Also, lieber Isaak,
dann mal eine etwas ausührlichere Antwort.
Es wäre vielleicht interessant, hier einmal eine Umfrage unter den Christen zu starten, wie sie Sünde verstehen. Ich meine, du vermischt hier zwei verschiedene Dinge. "Sünde" und den Begriff "Erbsünde". Ich denke nicht, dass man von der Wurzel des Wortes unbedingt auf seine heutige Bedeutung schließen kann. Oft wird ein Wort auch von einer Sprache auf die andere übertragen und es findet sich dort kein exakt entsprechendes Wort, daher nimmt man das nächst gelegene.
Klar gibt es im christlichen die vom jüdischen Glauben abweichende Vorstellung der Erbsünde, wobei ich ehrlich gesagt bezweifle, dass es überall so genannt wird. In protestantischen Kreisen habe ich es bisher immer so erlebt, dass diese Sünde von Adam und Eva nicht direkt vererbt wurde, sondern es wurde ein Hang zur Sünde vererbt. Also nicht das Baby ist irgendwie schuldig oder hat Sünde "auf sich", sondern es kann nicht anders als im Laufe seines Lebens selbst sündigen. Und dieses selbst tun ist dann die Sünde, nicht das Geborensein mit keiner anderen Möglichkeit als im Laufe des Lebens zu sündigen. Es ist wie bei einem Kind, das vielleicht nicht intelligent genug für eine bestimmte Schule ist und auch von zu Hause keine Unterstützung hat. Eigentlich ist bei Eintritt in die Schule schon klar, dass es sie nicht bestehen wird, wegen seiner Voraussetzungen. Trotzdem bekommt es seine Zensuren in der Schule erst, wenn es die Klassenarbeit geschrieben hat und nicht vorher. Es hat nicht schon vorher schlechte Noten.
Interessant fand ich diese Wiki Aussage, die ich grad gefunden habe:
im Bezug auf das Judentum. http://de.wikipedia.org/wiki/Erbs%C3%BCnde#JudentumAllerdings ist durch den Verzehr der verbotenen Frucht der "böse Trieb" in den Menschen geraten, der seit dem in jedem Menschen vorhanden ist und ihn in seinem Handeln beeinflusst.
Allerdings ist es sicher ein großer Unterschied, ob man glaubt, dass dieser böse Trieb überwunden werden kann und wie du schreibst im jüdischen Glauben als Herausforderung verstanden wird. Oder ob man wie im christlichen Glauben dann daraus schlussfolgert, dass wir davon erlöst werden müssen, um dann erst "in Gott" leben zu können.
Die Schlussfolgerung hört sich für mich enorm unterschiedlich an. Die Sache mit dem "bösen Trieb" habe ich im christlichen aber bisher auch immer so verstanden.
Die ersten Christen kamen aus dem Judentum, von daher müssten sie eigentlich damit auch vertraut gewesen sein.Die christliche Welt erklärt nun die Sünde und das mit einem bedeutend größeren Mangel an Hintergrundwissen gegenüber uns Juden.
Ich bin unwissend darüber, inwieweit und in welchen Bereichen der jüdische Glaube gleich blieb und sich veränderte, bzw. die Tradition weitergab. Ich weiß leider auch nicht viel darüber, wie das Christentum mit dem hellenistischen Glauben zusammenhängt, vielleicht kannst du über beides Literatur empfehlen.
Das Übertreten von Geboten wird definitiv auch im christlichen Glauben als Sünde angesehen. Sünde ist definiert mit dem übertreten von Geboten bzw. Handeln gegen Gottes Willen. Das braucht man nicht zu diskutieren. Von daher müsste es auch mit dem Jüdischen hier übereinstimmen. Die zweite Notion scheint eher abzuweichen, aber da ist es vielleicht besser, das Kind beim konkreten Namen zu nennen und "Erbsünde" zu sagen, das macht es ersichtlicher. Hier besteht ein Unterschied.Da nun Jahrhunderte lang uns Juden die Sünde unbekannt, aber die Überlieferungen der Tora bekannt waren, kann man eher schlecht nachfragen ob man das Übertreten eines oder mehrerer Gebote mit der Sünde vergleichen könnte oder es am Ende sogar das Selbe sei.
Da frage ich doch mal interessiert nach ... Wenn nun im Judentum einer nicht instruiert wurde, dass Mord Sünde ist und nach dem Gesetz verboten, und er wird ein Massenmörder, hat er dann nicht gesündigt?Die Sünde bedarf Gut und Böse, G“tt und Teufel.
Das Wissen um Gesetze bedarf kein Gut und Böse, sondern erklärt sich in unserem Wissen oder Unwissen.
Man kann doch aber auch wissen, dass der Pilz giftig ist und ihn trotzdem essen. Was ist das dann?Wenn wir einen sehr stark giftigen Pilz essen, können wir sterben und nicht der oder das was uns ermunterte diesen Giftpilz zu essen ist schuldig an unserem Tod, sondern unser Unwissen und solches Unwissen kann nicht vererbt werden, sondern Wissen muss immer gepflegt und immer wieder neu erworben werden.
Wie gesagt ist das nur eine Seite davon, und nicht die Hauptnotion des Wortes "Sünde".Die Sünde in der christlichen Welt entspricht aber einer Erbsünde, ausgehend von Adam und Chawa und bedürfte einer g“ttlichen Erlösung, gegen die Sünde des Teufels am Menschen. Diese Interpretation hat aber nichts mit der Tora gemeinsam, sondern eher etwas mit hellenistischen G"tter und Dämonenglauben zu tun.
was ist denn genau "ung"ttliches Unwissen"? Und wieso zieht es den Rauswurf aus dem Paradies nach sich?Nicht die Frau, nicht das Weibliche und nicht die Schlange und nicht der Teufel und nicht die Dummheit Adams sind Schuld und Sünde nach jüdischem Vertändnis, sondern unser menschliches Wissen, welches ung“ttliches Unwissen entspricht und dies den Austritt (Rauswurf) aus dem Paradies und dem Unwissen zum ewigen Leben nach sich zieht.
Das sehe ich nicht so. 1. Ist der Teufel kein Gott, wie kommst du darauf? 2. nur weil du dir nicht vorstellen kannst, dass Gott so handeln könnte und Gründe dafür hat, bedeutet nicht, dass es man für diese Idee zwei Götter braucht. Das ist wie wenn ich jetzt mir irgendwas im Judentum nicht erklären könnte und beschließe dann, weil sie das so und so sehen, gibt es in ihrem Glauben x und y, obwohl das gar nicht stimmt. Willst du das Christentum neu erfinden? Du wirst keine christliche Organisation finden, die den Teufel als Gott bezeichnet.Die christlich verstandene Sünde hingegen kann man nicht vermeiden und man bedarf g“ttlicher Erlösung. Zu dieser Verstehensweise bedarf es zwei G"tter, den Ewigen und den G"tt Teufel.
Denn warum sollte ein einziger alleiniger G"tt uns Menschen in die Sünde geraten lassen? Um uns dann und irgendwann nach Jahrtausenden langen Qualen zu erlösen?D
Meine persönliche Erklärung hierzu war immer die, dass das Paradies nicht perfekt war. Es heißt "es war sehr gut". Es steht nicht dort, dass es perfekt war. Und auch gerade dieses Unwissen trägt dazu bei. Es ist etwas anderes, ob ich nicht gut und böse unterscheiden kann wie ein Kind und bei meinen Eltern aufwachse mit allem, was das Herz begehrt. Ich kann es nicht schätzen, weil es normal ist. Wenn ich aber älter werde und erlebe, dass es nicht überall so ist wie zu Hause und die ganze Konsequenz der Sünde spüre, in ihrer Boshaftigkeit und Hässlichkeit und sehe, wie viel Leid sie verursacht. Wenn dann Gott mich davon befreit und herausträgt, nach Hause bringt, dann kann ich Gott und mich mit anderen Augen sehen. Ich kann eine andere Beziehung zu Gott haben wie als "Kind", weil ich mehr erlebt habe. Ich kann Gott viel dankbarer sein und im positiven Sinne wissender, ich glaube auch, dass man sich so Gott näher fühlen kann. Ich bin froh um die Erfahrung. Und das andere, was du so auf die jüdische Seite schiebst (oder was ich so verstehe) ... ich weiß tatsächlich nicht, inwieweit Christen daran denken, aber ich finde es auch sehr wichtig, dass man Gott seine Liebe beweisen kann. Die ganze Welt ist eine Herausforderung. Ich habe oft gedacht, dass ich im Himmel villeicht gar keine solche Möglichkeit hätte, ihm zu zeigen, dass er mir wichtig ist. Hier dagegen hat man unendliche Möglichkeiten und nimmt vielleicht zu wenige wahr.
Vielleicht ... könnte man es ja mit dem Exodus vergleichen. Hätte Gott Israel nicht auch das Leid in Ägypten ersparen können? Hätte er sie aber nicht befreit, hätten sie nicht die gleiche Beziehung mit ihm gehabt. So erkläre ich es mir persönlich, das heißt nicht, dass die meisten Christen es so sehen in dem Punkt.
Wieso denkst du, dass das Verstehen dazu beiträgt, Gebote nicht zu übertreten? Weil es uns bewusst macht, was richtig und falsch ist? Ich verstehe es nicht so ganz.
Liebe Grüße
+Eliza+
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