Um sein "Ich" zurückstellen zu können, muss man erst mal eines haben. Nur wenn ich mich selbst und meine Bedürfnisse kenne und ernst nehme, kann ich mich zugunsten anderer zurücknehmen.

Aber in unserer Gesellschaft fällt man heute meist auf einer Seite des Pferdes herunter: entweder dreht sich alles ums "ich" - Selbstverwirklichung, oft genug gepaart mit Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber anderen scheint das unausgesprochene Lebensmotto vieler zu sein.

Oder das andere Extrem: alle eigenen Bedürfnisse werden verleugnet - oft genug kommt das vor bei Menschen, die schon in der Kindheit keine Annahme ihres Selbst erfahren haben. Oder nur über die Leistung bewertet wurden. Diese Menschen sind entweder "kaputte Existenzen" oder karrieregeile Arbeitstiere.

Beiden fehlt etwas wesentliches. Die Aufgabe einer funktionierenden Gemeinschaft (und so etwas gibt es!) ist, jeden Menschen aufzunehmen. Egal, wo es hakt. In unserer Gemeinde wurde das Diakonat Seelsorge in den letzten Jahren sehr ausgebaut. Wir haben gemerkt, dass viele Menschen aufgrund ihrer belasteten Vergangenheit nicht wirklich frei waren. Ein solcher Prozess braucht Zeit und behutsame Hilfestellung. Aber es ist wunderbar, wenn solche Menschen (auch durch die Hilfe von ausgebildeten Fachkräften wie z.B. Psychologen) auf diese Weise alte Last loswerden und einen Neuanfang starten können. Und oft sind sie es, die später anderen in ähnlicher Situation am meisten helfen können.