
Zitat von
firefly
Damals war es die Distanzierung von Ablasshandel und ähnliche Praktiken, oder?
Unter anderem ja. Luther hat allerdings im Laufe seines Lebens nicht nur gegen den Ablasshandel Partei ergriffen, er wurde immer hitziger, böser und fanatischer...
In den Bauernkriegen ab 1524 bezogen sich die Aufständischen bei ihrer Rebellion gegen die ausbeuterische Fürstenherrschaft eigentlich positiv auf Luther. Zudem unterstützte ja auch der Reformator Thomas Müntzer (um 1489-1525) die Bauern. Luther jedoch stellte sich klar auf die Seite der Reaktion: "Es ist besser, dass alle Bauern erschlagen werden als die Obrigkeiten und zwar deshalb, weil die Bauern ohne Gewalt von Gott das Schwert nehmen: Deshalb gebührt den Bauern keine Barmherzigkeit, keine Geduld, sondern der Zorn und Unwillen Gottes."
Luther erging sich regelrecht in geistigen Gewaltorgien: "Steche, schlage, würge hie, wer da kann [...] Bleibst Du darüber tot, wohl dir, einen seligeren Tod kannst du nimmer mehr erlangen." Diese Haltung ist keineswegs nur dem Wunsch Luthers zuzuschreiben, das schreckliche Morden auf beiden Seiten zu stoppen. Vielmehr zieht sich die einseitige Vergötzung weltlicher Obrigkeit wie ein roter Faden durch Luthers Werk. So verteidigte er sogar Tyrannenherrschaft: "Es ist besser, wenn Tyrannen hundert Ungerechtigkeiten gegen das Volk verüben, als dass das Volk eine einzige Ungerechtigkeit gegen die Tyrannen verübt."
Und wie er gegen die Juden gehetzt hat, will ich hier jetzt gar nicht thematisieren... Luther war jedenfalls kein milder, liebevoller, allen Menschen herzlich zugewandter Christ und seine sogenannte Reformation wäre in gewisser Weise sofort wieder reformbedürftig gewesen, kaum das sie auf der Welt war...

Zitat von
firefly
Wenn ich aber richtig liege, so würde man, würde man an diesem Kreuz- Sünde- Opfer zur Sündenvergebung der Menschen rütteln, den Christentumen (Mehrzahl, weil verschiedene Richtungen?) die Basis in Frage stellen, nicht wahr?
Wenn ich das richtig verstehe, geht das nicht zu reformieren. Dadurch entzöge man dieser Religion die Kernaussage, oder irre ich?
Nicht zwangsläufig. Über die sogenannte Christologie und auch die Kreuzestheologie gibt es innerhalb des Christentums durchaus unterschiedliche Vorstellungen, auch hinsichtlich der Gewichtung und aus welcher Perspektive man denn nun am besten drauf schaut.
Der katholischen Kirche hat man ja übrigens auch nicht ihre Grundlage nehmen können, als man im Zuge der Reformation den Glaubenssatz strich, dass man als Mensch nur innerhalb der katholischen Kirche selig werden kann. Und diesen Glaubenssatz gibt es noch heute.
Man muss da also sehr differenzieren und sich z.B. immer wieder neu die Frage stellen, wie man in der zeitgeistigen Auseinandersetzung, auch nach all dem, was historisch gewesen und entstanden ist, Theologie und damit eben auch die Frage nach Kreuz-, Opfer-, Sündenvergebung verstehen kann.
So war z.B. der 2.Weltkrieg nicht allein für uns Menschen ganz grundsätzlich und generell eine große Katastrophe, sondern natürlich haben sich angesichts von Auschwitz und der Massenvernichtung von Millionen von Juden, auch theologische Fragen ganz neu gestellt.
Es ist deshalb heute ganz grundsätzlich zu fragen, ob das christliche Gottesbild, so wie es z.B. die evangelische und katholische Kirche lehrt, überhaupt noch tragbar und den Menschen auch vermittelbar ist - nicht zuletzt aufgrund der Frage nach der Theodizee...
Was ich damit sagen will ist, es geht gar nicht anders, wir müssen heute auch an den heiligsten Dogmen rütteln und sie neu be- und hinterfragen, also auch hinsichtlich der "Kreuz- Sünde- Opfer- Frage", wie du es nanntest. Denn finden wir keine für den heutigen Menschen "tragfähige" Antwort auf all diese Fragen, wird es mit der Kirche früher oder später vorbei sein, weil ihr dann nämlich auf Dauer niemand mehr Glauben schenken kann und die Kirche lebt vom Glauben der Menschen und nur durch den Glauben kann sie überhaupt sein.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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