
Zitat von
Jamy
Noch immer wird ein Unterschied gemacht...zwischen physischen (=akzeptierten) und psychischen (= nicht akzeptierten) Erkrankungen.
Ja, das stimmt! Bei körperlichen Erkrankungen wird der/die Betroffene meist recht schnell als "unschuldiges Opfer" betrachtet, während bei psychischen Erkrankungen nicht selten gedacht wird, dass sich der/die Betroffene ja nur hängen lässt und sich mal nicht so anstellen soll. Das habe ich durch meine Arbeit häufig beobachten können.

Zitat von
Jamy
Aber das nur mal am Rande mit eingeworfen - allerdings: Wer wäre bereit, DIESE Art Leiden zu "verkürzen", wie du es, Prov, nennst....?
Psychisches Leid kann selbstverständlich genauso belastend erlebt werden, wie körperliches Leid mit z.B. starken Schmerzen bei einer Krebserkrankung. Aber der Unterschied ist, dass das Krebsleiden ab einem gewissen Punkt mit Sicherheit innerhalb eines bestimmten Zeitraums zum Tod führt und man durch die palliative Gabe von starken Schmerzmitteln sozusagen billigend in Kauf nimmt, dass dadurch die Lebenszeit des Betroffenen noch stärker verkürzt wird. Da hat der Sterbeprozess aber schon eingesetzt, es gibt also objektiv keine Hoffnung mehr auf Besserung.
Bei psychischen Erkrankungen mag der/die Betroffene zwar durchaus auch keinerlei Hoffnung mehr auf Besserung verspüren, aber dies ist im Gegensatz zu dem Beispiel mit der Krebserkrankung nicht objektiv so, sondern subjektiv. Hier kann keine palliative Pflege erfolgen, bei der billigend das vorzeitige Sterben des/der Betroffenen in Kauf genommen wird, weil sich der/die Betroffene nicht bereits in einem objektiven Sterbeprozess befindet.
Bei psychischen Erkrankungen halte ich es deshalb für nötig, alles menschenmögliche zu unternehmen, um durch Therapie dem/der Betroffenen aus dem Tal der Hoffnungslosigkeit zu helfen. Selbstverständlich wird das leider nicht immer möglich sein und irgendwann, nach vielen, vielen Therapieversuchen fällt dann das böse Wort "austherapiert", aber das ist eben nicht gleichbedeutend mit dem objektiven Einsetzen des Sterbeprozesses und deshalb sollte hier meiner Meinung nach keine Sterbehilfe erfolgen.
Wenn ein Mensch als "austherapiert" gilt, dann kann er nach derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand zwar nicht mehr völlig gesund werden, jedenfalls nicht durch Einsatz klinischer Medizin, gleichwohl kann das Leiden aber durchaus durch z.B. Medikamente gelindert werden, wobei man sich da nicht zu sehr drauf verlassen kann. Eine wichtigere Rolle spielen hier wohl eher soziale Kontakte, die der/die Betroffene als bereichernd, oder eben Leid lindernd erlebt. Insgesamt ist das aber eine sehr sehr schwierige Situation, die ähnlich einer Berg- und Talfahrt erlebt werden kann. Ich persönlich wollte jedoch niemandem diese Fahrt abkürzen, sondern ihn lieber durch Berg und Tal begleiten. Da sind wir alle gefordert sensibel im Umgang mit unseren Nächsten (und Fernsten) zu sein und ihm den Blick weg vom Leid und der Hoffnungslosigkeit, hin auf das Schöne (ich, als gläubiger Mensch würde Gott sagen...) zu lenken. Die große Gefahr bei psychischen Erkrankungen ist nämlich nicht selten, dass der/die Betroffene den Blick einzig und allein nur noch auf das Leid, die Erkrankung lenkt und nichts außerdem mehr sieht. Aus dieser Spirale gilt es dann für den/die Betroffen, auszubrechen zu lernen. Das ist sicher nicht einfach, scheint den Erkrankten bestimmt auch in manchen Situation unmöglich, aber das muss es nicht sein - das ist es nicht.
Gott ist uns immer näher, als wir uns selbst sind...Vielleicht kann man auch darin Trost finden...?
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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