
Zitat von
Alef
Nicht mal eine Strichlein vom Gesetz und den Propheten soll da anders gelehrt werden, warnt er ausdrücklich, aber da wird wohl kaum auf Jesus gehört.
Doch Alef, da wird schon auf Jesus gehört!
Jedoch bekomme ich mehr und mehr den Eindruck, dass dieser "Strichlein vom Gesetz Ausspruch" Jesu, von Dir zu einem Totschlagargument gegen das Christentum verwandt wird. Man liest ihn mittlerweile gefühlt in jedem zweiten Post von Dir. Was willst Du uns denn eigentlich nun damit sagen? Das wir alle verblendet sind? Den falschen Vorstellungen folgen? Auf Irrwegen gehen?
Vielleicht sollten wir uns diesen Ausspruch Jesu mal im Zusammenhang anschauen! Matthäus 5,17-20:
"Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.
Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel; wer sie aber tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel. Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertrifft, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen."
Tatsächlich warnt Jesus also davor die Gebote aufzulösen und fordert stattdessen dazu auf, sie zu tun und zu lehren, da sie eben nicht vergehen werden. Gleichzeitig macht er aber auch darauf aufmerksam, dass unserer Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertreffen soll. Was meint er damit?
Niemand zweifelt daran, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer ganz besonders eifrig bemüht waren die Gesetze zu halten. Warum dienen sie Jesus dann aber offensichtlich trotzdem nicht als hinreichendes Vorbild?
In den folgenden Versen wird dann deutlich, was Jesus mit "Erfüllung des Gesetzes" meinte. Er gibt verschiedene Beispiele. Er spricht über das Töten, den Ehebruch, über das Schwören und das Vergelten. Dabei beginnt er immer mit einem Zitat aus dem Gesetz, dass er dann aber noch auslegt. Als Beispiel greife ich jetzt mal "das Töten" heraus. Matthäus 5,21-26:
Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten; wer aber töten wird, der wird dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch, dass jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht verfallen sein wird; wer aber zu seinem Bruder sagt: Raka!, dem Hohen Rat verfallen sein wird; wer aber sagt: Du Narr!, der Hölle des Feuers verfallen sein wird. Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und bring deine Gabe dar! Komm deinem Gegner schnell entgegen, während du mit ihm auf dem Weg bist! Damit nicht etwa der Gegner dich dem Richter überliefert und der Richter dem Diener und du ins Gefängnis geworfen wirst. Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch die letzte Münze bezahlt hast."
Dem eigentlich recht einfachen und deutlichen Gebot "du sollst nicht töten" gibt Jesus hier eine viel tiefere Bedeutung. Aber lehrt er dadurch das Gesetz nicht auf andere Weise, als es geschrieben steht? Verstößt er damit nicht selbst gegen seine Aufforderung, dass kein Strichlein anders gelehrt werden darf? Nein, denn Jesus geht lediglich über ein bloßes "sich nach Außen Verhalten" hinaus und verlegt das Gebot quasi ins Innere, in die Gesinnung des Menschen. Es geht ihm nicht nur um das Töten, sondern um die grundlegende Einstellung und Beziehung der Menschen zu- und untereinander. Er schreibt den Menschen das Gesetz quasi ins Herz und macht deutlich, dass Gott mit dem Gesetz das Herz des Gläubigen berühren möchte und seine Gesinnung verändern. Das ist sehr viel mehr, als ein nach Außen sichtbares Verhalten, wie es wohl manche Pharisäer und Schriftgelehrten voller Stolz vor sich hertrugen und für andere verbindlich machten.
Und diese grundlegende Gesinnung, die sich dann auch in Taten der Nächstenliebe äußert und sichtbar wird, wirst Du ja wohl schwerlich den Christen absprechen wollen, oder? Und dabei sollte man vielleicht auch nicht vergessen, wie Jesus das Gesetz und die Propheten zusammenfasste. Markus 12, 28-34:
"Und einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie miteinander stritten, trat hinzu, und da er wusste, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete ihm: Das erste ist: "Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft!" Das zweite ist dies: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" Größer als diese ist kein anderes Gebot. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Recht, Lehrer, du hast nach der Wahrheit geredet; denn er ist einer, und es ist kein anderer außer ihm; und ihn zu lieben aus ganzem Herzen und aus ganzem Verständnis und aus ganzer Seele und aus ganzer Kraft und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist viel mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Und als Jesus sah, dass er verständig geantwortet hatte, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und es wagte niemand mehr, ihn zu befragen."
Ich bin Christ und ich liebe Gott von ganzem Herzen und mit meinem ganzen Verstand und meiner ganzen Kraft. Und ich liebe auch meinen Nächsten. Sicher gehe ich dabei oftmals fehl und ganz bestimmt sind da auch eine Menge falscher Vorstellungen in mir, aber meine Gesinnung und mein Herz ist und wird immer Gott zugeneigt sein. Und ist das etwa nicht "das Gesetz und die Propheten"?
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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