Also Angesichts des Statements von Alef gehe ich jetzt mal davon aus, dass die von "Nachdenklich" und evtl. auch "Bibeltagebuch" empfundene Schmähung und Herabwürdigung der Christen, des Christentums damit zusammenhängt, dass Alef nur ausgewählte Stellen des AT als "Gottes Rede" betrachtet und z.B. das Neue Testament eher als persönliche Überzeugungen einzelner gläubiger Menschen sieht. Ich hoffe das habe ich jetzt mal richtig verstanden!
Bezüglich der Frage danach, ob die Bibel Gottes Wort ist oder nicht, oder nur bestimmte Teile davon, muss man doch zugeben, dass es in dieser Frage keine letzte Sicherheit geben kann. Man kann nicht beweisen, dass Gott hier spricht, oder das er es nicht tut. Auch bezüglich der Interpretation dieser Worte gibt es einen recht großen Spielraum und was der eine Gläubige gerne wortwörtlich verstehen mag, kann der andere nur sinnbildlich oder allegorisch verstehen.
Tatsache ist doch zumindest, dass hier Menschen von ihren Erfahrungen und Überzeugungen sprechen - sie teilen uns ihren Glauben mit. Dabei werden dann auch verschiedene Schlüsse gezogen, Zeugnisse abgelegt, Prophetien ausgesprochen, es wird gewarnt, getröstet und Mut gemacht. Daraus resultierend hat sich dann unterschiedliche Lehre und im Falle des Christentums eine (mehrere) Kirche(n) entwickelt, die Antworten (teils dogmatisch) auf das rechte Verständnis der Schrift zu finden versuchte.
Vielleicht ist es ja möglich sich auf dieser (untersten?) Ebene zu treffen und zu akzeptieren, dass man sich bezüglich der Schlussfolgerungen, die aus dem Sinnzusammenhang der Schrift erfolgten, nie so wirklich einig war und es vielleicht auch gar nicht sein muss.
Denn ein lebendiger Gott hängt ja nicht vom geschriebenen Wort ab und kann selbstverständlich den Menschen (und jedem einzelnen Menschen) ganzheitlich, unvermittelt und direkt im Leben begegnen. Jedenfalls berichten sowohl im AT, als auch im NT Menschen davon. Und der Glaube und das Glaubensleben war natürlich auch in der Zeit lebendig, in der die Bibel noch nicht kanonisiert war.
Ein von mir hochgeschätzter mittelalterlicher christlicher Philosoph (dessen Namen hier nichts zur Sache tut;-)) hat einmal sinngemäß gesagt, dass es ihm nichts nützen würde, wenn da einst zu Bethlehem Gott geboren wurde, wenn Gott nicht auch gleichzeitig in seine Seele geboren würde (werden könnte). Die "Gottesoffenbarung" wird hier also unmittelbar und ohne Vermittlung irgendwelcher Schriften angestrebt. Die individuelle Lehre tritt dabei zunächst in den Hintergrund und das sehnende und liebende Herz streckt sich ganz nach dem lebendigen Gott aus. Und von diesem "Ausstrecken" wird in der ganzen Bibel immer wieder berichtet und darin sind wir Gläubige uns doch Schwester und Bruder.
Hinsichtlich des Wertes und der Wertung der Bibel lässt sich also doch mit einigem Recht sagen, dass das jeder Gläubige ein Stückweit anders erlebt und dementsprechend auch anders auf seinen Glauben Einfluss hat. Ich denke das darf auch so sein und niemand sollte der Überheblichkeit anheim fallen, dass er im persönlichen Besitz der absoluten Wahrheit wäre. Sich gegenseitig also Verirrung, oder ähnliches vorzuwerfen ist auch immer nur aus der eigenen Position heraus möglich und angesichts dieser Tatsache tut uns allen vielleicht ein bisschen Demut gut, denn vielleicht mag Gott dem einen ja so und dem anderen eben anders begegnen?
Ich will hier also ganz bewusst keine Partei ergreifen und hoffe lediglich, dass man für die Einsichten und Vorstellungen des Dialogpartners ein bisschen mehr Verständnis entwickelt und nicht gleich „den großen Hammer rausholt“, um den anderen in die Schranken zu weisen. Religiöse Gefühle und Überzeugungen sind tief, innig und ganzheitlich. Ich finde, da muss man mit dem Nächsten ein bisschen vorsichtig und behutsam umgehen. Ich persönlich werde auch in Zukunft versuchen dies zu berücksichtigen.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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