
Zitat von
Mitleser
Hallo Sarandanon
Das Wort "bibelfundamentalistisch" stört mich, insbesondere wenn es unter gläubigen Christen verwendet wird.
Ich meine zu deiner Aussage über Paulus, dass von uns Menschen gar nichts für immer und ewig festgelegt werden soll. Mir passt es gar nicht, wenn die Bibel zwingend immer unter Einbezug des "Zeitgeistes" gelesen und verstanden werden muss. Die Bibel kann auf verschiedene Weise genutzt, gelesen, verstanden, studiert... werden. Es kommt da immer auf die Absicht und die Haltung des Lesers an. Solange ein Mensch mit seinem aktuellen Verständnis (das sich ja laufend erweitert, vertieft oder auch verändert) - solange also ein Mensch mit seinen persönlichen Auffassungen nicht andere unterjocht, indem er gegen das Liebesgebot Jesu verstösst, da ist es doch gar nicht nötig darüber zu urteilen.
Als Beispiel, bezogen auf den Islam: Wenn muslimische Frauen den Schleier oder die Burka freiwillig und aus Glaubenstreue tragen wollen und sich wohl fühlen damit, dann hat niemand das Recht, dies als Fundamentalismus abzutun.
Oder ein anderes Beispiel: Wenn ich meinen Mann als Haupt (lt. Paulus) anerkenne (ich bin nämlich eine Frau) und im Zweifelsfall oder bei Uneinigkeit mich nach ihm richte weil ich damit gute Erfahrungen gemacht habe und es sich in unserer Ehe so bewährt, dann ist das doch in keiner Weise fundamentalistisch. Und doch habe ich mich von Paulus' Texten in diesem Punkte inspirieren lassen! --> Ich sage also: Vorsicht mit Verallgemeinerungen, Vorsicht mit Verurteilungen, Vorsicht mit voreiligem Negieren. Und ganz besonders: Vorsicht, die Bibel umzuschreiben in der Annahme, die Texte seien nicht mehr zeitgemäss. Jeder kann das individuell für sich tun, aber dann ist es ihm bewusst, dass er dies eigenmächtig und als Individuum tut, denn die Bibel erinnert einen ja immer wieder daran, wenn man auf die anstössige Stelle trifft...
Warum können wir als Gläubige die Bibel nicht einfach als Buch nehmen, das Gott uns tatsächlich übergibt zu unserem Besten? Warum können oder dürfen wir nicht darauf vertrauen, dass Gott auch ein Herr der Zeit ist und genauest weiss, welche Übersetzungen und "Übersetzungsfehler" er zulässt? Ist er denn ein ohnmächtiger Gott, der sich um nichts kümmert? Ist er ein hilfloser Gott, dessen Arm die Bibeln nicht erreicht? All denen, die geneigt sind, die Bibel umzuschreiben, möchte ich als Anregung den Gedanken hinterlassen: Archäologisch betrachtet ist es doch völlig daneben, ein altes Buch "in die heutige Zeit" umzuschreiben, mit dem Ziel, das "Verstaubte" auszulöschen. Auch käme es keinem in den Sinn, über die Abschriften und/oder Übersetzungen zu streiten oder gar unterschiedliche Interpretationen zu verurteilen. Wie ganz selbstverständlich stellt jeder seine ganz persönlichen Erkenntnisse zur Verfügung, ohne die alten Zeugnisse zu zerstören. Warum können wir als Gläubige nicht ebenso achtungsvoll und wertschätzend mit der Bibel umgehen?
Kommt es nicht einzig auf die Beschaffenheit unserer Herzen und unseres Willens an, ob und inwiefern wir Gottes Wort verstehen? Und schreibt Paulus nicht, dass wir wie viele verschiedene Glieder an einem Leibe sind? Liegt es da nicht in unserer Natur, dass wir individuell verstehen und gewichten, je nachdem, ob wir mehr Hand, Niere, Auge, Kochen etc... sind?
Meinen wir denn, dass wir kleinen Menschlein immer alles gleich auf Anhieb verstehen, oder etwa schon alles wissen, was in Gottes Wort verborgen ist? - Wenn wir mit gewissen Texten nicht klar kommen, weil sie für unseren Verstand oder unser Gewissen "ein Stein des Anstosses" sind, so steht es ja in unserer Freiheit, sie stehenzulassen. Ob wir die Bibel ganz, nur bruchstückhaft oder ob wir sie auch gar nicht verstehen, so können wir dennoch nach Kräften im Rahmen des Liebesgebotes unseren Weg gehen. Woran wir uns heute stossen, daran erinnern wir uns vielleicht in 10, 20 Jahren wieder, und es erschliesst sich uns dann plötzlich ein nie geahnter, tieferer Sinn, ein Sinn, der sich einem Nächsten, den wir vielleicht sogar geringschätz(t)en, längst erschlossen hat(te).
Jesus legt uns Gläubigen ans Herz: "Dies trage ich euch auf: Liebt einander!" Und: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt..." (Joh. 15,16)
Überlassen wir es darum füglich Jesus, dem Herrn, die Menschen zum Glauben zu rufen, wen er will, wann er will und wie er will. Jesus ist zweifelsohne als fleischgewordenes Wort Gottes und auferstandener Christus (das ist meine persönliche Auffassung) auch für die individuelle Führung aller seiner Erwählten (Gläubigen) besorgt. Wie ich persönlich geführt und gelehrt werde durch's innere und äussere Wort Gottes (z.B. Bibel), so werden doch wohl auch die anderen geführt, gelehrt und gezogen. Allgemeingültiges als Grenzen festzulegen oder gar sanktionierte Gesetze aufzustellen ist nur dort angebracht, wo die Nächstenliebe nicht gelebt noch erstrebt wird, und also ein schützender Rahmen notwendig wird.
Aus meiner ganz subjektiven Sicht heraus gibt es für mich keinerlei Anlass, die Apostelbriefe in Zweifel zu ziehen. Wenn mir (noch) etwas unverständlich ist oder mir gegen den Strich läuft, so käme es mir nicht im Traum in den Sinn, die Bibel "umzuschreiben". Wenn ich das in meinen vergangenen 25 Jahren - seit ich Bibel lese - getan hätte, so wäre die Bibel längst unkenntlich geworden, ihr Inhalt lückenhaft und entstellt, und der geistige Gehalt verwässert und durch meine mangelhafte Sicht verunreinigt und bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Statt dessen hat die Bibel mich umgeschrieben. Und ich bin darüber unaussprechlich dankbar und froh. Ich hoffe, dass sie mich weiter prägt und verändert...
Das ist meine BIBELTREUE!
Lesezeichen