Sorry Uwe, ich wollte keinen Druck machen. Ich hatte nur so Sehnsucht danach, endlich mal was anderes zu lesen als das Übliche ... ;) Danke jedenfalls, auch dir Sunigol, für eure Beteiligung. Uwe´s Interpretation bzw. die Gebetsoffenbarung des erwähnten Gläubigen passt tatsächlich ganz gut zu meinen eigenen Gedanken, die sich wie folgt aufbauen:
Es gibt nur zwei Stellen in der ganzen Bibel, in denen Gott selbst schreibt, nämlich diese hier, in der Jesus auf die Erde schreibt (Joh. 8), und die, in der Gott das Gesetz auf die Steintafeln geschrieben hat (2. Mo. 34). Auf das Gesetz, das auf den Steintafeln steht, wird hier im Text mit der Ehebrecherin Bezug genommen, denn wegen diesem Gesetz soll sie gesteinigt werden.
Ich persönlich glaube nun, dass so, wie Gott das Gesetz auf die Steintafeln geschrieben hat, Jesus hier das Gesetz auf die Erde schreibt. Das glaube ich aus folgendem Grund: Zum einen würde das die Reaktion der umherstehenden Ankläger sehr gut erklären, denn wenn Jesus das Gesetz auf die Erde geschrieben hat – nicht nur den Paragraphen mit dem Ehebruch, sondern das ganze Gesetz –, dann stand plötzlich jedem einzelnen Ankläger seine eigene Schuld vor Augen. Wenn Jesus danach sagt: „Nun Leute, wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, dann sind natürlich alle gebunden. Keiner kann mehr werfen, wenn er gleichzeitig "die Gnade genießt", nicht selbst gesteinigt zu werden.
Allerdings glaube ich, dass hier noch mehr passiert ist, als nur der Freispruch einer Ehebrecherin im fleischlichen Sinne. Ich betrachte es als einen Teil der Erfüllung der Verheißung des Neuen Bundes, dass Jesus das Gesetz auf die Erde schreibt. Der Neue Bund wurde in Jeremia 31 verheißen, wo es unter anderem heißt: „Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben“ (Jer. 31,33). Der Mensch ist in seinem Innersten Erde, denn aus Erde ist er gemacht, aus Erde besteht er und zu Erde wird er wieder werden. Indem Jesus das Gesetz auf die Erde geschrieben hat, hat er es dem Menschen ins „Innerste“ geschrieben. Innerer als die Substanz, aus der er besteht, geht ja gar nicht mehr.
Damit hat Jesus aber etwas weit Größeres gemacht als nur diese eine Situation zu lösen: Er hat die Gesetzesgrundlage für immer geändert! Achtung: Nicht das Gesetz!! Nur die Grundlage des Gesetzes hat er geändert. Zuvor war die Grundlage, auf der das Gesetz stand, Stein. Nun ist die Grundlage, auf der das Gesetz steht, des Menschen Innerstes.
Ist es denn Zufall, dass die Grundlage des Gesetzes STEIN war und auf Übertretung des Gesetzes ausgerechnet „STEIN-igung“ stand? Oder war es vielleicht tatsächlich in Gottes Sinne, dass dem Menschen, der das Gesetz übertritt, „die Grundlage des Gesetzes vorgeworfen“ wird? In diesem höheren Sinne würde man das sogar heute noch als Gerechtigkeit verstehen und jedes einigermaßen zivilisierte Gericht wirft einem Gesetzesübertreter die Gesetzesgrundlage vor. Nur der Mensch war und ist bis heute zu stumpfsinnig, um Gottes Worte in einem höheren Sinne zu begreifen. Hierzu bedarf es tatsächlich eines Jesus, eines Gottes in Menschengestalt, der uns Stumpfgeborenen den göttlichen Sinn in die Substanz schreibt! ;) Aber bevor ich wieder in Anbetung versinke, vielleicht noch zwei-drei sachliche Anmerkungen:
- Jesus hat hier also das alte Gesetz nicht ausgehebelt, sondern es auf eine neue Grundlage gestellt. Auf der neuen Grundlage sind Steinigungen nicht mehr gesetzeskonform, weil die Gesetzesgrundlage, die dem Übertreter vorgeworfen wird, nun nicht mehr aus Stein besteht. Dennoch ist es nach wie vor gesetzeskonform, dem Übertreter die Gesetzesgrundlage vorzuwerfen. Diese besteht nun aber aus seinem eigenen Inneren! Dieser Logik nach würde man heute also einem Menschen, der dem Wort Gottes widerspricht, seinen eigenen inneren Widerspruch vorwerfen (womit wir beim Thema Mission wären ;)).
- Dass Jesus die Ehebrecherin „entgegen dem Gesetz“ nicht steinigen ließ, kann man in diesem Sinne auch nicht mehr als Gesetzesübertretung Jesu bzw. als Beweis für die Antigöttlichkeit des Gesetzes verstehen, sondern muss es eigentlich als Beweis anerkennen, dass das Gesetz mitsamt dem Steinigungsgebot wohl nie in einem fleischlichen Sinne gemeint war, sondern immer schon geistlich zu verstehen gewesen wäre, wozu aber der unerlöste Mensch schlichtweg unfähig war (und bis heute ist).
- Das steinerne Gesetz wurde geschrieben im Zuge der Einsetzung des Alten Bundes (besiegelt wurde dieser dann übrigens mit einem Blutopfer!). Das innere Gesetz sollte verheißungsgemäß im Zuge der Einsetzung des Neuen Bundes geschrieben werden, also irgendwie im Zuge des Wirkens Jesu, warum also nicht im Zuge dieser Situation?! (Das Sterben Jesu war ja nicht die Einsetzung des Neuen Bundes, sondern dessen Besiegelung – übrigens: schön offensichtlich mit einem Blutopfer, damit es auch der "stumpf-sinnigste" Mensch, der in seinem ganzen Leben nur das eine Buch gelesen und dieses fleischlich verstanden hat, verstehen kann). Nachdem also Jesus das Gesetz auf die Erde geschrieben hatte, war der Neue Bund in Kraft – und sowohl der Ehebrecherin als auch ihren Anklägern wurde gemäß dem Neuen Bund „die Grundlage des Gesetzes vorgeworfen“, nämlich indem das Gesetz vor ihren Augen auf die Erde geschrieben und damit ihre eigenen inneren Widersprüche berührt wurden. Jesus hat also nicht das Gesetz übertreten, indem er die Ehebrecherin nicht gesteinigt hat, sondern er hat das Gesetz erfüllt, so wie es vermutlich von Anfang an hätte erfüllt werden sollen: geistlich.
- Dass die Bibel den Abfall von Gott, das Übertreten seiner Gebote und das Anbeten selbstgemachter Bilder als "Ehebruch" bezeichnet und damit ALLE in Gottes Augen Ehebrecher sind, die in IRGENDEINER Weise Gottes Gebote übertreten (also auch die Ankläger der Ehebrecherin selbst) und dass Jesus ausgerechnet im Zuge DIESER Situation den Neuen Bund einsetzt, indem er das Gesetz auf die Erde schreibt, ist noch so ein "vortrefflicher Zufall", über den ich stundenlang nachsinnen könnte. In meinen Augen hat Jesus hat hier nicht nur die "Ehebrecherin dem Fleisch nach" vom Gesetz des Alten Bundes erlöst und dem Gesetz des Neuen Bundes unterworfen, sondern auch die "Ehebrecher dem Geist nach" ...
Für mich liegt in dieser Perspektive jedenfalls mal wieder ein Beweis, dass nicht der alttestamentliche Gott blutrünstig ist, sondern die alttestamentlichen Menschen. Und Menschen, die sich nicht im Neuen Bund als vom Alten Bund erlöst betrachten (oder sich nicht mal als erlösungsbedürftig betrachten), betrachte ich persönlich als immer noch alttestamentlich. Und zwar alle – ob es ihnen bewusst ist oder nicht, ob sie die Bibel kennen oder nicht, ob sie gläubig sind oder nicht, ob sie selbst die alttestamentliche Blutrünstigkeit (die sie Gott unterstellen, die aber ihrem Denken entspringt!) praktizieren oder nicht. So, wie jeder Mensch aus Erde besteht, so gelten auch Gottes Gesetze für jeden Menschen. Und auch die Erlösung vom Gesetz des Alten Bundes (Paulus nennt es "Gesetz der Sünde") gilt für jeden Menschen. Nur wenn man es nicht glaubt, hat man halt nichts davon ...
Viele Grüße
Frau Shane
PS: „Und ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben, damit sie in meinen Geboten wandeln und meine Ordnungen halten und danach tun. Und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.“ // Hesekiel 11, 19-20
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