Ich habe den Eindruck, dass es schwierig ist, die Frage des Sühnopfers zu klären, bevor nicht eine viel grundlegendere Frage geklärt ist: die Frage danach, ob der Mensch überhaupt Gnade und Vergebung braucht, um erlöst zu werden;
Die braucht er nämlich nach buddhistischer Sichtweise nicht; er erlöst sich selbst durch Erkenntnis.
Und das ist laut dieser Lehre möglich, weil darin die Welt als reine Illusion (Maha Maya) gesehen wird. Und wer das erkennt, ist automatisch frei, weil er in Wirklichkeit nie gefangen war. Sich nur durch falsches Bewusstsein selbst daran gebunden hatte.
Wer so denkt, hat in seinem Konzept keine Notwendigkeit für Gnade und eigentlich auch keine Möglichkeit, wie sie darin funktionieren könnte.
Allenfalls als Hilfeleistung, um jemanden zu unterstützen (so etwa im Bodhisattva-Konzept).
Nur wer erkennt, dass er Gottes Gnade zur Erelösung braucht, kann überhaupt auch bereit sein, sie anzunehmen und auch die Art und Weise annehmen, in der Gott sie uns zu Teil werden lässt.
Ich habe noch eine Frage an dich, Netkrel:
Dir ist es ja so wichtig, dass jeder ganz offen an die Texte herangeht und Erkenntnis nicht von vorn herein nur innerhalb eines bestimmten Denkmodells sucht. (Hab ich doch so richtig verstanden?)
Nun meine Frage: Wie offen bist du für die Vorstellung, dass der Mensch sich doch nicht selbst erlösen kann und dass Gott ihn erlöst auf eine bestimmte Art und Weise, die in seiner souveränen Entscheidung liegt?
Schliesst du so eine Denkmöglichkeit von vorn herein aus, lässt du Erkenntnis in diese Richtung gar nicht erst zu? Oder könntest du dir vorstellen, dass es Erkenntnis in diese Richtung geben könnte, die auch für dich relevant wäre und dass du eines Tages vielleicht auch so denken könntest?
Lesezeichen