Die Essener oder Essäer (aramäisch chasya, Heiliger) waren eine religiöse Gruppierung innerhalb des Judentums in der Antike. Sie haben sich vermutlich um 165 v. Chr. gegründet. Sie bildeten bis 70 n. Chr. neben den Pharisäern (hebr. perushim, Abgesonderte) und den Sadduzäern (hebr. tsedduquim, Anhänger der Lehre Zadoks) eine dritte bedeutende jüdische Gruppierung.
Name
Pinchas Lapide leitet hypothetisch Essener vom verstümmelten Ossé (Ha-Torah) ab (hebr: Täter des Gesetzes), welches als die Bezeichnung der Leute von Qumran überliefert worden sein soll. Dieses Ossé wurde zu Ossenes und später zu Essener. Auch Epiphanius von Salamis wusste von ihnen.
Geschichte
Die Essener waren von etwa 200 v. Chr. bis maximal 70 n. Chr. neben den Pharisäern, Sadduzäern und Zeloten eine Gruppe im palästinischen Judentum der Römerzeit. Sie sind vermutlich (griech. hosios, esenios; aram. chasya) wie die Pharisäerpartei aus der Chassidim-Bewegung (griech. asideanos; Frommer) hervorgegangen. Um etwa 165 v. Chr. im Zusammenhang der Entweihung des Jerusalemer Tempels durch den Seleukidenherrscher Antiochos IV. trennten sich die Essener vom restlichen Judentum. Gründer dieser eigenen Sondergemeinschaft war wahrscheinlich ein Leiter, der in den Schriften von Qumran der wahre Meister genannt wird.
Sie versuchten durch eine räumliche Trennung von der übrigen Bevölkerung den verderblichen Einfluss des Hellenismus von sich fernzuhalten. Sie gliederten sich wahrscheinlich in zwei Untergruppen. Die eine Untergruppe lebte im Zölibat und war als Orden organisiert. Manchen Vermutungen zufolge war ihr spirituelles Zentrum ein Kloster in Qumran, allerdings ist umstritten, worum es sich bei den in Qumran gefundenen Ruinen überhaupt handelt. Ableger gab es auch in Jerusalem (Südwesthügel) und in der Batanäa Judäa jenseits des Jordans. Die zweite Untergruppe der Essener lebte nicht zölibatär. Die Mitglieder hatten Familie und gingen einem normalen Handwerk nach. Dieser Zweig lebte vor allem in Judäa jenseits des Jordans und wahrscheinlich auch in En Gedi. [1]
Sie führten ein Leben der stetigen Heiligung. Zentral war dabei das spirituelle Wasserbad, die Mikwe. Welche Einstellung sie zu den Tieropfern hatten, kann noch nicht schlüssig beantwortet worden.
Während der jüdische Historiker Flavius Josephus und der jüdische Philosoph Philo von Alexandria die Essener erwähnen, werden sie im Neuen Testament und in den talmudischen Schriften nicht namentlich erwähnt. Manche Exegeten meinen, einige Stellen des Neuen Testaments sprächen von den Essenern, beispielsweise der Ausdruck Söhne des Lichts (Lk 16,8 EU). Als Begründung wird angeführt, dass sich die Essener laut den Schriften aus Qumran gelegentlich selbst so bezeichneten. Ob diese und andere Bibelstellen sich tatsächlich auf die Essener beziehen, ist jedoch umstritten, da die bildhafte Selbstbeschreibung und Abgrenzung einer religiösen Gruppe durch den Gegensatz von Licht und Finsternis von vielen damaligen gnostischen Gruppen geschah und somit keine essenische Besonderheit ist.
Gewisse Autoren unterscheiden zwischen den Essenern im allgemeinen und der Qumran-Sekte im speziellen. Sie verstehen die Qumran-Sekte nicht als Zweig der Essenerbewegung. Nach dem heutigen Stand der Forschung kann diese Frage noch nicht schlüssig beantwortet werden.
Pinchas Lapide wiederum bringt Qumran und die Essener in die Nähe der Wüste als heilsbringender theologischer Verheißungsort der jüdischen Religion und Geschichte ins Gespräch. Im Hebräischen wurde diese Wüste Araba genannt, die sich genau dort, wo Qumran liegt, am Westrand des Toten Meeres, befindet, und seit Jesaja als heilsträchtig bekannt ist. Die Qumranschriften nennen weder die Bezeichnung Qumran noch das Wort Essener. Sektenschriften aus Qumran sprechen vom „Haus Juda“ oder einfach nur „Juda“, aber auch als „Verbannte der Steppe“. Damaskus galt vermutlich als Chiffre für Qumran in apokalyptischen Kreisen. In den Schriften, u.a. der Damaskus-Rolle, ist von „Damaskus in der Wüste“ die Rede. Auch manche biblisch-jüdische Quelle nennt dieses Wüstendamaskus (Elia in 1.Kön 19,15f.). Nach Lapide ging Paulus mit dem bekannten Auftrag auch nicht nach Damaskus in Syrien, was politisch-rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, sondern eben nach Qumran. Er sagt im Brief an die Galater, dass er „von Arabien nach Damaskus“ ging, was sich dieser Deutung nach (Araba - Damaskus in der Wüste) in unmittelbarer Nähe befand. Jesus von Nazareth hatte (laut Neuem Testament) Berührung mit einigen Essenern, er übernahm vermutlich Ideen und Lehren aus Qumran, verwarf jedoch andere sehr bestimmt. Er könnte nach der Bar Mitzwa und vor seinem 30. Lebensjahr in Qumran gewesen sein, wofür inhaltliche Parallelen und Auseinandersetzungen sprechen würden. Pinchas führt des Weiteren die Bezeichnung Qumran auf das biblische Gomorrha zurück, ebenfalls ein in der Wüste Araba gelegener Ort (Gen).
Um nach Aram/Damaskus zu gelangen musste man zwar durch die Wüste Baschan ziehen, die oberhalb des Sees Kinnereth (See Genezareth) beginnt, aber selbst war es in hellenistischer und römischer Zeit eine blühende Stadt in einer blühenden Landschaft.
Bedeutung
Die Essener können als Vorläufer späterer Mönchsorden angesehen werden, die es aber im jüdischen Selbstverständnis damals noch nicht gab. Nach den antiken Quellen lebten sie getrennt vom offiziellen Tempeljudentum und in Anlehnung an Jeremia 31,31-34 als Neuer Bund in klösterlicher Einsamkeit. Sie forderten asketische Ordensgemeinschaft mit Gütergemeinschaft, ähnlich den ägyptischen Therapeuten bei Alexandria, bei denen es auch weibliche Mitglieder gab. Wie die Pharisäer wandten sie sich gegen die Ernennung Jonatans zum Hohenpriester und widersetzten sich seiner Führung. Das Priesterkönigtum der Hasmonäer verabscheuten sie und folgten damit einem gewissen Fundamentalismus.
Theologische Glaubensinhalte
Die Essener lebten in dem Bewusstsein, die letzten wahren Gläubigen ihrer Zeit und somit auch die letzten Gläubigen am Ende der Zeit zu sein. Charakteristisch für ihr streng geregeltes Leben waren die täglichen Waschungen (Taufe = Selbsttaufe), die aber natürlich auf der jüdischen Mikwe basieren, das tägliche Kultmahl und die genau festgelegte Rangordnung. Die Glieder der Gemeinschaft brachten ihr persönliches Eigentum in den Besitz der Gemeinde ein, in der alle Güter geteilt wurden. Über deren Verwendung hatten von der Gemeinschaft gewählte Verwalter zu bestimmen. Wollte jemand der Gemeinschaft beitreten, so musste er den Angehörigen der Gemeinschaft einen „furchtbaren“ Eid schwören, dass er die Gottheit ehren, seine Pflichten gegenüber den Menschen erfüllen, niemanden aus eigenem Antrieb oder auf Befehl Schaden zufügen, stets die Ungerechten hassen und den Gerechten beistehen, sowie er Treue gegen jedermann und besonders gegen die Vorgesetzten üben wolle. Zu ihrer Endzeitlehre gehörte unter anderem die Vorstellung von der Auferstehung des Fleisches. Von Ideen aus dem iranischen Raum beeinflusst, erwarteten sie einen welterschütternden Kampf zwischen den Mächten des Guten und den von Satan, dem Fürsten der Finsternis, angeführten Heeren des Bösen als Vorzeichen der Endzeitkatastrophe.
Zudem warteten die Essener nach den Qumranschriften auf einen zweifachen Messias: einen priesterlichen aus dem Hause Aaron und einen königlichen aus dem Hause Davids oder Juda. Sie zählten zur Zeit Jesu etwa 4000 Mitglieder.
Mit dem Christentum haben sie entgegen einer Reihe von populistischen Veröffentlichungen allerdings nichts zu tun. Sie scheinen auch stark in ihren Glaubensinhalten von der Jerusalemer Urgemeinde abzuweichen. Einige Autoren, darunter auch der 1997 verstorbene jüdische Theologe Pinchas Lapide versuchten aber zu belegen, dass sowohl Jesus von Nazareth als auch Paulus Kontakte mit Essenern hatten. Er versuchte außerdem plausibel zu machen, dass beide auch in Qumran waren.
Der sogenannte Essäerbrief
Bei dem Essäerbrief handelt es sich um eine historische Fälschung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Brief tauchte 1847 das erste Mal auf und gibt sich als Übersetzung einer lateinischen Vorlage. Der Verfasser selbst ist unbekannt. Sein Anliegen ist, Jesus aus seinem jüdischen Kontext herauszulösen, indem Jesus zum Kind eines Esseners erklärt wird. Hintergrund ist die historische Fiktion einer Arisierung der ägyptischen Essener, wie dies im 19. Jahrhundert populär war.
Quelle: Wikipdia
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