Eine meiner selbst-erlebten und selbst-erzählten und wahren Geschichten.
Ich habe diese Geschichte auch schon auf anderen Foren erzählt - nun möchte ich sie auch hier erzählen.
Eine meiner selbst-erlebten und selbst-erzählten und wahren Geschichten.
Ich habe diese Geschichte auch schon auf anderen Foren erzählt - nun möchte ich sie auch hier erzählen.
Wie ich an der Bar eines Erfurter Inter-Hotels für einen Stasi-Spitzel im Gewande eines hessischen BND-Agenten gehalten wurde, obwohl ich doch nur ein einfacher badischer Waldbaum war.
Ich reiste damals ganz allein als Einzeltourist in die DDR. Das war eher unüblich. Man reiste in die DDR zu Verwandtenbesuch, als Delegation, oder in einer organisierten Reise-Gruppe. Aber ich kam als einzelner Tourist, mit einem Visum nur für mich allein.
Ich weiß noch, wie ich damals mein Zimmer im Reisebüro buchte. Vor mir wollten alle nach irgendwelchen Badeorten am Mittelmeer und wurden routiniert bedient. Aber als ich sagte, ich wollte nach Weimar, musste mal lange kramen, bis man da einen Reisekatalog dafür fand. Ich konnte dann auch nicht Weimar buchen, weil wegen der Shakespeare-Tage schon alle Inter-Hotels belegt waren. Und so kam ich nach Erfurt.
Ich verband meine Reise mit einem Verwandtenbesuch in der Nähe von Eschwege, damals westliches Grenzland. Wegen der nahen DDR-Grenze war diese Gegend schon recht abgeschieden, fast eine Art Niemandsland, und viele Straßen dort führten nicht von Hessen aus in das thüringische Nachbardorf, sondern ins Nichts.
Ich wollte die GÜST (Grenzübergangsstelle) Herleshausen/Wartha zur Einreise nutzen.Doch als ich morgens von Eschwege aus losfahren wollte, fand ich mein Visum nicht mehr! Ich stellte meín Auto auf den Kopf - aber nichts auch nur entfernt Visum-Ähnliches war zu finden. Mein schönes teures Visum, ohne das man damals nicht von Deutschland nach Deutschland fahren konnte, war weg. Was tun?
Ich konnte mir nur eines denken: Das Visum musste ich wohl in Baden-Baden auf meinem Schreibtisch liegen lassen haben. Also raste ich - so schnell ich mit meinem klapprigen R4 konnte - von Eschwege aus den langen Weg zurück nach Baden-Baden. Aber auch dort war nichts auch nur entfernt Visum-Ähnliches zu finden.
Ich ging ins Reisebüro und fragte, wie es nun aussehe. Das Visum sei mir ja erteilt worden, nur könne ich es eben leider nicht an der Grenze präsentieren. Ob diese Erteilung vielleicht irgendwo gespeichert sei und abgerufen werden könne, so dass ich doch noch nach Erfurt fahren könnte? Ich kam eine abschlägige Auskunft. Ohne sichtbares und greifbares Visum keine Einreise - da seien die Grenzorgane unerbittlich. Inter-Hotel müsse ich aber natürlich dennoch zahlen. So sah’s aus.
Was tun? Ich untersuchte mein Auto nochmal. Und wurde fündig. Das Visum war einfach vom Beifahrersitz abgerutscht und in einen Spalt gefallen, den ich bisher immer übersehen hatte! Große Erleichterung!
So schnell ich konnte, raste ich mit meinen R4 – nun bei Nacht und Nebel – von Baden-Baden aus den langen Weg zum Grenzübergang Herleshausen-Wartha. Etwas kurz nach Mitternacht kam ich an - standesgemäß, wie Spione das so machen. Der Grenzkontrollpunkt war in gleißendes Licht getaucht. Kennt man ja aus Filmen, wie “Der Spion, der aus der Kälte kam!” Und ich hatte tatsächlich was dabei, das ich verheimlichen wollte: Ein paar Adressen in Weimar, die ich mir von einem Schulfreund hatte geben lassen, um auch privat Leute besuchen zu können.Doch wollte ich nicht, dass man diese Adressen in meinen Papieren fand, damit die Leute nicht vielleicht in Schwierigkeiten kommen könnten. So hatte ich den Zettel mit den Adressen in meine Hemdtasche unter den Pullover gesteckt. Doch in einer Art verräterischer Freudscher Fehlleistung strich ich dummerweise genau dann mit der Hand über diese Stelle, als ich einem Grenzorgan der Deutschen Demokratischen Republik gegenüberstand. Und es knisterte.
Sofort kam die misstrauische Frage: “Was haben Sie denn da!”
Na Prosit! Jetzt war wohl wieder mal ein Verhör fällig - mit zusätzlicher Leibesvisitation als Sahnehäubchen. Man gönnt sich ja sonst nix …
Was hätte ich sagen sollen? Hätte ich sagen sollen: “Ach wissen Sie, Genosse Major … die Sache ist so: Ich bin ein Agent des südbadischen Geheimdiensts aus dem südlichen Südschwarzwald und habe hier die geheime Liste meiner geheimen Kontakte in Thüringen versteckt … aber diese Liste dürfen Sie natürlich nicht sehen, Genosse Major … die ist streng geheim … am Ende kämen diese Leute sonst noch in Schwierigkeiten … und das wollen wir doch beide nicht, Genosse Major.“
Hätte ich so sprechen sollen? Oder was hättet ihr gesagt? Jetzt mal ehrlich!
Fortsetzung folgt morgen.
Wie hast du es denn geschafft, dieses Visum zu bekommen? Einfach so einreisen und frei bewegen, das gabs normalerweise nicht. Wie du schon sagst, man musste zu einer organisierten Gruppe gehören oder jemanden in der DDR haben, der einen einladen konnte.
Das hat jetzt nichts damit zu tun, was ich von der DDR halte, aber halte es nicht für eine schlaue Idee, Polizisten oder Soldaten oder überhaupt jemanden, der nur seinen Job macht, zu provozieren.
Und "normale" Menschen, die nach stundenlanger und unnötiger Fahrt mitten in der Nacht in eine Kontrolle kommen, wollen einfach nur in Ruhe durchgelassen werden und weiterfahren bis ins Bett. Daher müsstest du schon ein sehr schräger Vogel sein, wenn du in dieser Situation noch Albernheiten mit dem Grenzposten im Sinn gehabt hättest. Ich nehme also an, dass du sehr brav warst. Aber ich warte ab, wie dein Fortsetzungsroman weitergeht.
Keine Ahnung. Ich wäre hoffentlich nicht so leichtsinnig gewesen, einen verfänglichen Zettel einfach so in der Tasche zu haben. Entweder besser verstecken oder auswendig lernen.Oder was hättet ihr gesagt?
Gruß,
Sunigol
Ich habe es ganz normal beantragt!Wie hast du es denn geschafft, dieses Visum zu bekommen?
Denn: Die DDR verstand sich auch als Reiseland.
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Nun erzähle ich weiter.
Ich mache immer mal wieder eine Pause dabei - und freue mich immer auf (wohlwollende ..) Kommentare.
*lächel*
Es geht weiter ......
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Ich gebe nun mal meine Antwort auf die Frage des Genossen Major: Sie war wahnsinnig originell: “Ach, nichts …”
Und das Grenzorgan hatte wohl seinen guten Tag und nahm mir das mal ab. Dafür wurde nun aber mein R4 einer gründlichen Leibesvisitation unterzogen. Zunächst gab es die üblichen Fragen, die jeder DDR-Reisende sicher noch kennt.
“Führen sie Waffen und Munition mit sich?”
Man war dann immer versucht zu sagen: “Wieso? Braucht man das hier?”
Oder auch: “Gut, dass Sie fragen! Jetzt hab ich doch tatsächlich mein Maschinengewehr zu Hause liegen lassen … können Sie mir sagen, wie ich hier eins kaufen kann? Ich brauch das ….”
Doch solche Antworten gab man besser nicht. Die Grenzorgane waren da merkwürdig humorlos. Ich sagte also brav, ich führe keine Waffen mit mir … also nicht, dass ich jetzt wüsste … höchstens Waffen des Geistes … und so.
Und dann die nächste Frage: “Gänsefleisch …?”
Ja, richtig, Gänsefleisch! Oder im vollen Wortlaut: “Genn Se vlleisch ……?”
Oder noch deutlicher: “Können Sie vielleicht Ihren Kofferraum aufmachen?”
Und dann kam für mich noch die Frage: “Können Sie nun noch Ihre Rückbank umklappen?”
Und da gab es ein kleines Problem.
Die Kontrollen waren damals gründlich. Sogar ein sogenannter “Spiegelwagen” wurde unter das Auto geschoben, um zu sehen, ob da etwas oder gar jemand versteckt sei! Und dann sollte ich also noch die Rückbank umklappen. Nun ist es so, dass ich von Autos nicht so viel verstehe. Ich unterscheide sie nach der Farbe: Rote, blaue, schwarze, weiße und so.
Ich hatte bisher noch nie die Rückbank meines R4 umgeklappt, weil ich echt der Meinung war, das ginge beim R4 gar nicht. Doch das Genzorgan sagte mir, noch nicht mal unfreundlich, das ginge doch! Und der Genosse Major zeigte mir sogar hilfreich, wie es geht! Ich war bass erstaunt! Die Rückbank war echt umklappbar! Wieder mal was gelernt! Reisen bildet, heißt es ja so schön und treffend.
Und die Moral von der Geschicht:
Kennst du dein eignes Auto nicht,
fahr in die DDR,
Da kriegst du’s beigebricht!
Reim dich - oder ich fress dich!
Ich hatte ein paar Bücher dabei - das war das nächste Problem. Dass Zeitungen verboten waren, das wusste ich. Aber das Bücherverbot war mir neu. Aber diese Bücher wurden nun nicht einfach konfisziert - sie wurden nur sichergestellt. Sie kamen in eine spezielle Tasche für solche Fälle -und wurden am Grenzübergang deponiert. Bei der Ausreise könne ich sie wieder abholen, hieß es - und man hielt Wort. Die Bücher waren bei der Ausreise für mich zum Abholen bereit. Es ging halt alles seinen geordneten sozialistischen Gang!
Ein Buch aber durfte ich sogar in die DDR mitnehmen: Ein Buch über die BADISCHE REVOLUTION von 1848/49. Das fand ich nun geradezu rührend. Ich wusste gar nicht, dass die badischen Revolutionäre in der DDR in so hohem Ansehen standen!
Liest noch jemand mit?
Soll ich weiter erzählen?
Ich erzähle mal weiter - in der Hoffnung, dass es jemanden interessiert .....
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Lange nach Mitternacht kam ich dann in meinem Hotel in Erfurt an. Eigentlich hätte ich mich sofort bei der Volkspolizei melden sollen. Doch die schlief um diese Zeit schon. Nur ich war wach. Getreu der Devise: Der Klassenfeind schläft nie!
Am nächsten Tag also stellte ich mich bei der Volkspolizei vor. Mir wurde erlaubt, mich einige Tage lang in der Deutschen Demokratischen Republik aufzuhalten.
Im Hotel erst entdeckte ich dann bei meinen Papieren den kleinen Pferdefuß: Diese Genehmigung galt nur für den Bezirk Erfurt. Ich war also sogar innerhalb der DDR in meiner Reisefähigkeit eingeschränkt, quasi ein wenig eingesperrt. Eigentlich kein Problem, denn ich wollte ja nur nach Weimar, was im Bezirk Erfurt lag.
Aber der Gedanke, im Bezirk Erfurt “eingesperrt” zu sein, gefiel mir dennoch nicht. Laut und deutlich verkündete ich an der Hotel-Rezeption, ich dächte nicht daran, diese Vorschrift zu befolgen. Ich plante, die Grenze zu durchbrechen! Jawollja! Noch heute würde ich in südlicher Richtung den Bezirk Erfurt verlassen, die Grenzlinie überschreiten, und in den Bezirk Suhl einfallen! Denn ich gedächte, im Thüringer Wald auf den Spuren Goethes zu wandeln, so als freier Mensch im freien Wald!
Im Rückblick weiß ich, dass das nicht besonders klug war. Denn in den Inter-Hotels wimmelte es nur so von IMs, den Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi. Wer weiß, ob da nicht irgendwer irgendwo Meldung machte, ein Klassenfeind habe vor, gegen Recht und Gesetz der DDR zu verstoßen, und verkünde das auch noch offen! Aber es geschah mir nichts.
Vielleicht kam die Meldung an einen alten und weisen Genossen und der sprach:
“Nur keine Aufregung! Soll dieser badische Waldbaum halt in Gottes … ähm, Karl Marxens Namen … zu seinen Thüringer Tannen ziehen. Was soll er da schon groß anstellen? Konter-Revolution im Tannenwald? Eher nicht … *abwink* Und dann: Dieser Mann will ja nicht zu Tante Emma oder Onkel Karl-Heinz. Er will zu den Shakespeare-Tagen nach Weimar. Hochkarätige internationale Besetzung …
Sollen wir da diesen Mann abfischen? Damit es nachher heißt, Shakespeare-Fans seien nicht sicher im Paradies der Arbeiter und Bauern? Und die Shakespeare-Verehrer weltweit bleiben aus - mit ihren Devisen? Nein, bei Rosa Luxemburg, das wollen wir nicht!”
Und so überschritt ich die Grenze des Bezirks Erfurt unbehelligt in südlicher Richtung. Wo ich prompt in Kontakt mit zwei Ausreisewilligen kam, die ich gar nicht auf meiner geheimen Liste hatte.
Bin neugierig wie es weiter geht!
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
(1. Korr. 13,13)
OK - es geht bald wieder weiter!
Und was meint ihr zu dem, was bisher war?
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