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Elisa
Können Menschen denen es nicht gut geht Jesus eher annehmen, oder sind Kluge Menschen nie schwer beladen.?
Liebe Elisa
Tja... ich wollte eigentlich kurz bleiben. Es hat aber nicht wirklich funktioniert.^^ Was mir im Zusammenhang mit dieser und ähnlichen Stellen immer wieder durch den Kopf geht, ist der Umstand, dass Kluge und Unmündige keinen direkten Gegensatz bilden, von vielen Christen aber ein solcher Gegensatz konstruiert bzw. überzeichnet wird. Offen gesagt scheinen mir die Ablehnung der Klugheit als !grundsätzlich! fehlgeleitet eher von vielen (aber nicht allen) fundamentalistischen Christen als Totschlagargument genutzt zu werden, mit der sie sich gegen jedwede Kritik immunisieren, indem sie entsprechende (kritische) Ausführungen zur biblizistischen Auslegung der Schrift und im besonderen jede wissenschaftlich-theologische Betrachtung als „weltliche Weisheit“ herabwürdigen und damit ignorieren (können).
Was ich damit sagen will.... es sind nach der Schrift die Unmündigen, welche Gott erkennen. Wobei „erkennen“ im zeitgeschichtlichen Kontext hier ja eine tiefere Bedeutung hat und über das Erkennen hinaus auch eine Gemeinschaft impliziert. Aber gerade wenn man den Gedanken zur Unmündigkeit betrachtet (d.h. Die Abhängigkeit von einem anderen), dann stellt sich mir die Frage, ob mit Klugen und Weisen hier ein jeder gemeint ist, der klug oder weise ist oder kritische Fragen stellt? Oder nicht vielmehr auf einen bestimmten Typus der damaligen Zeit angespielt wird (die Pharisäer), welche sich in der zur Routine verkommenen Befolgung des Gesetzes und der Auslegung desselben sich selbst für„mündig“ hielten und auf ihre eigene Klugheit bauend sich (unabhängig von ihrem Lippenbekenntnis) in ihrem Herzen in keiner Abhängigkeit mehr sahen, und damit Gott nicht erkannten bzw. mit Gott keine Gemeinschaft mehr hatten. Anders gesagt, ist es zwingend Klugheit, die Gemeinschaft mit Gott ausschließt, oder eher der ggf. hinter Selbsttäuschung versteckte Glaube an die eigene Unfehlbarkeit (im Wissen) und damit an die eigenen Mündigkeit? Kann nicht auch ein Kluger sich seiner Unmündigkeit bewusst sein, und sich in diesem Wissen in die Nachfolge Jesu stellen? Und meint „Kindlichkeit“ hier Naivität und Unwissen, oder vielleicht nicht eher Vertrauen und eben die Einsicht in die eigene Abhängigkeit vom Vater? Und meint es alles unreflektiert anzunehmen? Eds Frage finde ich in diesem Zusammenhang auch interessant - gerade auch in Verknüpfung mit den Gedanken zur Erziehung.
Wie nehmen Kindern das gesagte der Eltern an? Sicherlich - die Eltern haben einen Vertrauensvorschuss und folglich nehmen Kinder vieles erst einmal an wie es gesagt wird. (Wie übrigens wir alle) Aber zu glauben, dass ihnen kritisches Denken fern sei und sie einfach alles "schlucken" was man ihnen sagt.... das erscheint mir naiv. Mein Dreijähriger liebt es mit mir zu diskutieren und sich meine Regeln erklären zu lassen bzw. Kompromisse auszuhandeln. Und er stellt sich mutig gegen mich wenn er glaubt, dass ich ihm etwas falsches sage.
Es spielt daher wie ich denke vielmehr eine entscheidende Rolle, in welchem Erziehungsstil das Kind aufwächst. In einer autoritären Erziehung wird das Kind sicherlich selten dazu ermuntert, das Wort des Vaters in Frage zu stellen. Wenn es das tut (und das tut es glücklicherweise ja doch) dann meist heimlich und verängstigt von dem Gedanken um die Konsequenzen wenn es vom Vater erwischt wird. Etwas dass man leider immer wieder beobachten kann. Aber der autoritäre Erziehungsstil ist sicherlich nicht der einzige und antiautoritäre Erziehung nicht die zwingende Alternative. Überhaupt, Ed, finde ich es gerade auch in der Frage nach körperliche Züchtigung schon gefährlich banalisierend einen erfundenen Kontrast zwischen körperlicher Züchtigung und antiautoritärer Erziehung zu suggerieren und polemisiernd in diesem Zusammenhang von Propaganda zu sprechen. Davon abgesehen wird hier oft unreflektiert antiautoritäre Erziehung fälschlich mit einer permissiven Erziehung gleichgesetzt, in der keine Regeln aufgestellt werden. Es gibt aber auch andere Wege zwischen den beiden Extremen der autoritären Erziehung (die nebenbei durch Studien belegt auch sehr häufig zu Problemen mit Selbstwertgefühlen und eigener Aggressivität im Erwachsenenalter führen) und der permissiven Erziehung – z.B. den Autoritativen Erziehungsstil, um nur mal einen zu nennen.
Was uns zur nächsten Frage bringt - vor allem auch mit Blick auf den Gedanken Eds....
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Elisa
Was ist mit den Gemeinden die im Namen Gottes ihre Kinder schlagen,sie behandeln ihre Kinder wie unmündige, können diese Kinder das Reich Gottes dann noch unbeschwert annehmen?
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ed
Warum nicht?
Die Propoganda der autorotätsfreien Erziehung fußt nicht im Wort Gottes. Es ist, wie immer, eine Anmaßung der Welt, klüger zu sein als Gott, der die Körperstrafe in der Erziehung in die Natur hineingelegt hat.
Grundsätzlich denke ich persönlich auch, dass ein kleiner Klaps u.U. ein sinnvolles Erziehungsmittel sein kann. Vorwiegend jedoch dann, wenn die Strafe in einem Bezug zur Tat stand. D.h. Mit der Rute anzurücken und körperlich zu züchtigen, weil ein Kind beim Toben versehentlich ein Glas umgestoßen und zerbrochen hat, mag zwar „erfolgreich“ das Kind vom Toben abhalten können, aber da die Strafe in keinem Zusammenhang mit der Tat steht, wird eine solche Erziehung primär durch Angst und „Terror“ funktionieren, und nur da Erfolg versprechen, wo die Quelle der Angst anwesend ist. Echte Einsicht wird man so jedoch kaum erwirken. Wenn hingegen z.B. mein Sohn mich schlägt, dann halte ich es durchaus für angemessen, wenn ich entsprechend „zurückklapse“ um damit zu verdeutlichen, was seine Handlung bewirkt. Bei dem zerbrochenen Glas käme mir nie der Gedanke, eine Ohrfeige oder auch nur ein Klaps könne hier helfen. Und es gibt immer auch andere Wege. Da reagiere ich persönlich lieber damit, dass ich meinem Sohn vor Augen führe, was es ihm bedeuten würde, wenn ich seine Spielsachen kaputt machen würde. Ansonsten sind die „logischen“ Konsequenzen zu tragen, z.B. muss er mir dann etwas aus seiner Spardose abgeben oder er kann er abends dann kein „Sandmännchen“ schauen, weil ich das Geld für ein neues Glas sparen muss.
Ganz kritisch sehe ich dann „organisierte“ d.h. nicht unmittelbare sondern vielmehr teilweise mit Hilfsmitteln vollzogene körperliche Züchtigung im Umfeld fundamentalistischer Christen. Das mag vornehmlich daran liegen, dass ich eine Vielzahl von Opfern derartiger Erziehung kenne.
Bei allem Bemühen um Verständnis Ed, für diese wäre ein Gedanke wie der deine ein Schlag ins Gesicht. Noch dazu wenn das christliche Welt- und Menschenbild hinzu kommt. Ich erinnere mich an einen Forenbeitrag in einem Schweizer Forum fundamentalistischer Christen, in dem eine User seine Mitbrüder um Rat befragte. Er habe einen Sohn, dem die Ärzte ADHS diagnostiziert hätten. Aber diese weltliche Medizin wäre ja gottlos und lehne die geistige Welt ja ab, also sei ihre Diagnose Unsinn, weil sie andere Aspekte wie dämonische Anfechtung gar nicht erfassen könne. Er sei nun aber unsicher geworden, und sehe auch in dieser Unsicherheit eine Anfechtung Satans, weshalb er seine Brüder um Rat bat. Diese wiederum empfohlen ihm, mit Rückgriff auf die Schrift den Jungen immer wieder mit der Rute zu schlagen, bis ihm die Unruhe und Torheit ausgetrieben sei. Natürlich mit der Einschränkung, dass die Rute nicht dicker als einen Zentimeter sein darf und von biblisch nicht belegten Alternativen wie Gürteln abzusehen sei. Ob diese Erziehung dem Jungen zum Besten dient, dass würde ich nun anzweifeln.
Insgesamt denke ich daher, von einigen wenigen Sonderfällen im Zusammenhang mit einem Klapps abgesehen, ist körperliche Züchtigung für mich primär ein Zeichen für Überforderung der Eltern und/oder Unwissen um Alternativen. Anders gesagt kann ich darin beim besten Willen keine Liebe erkennen, sondern bestenfalls die Unfähigkeit der Eltern, kindgerecht auf den eigenen Sohn oder die eigene Tochter zuzugehen, schlimmstenfalls eine gewisse Bösartigkeit, die die eigene Macht erhalten bzw. Ohnmachtsgefühle durch Gewalt vermeiden will. Und die ganz perfide wird, wenn sie sich wie bei vielen Missbrauchsopfern hinter vorgeblicher Liebe versteckt. So oder so aber ist körperliche Züchtigung wie auch psychische Erniedrigung mittlerweile in Deutschland gesetzlich verboten, und ich hatte in der Vergangenheit daher bisher keine Skrupel, entsprechende Übergriffe gegenüber Kindern entweder zu melden oder aber – sofern ich direkt Zeuge wurde – entsprechend selbst einzuschreiten. Die eigene Unwissenheit ist keine Entschuldigung für Körperstrafen. Es gibt andere Wege seine Kinder zu tugendhaften und anständigen Menschen zu erziehen und in nur sehr wenigen Fällen ist Gewalt im weitesten Sinne die einzige noch bleibende Lösung – und selbst dann ist eine negative Bestrafung einer positiven vorzuziehen. Trotzdem (um auf deine Frage, Elisa, zurückzukommen) ist damit nicht gesagt, dass die Opfer einer solchen Erziehung nicht dennoch zu gesunden und verantwortungsvollen Menschen heranwachsen können. Und selbst wenn es vielleicht etwas länger dauern mag Vertrauen zu fassen - zwar prägen unsere Eltern durch unsere Erziehung maßgeblich mit, aber sie treffen in der Frage, ob wir die Liebe Gottes annehmen und erfahren können keine endgültigen Entscheidungen für uns. Selbst wo Eltern in Kindern etwas zerstören, kann die Zeit und der Glaube es heilen - ein tröstlicher Gedanke wie ich finde.
Liebe Grüße
Kaspar
Geändert von Lior (09.11.2014 um 16:45 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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