Das Lied gilt seit 350 Jahren als Adventslied. Warum? Das würde ich gerne Paul Gerhardt oder Johann Crüger (Komponist und Herausgeber des Liedes) fragen, denn vom Weihnachtsgeschehen ist gar keine Rede. Das historische Kommen Jesu wird nur einmal beschrieben. Dabei nimmt der Dichter Bezug auf den Einzug Jesu in Jerusalem (Matth. 21,8). Diesem Ereignis wird im Kirchenjahr an Palmsonntag gedacht und dieser ist eine Woche vor Ostern!

In der letzten Strophe ist dann noch einmal vom Kommen Jesu die Rede:

„Er kommt zum Weltgerichte…“

Jesus als Richter im Jüngsten Gericht hat nun kaum etwas mit Weihnachten zu tun. Und ich denke, kaum einer zöge so eine Verbindung. Soweit meine Anmerkungen zum Weihnachtscharakter dieses Liedes.

Zurück zum Liedanfang. Das Lied beginnt mit einer zweifachen Frage: Wie soll ich Jesus empfangen und ihm begegnen?

Diese Frage stellt sich mir jeden Sonntag, wenn nicht jeden Tag.

Die Frage wird zunächst nicht beantwortet. Noch einem schlichten Lob – o meiner Seele Zier -, folgt eine Bitte „O Jesu, Jesu, setze mir…“

Die Antwort finden wir in der zweiten Strophe, die anders und praktischer ausfällt, nämlich die von mir oben zitierten Zeilen aus dem in dem Paul-Gerhardt-Fenster.

Das „Meine Herze soll dir grünen…“ erinnert mich ein wenig an ein anderes Dichterwort „grau ist alle Theorie, doch grün des Lebens Baum.“
Die Aussage Paul Gerhardts ist tröstend und ermahnend zugleich. Es gibt danach keinen allgemein richtigen Weg Jesu zu begegnen. Vielmehr muss jeder seinen Weg finden und kann dabei auch das Ziel verfehlen. In diesem Sinne verstehe ich den zweiten Teil der Ersten Strophe „…damit, was dich ergötze, mir kund und wissen sei.“

Die dritte Strophe beginnt wieder mit einer Frage, nämlich damit, was Jesus unterlassen habe. Die Antwort besteht aus einer gegensätzlichen Aufzählung. Auf der einen Seite irdische Probleme und Nöte. Auf der anderen Seite die durch Jesus erfahre Hilfe und Gnade. Diese Aufzählung zieht sich durch die folgenden Strophen bis zu Ende des Liedes.

Da ist einmal die Rede von „schwere Banden, Spott und Schanden, tausend Plagen, Jammerlast, Gram und Schmerze“. In starkem Gegensatz dann „hast mich froh gemacht, himmlische (und damit unvergängliche) Ehre und Gut, Trost des Herzens, Trost für Sünder“.

In der letzten Strophe geht es dann um Sterben und Tod. So jedenfalls verstehe ich das

„und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne
in deinen Freudensaal!“

In der fünften Strophe, gewissermaßen in der Mitte des Liedes, schreibt der Dichter dann von den Motiven, durch die Jesu zum Retter und Messias geworden ist.

Nichts, nichts hat dich getrieben…als das geliebte Lieben,
….
damit du alle Welt

Die kein Mund aus kann sagen
so fest umfangen hast.

Liebe und Freude - das sind die Attribute mit denen Paul Gerhardt Gott und Jesus in Verbindung bringt. Für ihn begegnet Gott dem Menschen mit Liebe und Zuneigung. Dies bringt er auch in zahlreichen anderen Gedichten zum Ausdruck. Deshalb meine ich, dass das Lied eigentlich weit über die Adventszeit gültig ist.

Gruß Gerd