Liebe Plueschmors
Also ich will auch mal zu ein wenig Gelassenheit anraten. Auch ich denke, dass man beim Fundamentalismus zwischen seinen radikalen Vertretern und seinen gemäßigten Vertretern unterscheiden muss. Wie ich schon einmal schrieb – viele mir bekannte Fundamentalisten sind sehr herzensgute Menschen, die ohne jede Abwertung anderer ihrerseits an ihrem Glauben festhalten auch trotz der Anerkennung, dass es nach allem was der menschlichen Vernunft zugänglich ist absurd scheinen mag. Und ich erlebe sie immer wieder als Menschen, die fortwährend um ihre Mitmenschen bemüht sind und ebenso freundlich und mit ehrlichem Interesse auf Andersdenkende zugehen. Manche davon sogar aus eigenem Antrieb.
Natürlich will ich auf der anderen Seite das Problem des Fundamentalismus nicht kleinreden. Ein solches Denken hinterlässt wie wir heute wissen langfristig seine Spuren und führt in vielen Fällen zu einer eher problematischen inneren Haltung, die in den meisten Fällen bestimmt ist von Angst, Argwohn und Ablehnung. In manchen Fällen lösen die Betroffenen das Problem durch Abkehr von diesen fundamentalistischen Ideen, in anderen Fällen radikalisieren sie möglicherweise. Das Groß – so mein Eindruck – distanziert sich und isoliert sich zunehmend in der Gesellschaft Gleichgesinnter, woraus sich natürlich neue Abhängigkeiten ergeben können. Problematisch ist dabei die oft sehr einseitige um nicht zu sagen mangelhafte Bildung in vielen Themenbereichen. Der Kreationismus – weil er hier auch nochmal am Rande erwähnt wurde - ist wie ich schon erwähnte ein sehr gutes Beispiel. Nichts für ungut ed, aber hier werden teils immer noch mit teils völlig missverstandenen Grundsätzen und vermeintlicher Wissenschaftlichkeit und mit teils hoffnungslos veralteten Ansichten oder aus dem Kontext gerissenen Zitaten argumentiert. Trotzdem bleiben die meisten Fundamentalisten ehrbare Mitmenschen mit ehrenwerten Motiven.
Damit will ich nicht abstreiten, dass es auch gefährliche Aspekte im Fundamentalismus gibt. Für einen liberalen Christen mag das tatsächlich auch in der Außenwirkung begründet sein, denn tatsächlich - und da gebe ich dir recht - bringt der Fundamentalismus und seine Argumentation mehr Menschen vom christlichen Glauben ab, als neu zum Bibelglauben hin. Den gefährlichsten Teil sehe ich aber eher in jenen Fundamentalisten, die in ihrem Glauben ein Ventil für ihre erlebte Ablehnung und ihren gewachsenen Hass finden, und/oder aufgrund einer sozialen Randexistenz oft auch von ihren Mitmenschen in die Radikalität ihrer Ideen gedrängt werden. Hier ist es oft ein kurzer Weg vom ernsthaften Gläubigen hin zum „Soldat Gottes“ der Brandsätze in Abtreibungskliniken schmeißt.
Aber hier wie dort bringt es aber in meinen Augen wenig zu pauschalisieren. Zudem ist auch der Begriff „fundamentalistisch“ nicht so homogen wie es oft den Anschein macht, und nur zu leicht kann damit ein Mensch in seinem Selbstbekenntnis sich zu Unrecht Vorwürfen ausgesetzt sehen, die aus einem anderen Verständnis für Fundamentalismus resultieren. Auch das müssen wir uns bewusst machen. Viele von mir sehr geschätzte Fundamentalisten wären zum Teil entsetzt über Ansichten, die man gerade in Foren von anderen Fundamentalisten immer wieder lesen kann.
Ich denke das eigentliche Problem über das wir hier stolpern, ist vielmehr eine Frage der Radikalität, mit der eine Ansicht vertreten werden kann. Hier mag zwar der Fundamentalismus ein potentiell gefährlicher Nährboden sein, um so mehr in jenen Fällen, in denen er sich nicht durch eigene Werte, sondern allein durch eine ablehnende Haltung bestehender Werte als antidemokratisch, antiwissendschaftlich, antikirchlich usw. definiert. Aber auch in der Kritik am Fundamentalismus sollte man nicht in die Radikalität pauschaler Verurteilung fallen. Deshalb, bei allem Verständnis für deinen Eifer und die gute Absicht in deinem Bemühen – eine Absicht die ich ja durchaus teile – denke ich doch, ein klein wenig Entspannung täte uns an dieser Stelle allen gut, denkst du nicht auch? Denn gerade auch weil viele dieser Menschen selbst zum Teil Opfer fundamentalistischer Konzepte sind und von ihrer Außenwelt mehr und mehr in die Radikalität getrieben werden, fordert gerade die Kritik dieser radikal-fundamentalistischer Konzepte eine gewisse Besonnenheit.
Aber – um das mal an der Stelle zu erwähnen – ich finde es schön zu sehen, dass der ein oder andere stille Mitleser und die ein oder andere Karteileiche (zu denen ich mich selbst ja auch immer wieder rechnen muss) doch mal wieder ein wenig das Forum belebt.^^ Das lässt hoffen, dass wir vielleicht in die ein oder andere interessante Fragestellung eintauchen können.
Liebe Grüße
Kaspar
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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