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Sunigol
Ich verstehe das so, dass es sich hier um eine von allen Beteiligten gewollte Beziehung handelt, dass das Verhältnis liebe- und verantwortungsvoll ist (wiederum bei allen) und dass es eine ständige Lebensgemeinschaft ist, also nicht wochenweise im Wechsel oder irgendwas Derartiges. Wenn das so ist, dann kann ich der obigen Aussage zustimmen.
Und ich verstehe es so, wie es im Artikel steht:
Wollrad wünscht sich nach eigenen Worten eine Kirche, die sich leidenschaftlich für Gerechtigkeit einsetze, auch für Schwule, Lesben, Inter- oder Transsexuelle. Aber auch polyamouröse Beziehungen – also Liebesbeziehungen zu mindestens zwei Menschen zur gleichen Zeit – müsse man in den Blick nehmen. Wollrad beklagte, dass die Kirche zu sehr im Geist der Verzagtheit lebe und meine, alles bewahren zu müssen. Genau das Gegenteil sei der richtige Weg.
Frau Wollrad sehnt sich also nach einer Kirche die ihre Verzagtheit ablegt und nicht länger der Vorstellung anhängt alles bewahren zu müssen. Betrachte ich nun diese Aussage im Zusammenhang mit der Gerechtigkeitsfrage in Sachen Geschlecht und unter Berücksichtigung des Hinweises auf die unterschiedlichsten Formen von Sexualität, komme ich persönlich zu dem Ergebnis, dass Frau Wollrad die Bewahrung der biblisch übermittelten und traditionell als christlich betrachteten Formen partnerschaftlicher Verbundenheit, Ehe und Sexualität, wohl immer dann als ungerecht empfindet, wenn nicht gleichzeitig auch die anderen, von ihr genannten Formen zwischenmenschlicher Beziehung und Sexualität, gleichberechtigt mit dem traditionellen Verständnis, den Segen der Kirche erhalten.
Und da frage ich mich dann natürlich, wem oder was Frau Wollrad da nun konkret den Vorwurf machen möchte er/sie/es sei ungerecht? Wir sind uns doch sicher alle einig, dass es am Ende nicht die Kirche sein kann, die über zwischenmenschliche Beziehungen ihren Segen ausbreitet, sondern dass das menschliche Miteinander immer den Segen Gottes bedarf. Sollte es also tatsächlich so eine Dreierbeziehung geben und sollte es tatsächlich so sein, dass diese drei Menschen von der Frage getrieben werden, ob ihre Verbindung auch vor Gott wohlgefallen findet, dann braucht es dazu letzten Endes doch gar nicht unbedingt die Kirche. Deshalb schrieb ich ja auch in einem anderen Post, dass das jeder für sich selbst verantworten muss. Und wenn er das kann - bitteschön!
Aber es ist doch so, dass der Institution Kirche gar nichts anderes übrig bleibt, als sich an der biblischen Überlieferung zu orientieren. Luther hatte mit viel Pathos "sola scriptura" gerufen und seitdem ist die Bibel und die Bibel allein, Fundament dieser Kirche. Ist es also die Bibel, die ungerecht ist, weil sie ziemlich konkrete Vorstellungen davon vermittelt, wie die Menschen zusammenleben und -kommen sollen? Und in der Bibel wird man nur schwerlich finden können, dass solche Dreierbeziehungen gottgefällig seien. Ist dann am Ende also vielleicht sogar Gott ungerecht, weil er diesbezüglich nichts in die Bibel schreiben ließ und man dort nur findet, dass ein solches Verhalten ehebrecherich wäre?
Also ich denke, falls es wirklich einmal zu einer solchen Konstellation kommen sollte und drei Menschen leben in einer Liebesbeziehung zusammen und stellen sich die Frage nach Gott, dann sollten sie das auch vor Gott bringen, ihre Fragen stellen und den Blick auf ihn gerichtet ihre Beziehung leben. Aber den Segen einer Kirche zu erwarten, die sowohl in ihrer Tradition, als auch in ihrem Selbstverständnis, an die biblische Überlieferung gebunden ist, ist meiner Meinung nach schon etwas anmaßend. Diese Kirche müsste dann ihr Fundament völlig neu überdenken und sich Fragen, wo und ob sie denn überhaupt noch Grenzen ziehen dürfe, was Liebesbeziehungen betrifft. Irgendwann käme dann vielleicht sogar die Frage auf, ob nicht vielleicht auch pädophile Beziehungen, unter ganz bestimmten Voraussetzungen, den kirchlichen Segen erhalten sollten. Ist noch gar nicht lange her, da ist (ich glaube in England oder Kanada war es) eine 11jährige Schülerin mit ihrem Lehrer durchgebrannt.

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Sunigol
Ich denke schon, dass eine Dreier- oder auch Viererbeziehung genauso verlässlich sein kann wie eine Zweierbeziehung. Es kommt immer auf die Personen an: Ob sie harmonieren, ob sich alle wohl fühlen, ob jeder seine Bedürfnisse stillen kann ... Das sind meiner Meinung nach wichtige Voraussetzungen für eine stabile Beziehung. Wie viele Personen es sind, ist weniger entscheidend.
Wenn ich das richtig verstehe, dann ist also immer dann in Liebesfragen alles in Ordnung, wenn alle daran Beteiligten sich wohlfühlen, miteinander harmonieren und ihre Bedürfnisse stillen können. Aha? Und wann kommt dann bitteschön eigentlich Gott ins Spiel? Ist er denn überhaupt noch Mittelpunkt einer solchen Beziehung? Ist es überhaupt gewünscht, dass er Mittelpunkt ist? Oder soll er doch bitte nur etwas Zusätzliches sein, was mir und meinem Menschsein bequem zu Diensten ist? Ein nettes Accessoir sozusagen? Sorry, aber wenn die Menschen ihre Emotionen und ihr Befinden so sehr in den Mittelpunkt stellen, was will man dann eigentlich noch von Gott? Was spielt er denn für eine Rolle im Leben?
Bitte nicht falsch verstehen, aber Gott ist in meiner Vorstellung kein Talisman, der mir im Leben Glück und Segen bringen soll und fertig. Gott ist Ausgang, Mittelpunkt und wird einmal Ende meines menschlichen Daseins sein. Da lebe ich mein Leben und meinen Alltag in Auseinandersetzung mit ihm und bin dann auch gerne dazu bereit mir zeigen zu lassen, wo mein Platz ist. Das ist meiner Erfahrung nach aber nicht immer so ganz bequem, aber meine Befindlichkeit spielt dabei auch nicht unbedingt die Hauptrolle. Aber in dem Beispiel von Dir geht es meiner Meinung nach irgendwie nur um die Befindlichkeiten der Menschen.

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Sunigol
Es ist ein seltenes Beispiel. Seltsamkeit entsteht erst im Auge des Betrachters. Und gerade Kirchentage sind dafür bekannt, dass auch mal seltenere Themen zur Sprache kommen.
Das ist doch gut, dass solche Fragen thematisiert werden. Das Beispiel finde ich aber trotzdem seltsam.
Natürlich gelten universelle Werte zunächst einmal ganz grundsätzlich. Achtsamkeit, Verantwortlichkeit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, und gegenseitiger Respekt sind in jedweder zwischenmenschlichen Beziehung notwendig. Aber bitte erkläre mir doch einmal ganz praktisch, wie im Zusammenhang mit polyamourösen Beziehungen, längerfristig diese Werte gelebt werden sollen. Schon die Beziehung zweier Menschen kommt da doch immer häufiger an ihre Grenzen, wenn ich mir z.B. mal die Scheidungsraten anschaue. Ich bin davon überzeugt, dass man schon sehr sehr stark theoretisieren und idealisieren muss, um sich eine solche Dreierkonstellation überhaupt vorstellen zu können. In der Regel dürften solche Beziehungen aber eher den Charakter eines Abenteuers haben, in dem man sich mal ausprobieren und ausleben möchte. Oder anders: Kennst Du solche Beziehungen, die dann auch längerfristig funktionieren und in denen die genannten Werte auch tatsächlich gelebt werden? Ich glaube nämlich, dass wir uns hier über etwas unterhalten, was es so gut wie nie geben wird.

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Sunigol
Und mal ganz praktisch gefragt: Was soll denn eurer Meinung nach jemand machen, der mit zwei Partnern zusammenlebt? Soll er oder sie sich, um eurem christlichen Beziehungsbild zu entsprechen, von einem Partner trennen?
Was soll denn das jetzt bitte? Hast Du meine Beiträge überhaupt gelesen? Offensichtlich wohl nicht! Ich habe mehrfach gesagt, dass das jeder für sich selbst vor Gott verantworten muss. Meine persönliche Vorstellung ist meine persönliche Vorstellung und fertig. Da muss sich niemand nach mir richten. Ich bin kein Typ der anderen sagt, was richtig ist, oder was falsch.
Aber gut, dann zitiere ich mich eben selbst nochmal:
Also wenn die Geschäftsführerin des Verbandes "Evangelische Frauen in Deutschland" der Meinung ist, dass man durchaus auch mehrere Liebesbeziehungen zugleich führen kann, dann erschüttert das mein Weltbild und mein Bild von der ev. Kirche nicht im Geringsten. Die gute Frau kann es diesbezüglich gerne halten wie sie möchte.
Das muss letztlich jeder Gläubige für sich selbst verantworten können, aber findest Du nicht, dass der Wert menschlicher Liebesbeziehungen auch im Wesentlichen von der Treue bestimmt wird?
Wie gesagt, dass muss jeder für sich selbst verantworten, aber das "Was" halte ich persönlich nicht für bedeutungsvoller als das "Wie".
Wenn dem so ist, dann wunderbar (meine Reaktion auf die Aussage von Cato:Sie (polyamouröse Liebespartner) werden für sich lebbare Formen der Treue finden, die sie verantworten können mit sich, voreinander und ihrem Glauben.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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