedeutet wissenschaftliche Psychologie zu betreiben. (Entschuldige Digido) Hinzu kommen verschiedene, meist esoterische Vertreter, die Wissenschaft gerne auf den Kopf stellen würden, um ihre eigenen (Glaubens)ansichten als bewiesen darzustellen. Hier begegnet man dann auch Aussagen wie „Die Kriterien für eine Wissenschaft können natürlich nur die aufstellen, die den jeweiligen Zweig begründet haben und weiterforschen. Folglich ist in der Reinkarnationswissenschaft das wissenschaftlich, was diesen Wissenschaftlern als Kriterium dafür gilt. [...]Das können andere kritisieren. Aber sie haben kein recht dazu, da sie eben den wissenschaftlichen Anforderungen zur Beurteilung der Fälle nicht genügen.“ Eine Aussage, die natürlich doppelt falsch ist, denn erstens ist die Behauptung, jede wissenschaftliche Disziplin stelle ihre eigenen Regeln auf, völliger Unsinn. Die Regeln wissenschaftlicher Arbeitsweise werden in der Wissenschaftstheorie diskutiert und vorgegeben - und diese ist mit Sicherheit keine Teildisziplin der Reinkarnationsforschung, sondern - wie du ganz leicht nachlesen kannst - der Philosophie. Wenn man also behaupten würde, dass nur die Experten eines Faches das Recht haben Kritik zu üben, hätten Reinkarnationsforsher in dieser Frage also überhaupt nichts zu melden.^^ Hinzu kommt, dass – ungeachtet dessen es natürlich richtig ist, dass ein Physiker in der Physik eher als Experte gelten kann als ein Jurist – es trotzdem gilt, dass in der Wissenschaft grundsätzlich Argumente zählen. Und die können auch von fachfremden Wissenschaftlern angeführt werden – das ist in der Wissenschaft gang und gäbe. Um so mehr, als dass die meisten Disziplinen nicht für sich stehen sondern große Schnittmengen untereinander haben.
Was nun die Konsequenzen betrifft, die sich aus dem falschen Aneignen von Berufsbezeichnungen ergibt, das hängt davon ab, ob diese nun geschützt sind oder nicht. Sind sie es nicht, darf sich theoretisch jeder so nennen. Handelt es sich hingegen um eine geschützte Berufsbezeichnung wie den „Psychologen“, dann bestünde u.U. die Möglichkeit dafür bestraft zu werden. Das wird bei einem Chatpartner vermutlich eher weniger der Fall sein, aber es gibt Fälle, in denen das relevant wird. Ich hatte in meinem damaligen Post einen Autor angeführt, der mit eben diesen Berufsbezeichnungen und einer Selbstklassifizierung als „wissenschaftliches Standartwerk“ für sich wirbt. Und das ist nach einem Urteil des BGH verboten, weil hier der Verbraucher in die Irre geführt bzw. u.U. sogar arglistig getäuscht wird. Leider geschieht dies dennoch immer wieder, denn es ist natürlich fast unmöglich zu erkennen, wer nun den Titel ungerechtfertigt für sich in Anspruch nimmt. Dennoch... wenn jemand dabei erwischt wird, dann kann es durchaus Konsequenzen haben – in welcher Art oder in welchem Umfang weiß ich nun auch nicht genau, aber ich habe z.B. im Zusammenhang mit diesem Manfred Reichelt mehrere PrintScreen an den BDP (Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen) geschickt, mit einem Hinweis auf meinen Verdacht eines gesetzlichen Verstoßes und der Bitte mit Auskunft zu erteilen, was in solchen Fällen geschieht. Der BDP nimmt diese Dinge in der Regel ernst und geht ggf. auch juristisch gegen entsprechende Personen vor. Vielleicht kann ich also die Frage nach den Konsequenzen demnächst beantworten.^^
Grundsätzlich würde ich dir empfehlen, dich von Aussagen die Unbekannter grundsätzlich nicht verwirren zu lassen. Eben weil du nie weißt, wer dahinter steckt. Und ein seriöser Ansprechpartner wird dir grundsätzlich auch alle Möglichkeiten bereitstellen, seine Aussagen zu überprüfen. Ich weiß, es kann dennoch manchmal sehr verletzend oder aufwühlend sein, was manchmal geschrieben wird. In diesen Fällen hilft leider manchmal nur abschalten. Hier im Internet kann man es wenigstens – hier bei uns fährt regelmäßig ein selbsternannter Prophet mit der Straßenbahn durch die Stadt und predigt – das kann manchmal ein deutlich größeres Ärgernis sein. :-/
Liebe Grüße dir
Lior
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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