Hi Thalestris!
Zitat von
thalestris
was passiert denn wenn man sich ein bild von gott macht?
Ich denke, im Prinzip das gleiche wie wenn man sich ein Bild von einem anderen Menschen macht: Man begrenzt den anderen auf das, was man von ihm wahrgenommen hat. Damit beschneidet man ihn in seiner Persönlichkeit. Er kann sich (zumindest in dieser Beziehung) nicht entfalten. Wenn wir uns ein Bild von Gott machen, begrenzen wir Gott und er kann sich in Beziehung zu uns nicht entfalten. Sich ein Bild von ihm zu machen, steht einem also im Weg, ihn zu finden.
Ich gebe dir aber Recht: Wir können uns gar nicht "kein Bild machen". Geht nicht. Und darum kann ich an dem Punkt auch nur zwei Glaubensmöglichkeiten erkennen:
Entweder man glaubt, dass Gott von uns erwartet, ihn bildlos zu erkennen. Daraus resultiert konsequenterweise, dass man alles zu vermeiden versucht, was Gott mit Attributen behaftet, um ihm im Nichterkennen möglichst nah zu kommen. Das setzt voraus, dass man sich dazu in der Lage fühlt (oder in die Lage zu bringen fühlt), sich bis in sein Unterbewusstsein hinein zu kontrollieren, denn viele Eindrücke/Bilder entstehen ja nicht bewusst, sondern unbewusst. Auch die muss man loswerden.
Oder man glaubt, dass Gott um das Dilemma weiß, dass der Mensch niemals bildlos erkennen kann und dass er sich genau deshalb selbst offenbart. Das setzt voraus, dass Gott uns eine feststehende, umfassende, allgemeingültige Offenbarung gibt (die Schrift), an der wir unsere individuellen Offenbarungen (die einzelne Menschen zu unterschiedlichen Zeiten, Generationen, Kulturen etc. bekommen) abgleichen können. Denn wenn Gott sich nur ganz persönlich in der individuellen Wahrnehmung des einzelnen offenbaren würde, dann wäre das Problem ja nicht gelöst, dass man ihn auf das begrenzt, was man von ihm wahrgenommen hat.
Die Oder-Variante ist die, die ich persönlich glaube. Ich gehe von einem gnädigen Gott aus, der um die menschliche Unzulänglichkeit weiß und uns wie Kindern entgegenkommt, nicht wie Erwachsene herausfordert. Er hat sich uns - als Menschheit - offenbart in der Schrift (im Sinne Gottes niedergeschriebene Geschichte) und offenbart sich jedem einzelnen auch in dessen ganz persönlicher Geschichte (in Übereinstimmung mit der Schrift), sodass jeder Christ sich (von seiner persönlichen Offenbarung ausgehend) mithilfe der Schrift entwickeln kann zu umfassenderer Erkenntnis. Dass die Christen sich (noch) so uneins sind, liegt meiner Meinung nach daran, dass die individuellen Offenbarungen so klein und bruchteilhaft sind, und die Fülle der Schrift noch zu groß und wunderbar, um sie vollständig zu begreifen. Doch wie auch die Wissenschaft immer weiter voranschreitet, so setzen sich auch die Erkenntnisteile der einzelnen Gläubigen immer weiter zusammen, bis die Schrift - und damit die Selbstoffenbarung Gottes - erfasst ist.
Zur Entweder-Variante könntest du das Provisorium befragen.
Gute Nacht :)
Frau Shane
Warum toben die Heiden und murren die Völker so vergeblich? ...
Psalm 2,1
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