Shalom Isaak

Also erstmals danke ich dir für dein Interesse und deine ausführlichen Antworten. Und lass dir ruhig Zeit, auch ich habe ja meinen ausgefüllten Alltag. Nun, ich bin wohl auch nicht so leicht zu finden und zu verstehen. Bin mehr Denker als Redner und Schreiber. *lacht*

Weißt du was ich aber schön finde, dass du so konkret versuchst auf meine Gedanken zu antworten. Das findet man leider eher selten.

Nun ich habe ja auf manches noch keine befriedigende Antwort gefunden. Und vielleicht verstehe ich ja auch viele Dinge noch gar nicht und deshalb fällt es auch mir nicht leicht sie in die richtigen Worte zu kleiden.

Übrigens, ein Aufteilen zwischen spirituellem und wörtlichem Glauben war wirklich nur zum Zweck der Erklärung! Und ich wiederhole mich in dem Sinne, dass mich gerade dieses Verwobensein im jüdischen Glauben beeindruckt. Dies kam auf andere Weise auch mal zum Ausdruck, dass ich Feste ungern feiern würde, wenn nicht mein ganzes Sein dahinter stehen könnte.

Nun ich weiss nicht, ein Jude der in Israel wohnt, lebt wohl seinen Glauben auch anders als hier in Europa. Was ist eigentlich der Sinn des Judentums? Gibt es da auch einen Auftrag gegenüber der übrigen Welt?

Denkst du, es führt kein Weg zurück zu den Wurzeln? Irgendwie schade. Ich frage mich aber auch ernsthaft, wie weit zurück man auf dieser Suche gehen kann. Dass sich das Christentum völlig gelöst hat von den Wurzeln finde ich auch. Aber weshalb gibt es manche, die nach diesen Wurzeln suchen? Und frage mich auch selbst wieder, weshalb das auch bei mir soweit gekommen ist.

Du stellst mir berechtigerweise die Frage:

Erwartest du mehr vom Judentum und jüdischen Glauben, als vom Christlichen?
Sie hat mich ausgiebig beschäftigt. Also vom Christlichen erwarte ich eigentlich kaum mehr was. Ich denke ich habe da eher vieles schon ein Stück weit hinter mir gelassen.

Nun ich beschäftige mich fast ausschliesslich mit jüdischen Büchern, Talmud, den Midraschim (die ich mir aus Israel erstehen konnte *freu*). Rabbinischen Weisheiten und versuche mich ab und zu auch mit Texten aus dem Sohar zu beschäftigen und lese auch verschiedene Wochenlesungen auf dem Internet. So gesehen tat sich für mich eine neue Welt auf und auch ein ganz neues Verständnis für die Torah. Dadurch bekam ich aber schon viele neue Impulse für mein Leben.

Ja vielleicht habe ich auch zeitweise wirklich eine vertiefte Gottesbeziehung im Judentum gesucht. Auch einen neuen Zugang zu IHM, weil mir ja mein Glaube abgesprochen wurde. Nun wie ich dich verstehe, siehst du auch nicht eine Religion als das Mass für eine Gottesbeziehung an, so habe ich auch bewusster angefangen, meinen ganz persönlichen Weg mit IHM zu gehen und ich hoffe auch ER mit mir, dies aber mit den oben erwähnten Hilfsmitteln, Aber im Sinne, dass nur dieser einzige Ewige Gott für mich als glaubwürdig erscheint.

Und ich wiederhole mich: Der jüdische Glaube ist sicher nicht der Glaube des Ewigen und seine Gläubigen sind sicher nicht die welche dem Ewigen am nahesten stünden. Wir lesen in der Tora vom Bund des Ewigen zwischen Israel und Ihm. Wie wir diesen verstehen, wir Juden und die Nationen, das dürfen wir jeweils selbst verstehen lernen und beantworten.
Und wenn ihr als Gläubige dem Ewigen nun doch am nahesten stündet? Eben durch diesen Bund? Was bliebe noch für uns aus den Nationen? Können wir das einfach so aus uns heraus beantworten? Juden wie Andersgläubige?


Und wie ist es mit einer Akzeptanz von Jüdischem, welches von nichtjüdischen Glaubensgeschwistern erwartet, dass diese sich in das Vorhandene hineinleben sollten, an statt daneben und mit einem gewissen Anspruch des besseren Wissens, in sehr ähnlich oder selbiger Weise parallel, aber akzeptiert zu bestehen?
Der eigentliche Sinn, im Konvertieren, ist doch sicherlich ein sich Einfügen an dessen, woher dies Wurzelt.
Ich kann diese Gedanken verstehen, Kann man aber den Erwartungen anderer eigentlich je gerecht werden?

Nun eigentlich ist es ja sekundär, was andere über eine bestimmte oder meine persönliche Glaubensform denken. Da ist wahrscheinlich der christliche Hintergrund (Familie, Verwandtschaft) das weit grössere Hindernis für mich. Die Christenheit ist ja weit weniger homogen als man es evtl. durch die Medien vermittelt bekommt. Es ist so zersplittert in viele Gruppen, da sollte man eigentlich denken, dass Menschen auch ihre Berechtigung hätten, die allein ihren Glauben an den Ewigen leben möchten, losgelöst von Organisationen und irgendwelchen Dogmen.

Ich denke, Fehler und Verirrungen müssten schon innerhalb des eigenen Stammes und der Wurzel aufgedeckt und wenn möglich gelöst werden. Aber Anstösse von Aussen könnten den Ausschlag geben, gewisse Dinge neu zu überdenken und sich nicht im eigenen Kreise zu drehen.

Ganz ehrlich, ich fände es was vom Schönsten, wenn mehr Austausch möglich wäre, ohne dass man immer gleich das Gefühl bekommt, es würde einem von der anderen Seite etwas übergestülpt. Und es liegt mir auch ferne jemand von meiner Art Glauben zu überzeugen. Aber könnte man nicht so vieles voneinander lernen, wenn man nur wollte?

Und im Grundsatz sollte man sich seiner Sache ganz gewiss treu bleiben solange man es vor dem Ewigen verantworten kann. Aber was, wenn man dadurch ins Zweifeln gerät? Oder wenn du irgendwann spürst, ich kann auf diese Weise nicht weiter leben? Da habe zumindest ich im Laufe der Auseinandersetzung über Jahre schon eher Probleme damit gehabt.

Nun ich weiss natürlich nicht, ob es dem Stamm und der Wurzel alleine vorbehalten ist, ob er sich die neue Sorte aufpfropfen lassen möchte oder nicht. Dies ist ja die Arbeit des Gärtners und um im Bild zu bleiben, würde ich das nun mal dem Ewigen anheim stellen. Der Stamm und die Wurzel könnten es höchstens wieder abstossen. Aber ob unsere menschlichen Entscheidungen immer das Wahre sind? Aber irgendwie würde ich es verstehen, nach allem was ihr als Volk über die Jahrhunderte so erdulden musstet.
Aber wer weiss, vielleicht kommt ja mal die Zeit wo die Früchte reif sind.

Dass das Jüdische (Historische, Kultur, Religion) und der Jude (als jüdisch geborener Mensch) nicht trennbar sind, kann ich ja schon irgendwie verstehen. Selbst wenn ein Jude jüdisch fremdgläubig, und dazu gehört von mir aus gesehen auch Christ würde, bliebe er aber meines Erachtens trotzdem Jude und würde deshalb nicht Schweizer oder x was anderes, weil er nun mal Jude von Geburt an war. Wenn er sich einbürgern liesse wäre das für mich auch nicht anders. Er bliebe ein Schweizer Jude, aber kein geborener Schweizer. Wirkt natürlich irgendwie komisch, über so was nachzudenken. Aber ich denke der Ewige wollte ja, dass ihr euch nicht vermischt, mindestens mal nicht mit den Völkern im Land Kanaan. Was bei euch ja dann grundsätzlich gedeutet wurde und ich ja gut verstehen kann, zwecks Abhaltung von Götzendienst. Aber ich denke, es muss ja auch niemand aus seiner Haut schlüpfen. Und überhaupt, bleibt ruhig dieses besondere Volk, es wird ganz sicher seinen Sinn haben.

Und wenn, wer mag, der Einzelne, daraus ein Weg, entweder in’s Jüdische hinein, oder unter Verwendung jüdischen Gutes etwas Neues findet, dann sollte sich nach einer Phase der Orientierung irgendwann eine sich selbst gegenüber und gegenüber anderen, eine erkenntliche Klarheit, so gut diese vom einzelnen zu erlangen sei, ausbilden können.
Nun ich habe in den letzten Tagen viel über diese Dinge nachgedacht. Und so glaube ich, dass man durchaus seinen Weg mit dem Ewigen gehen kann ohne seine Identität aufzugeben. Dass man Dinge, die man aus eurem kostbaren Wissensschatz lernt durchaus auch in ein einfaches Schweizer Leben einbeziehen kann. Sind wir nicht letztlich einfach alles Menschen?

Ja Äste und Zweige eines Baumes können nun mal nicht ohne Wurzel und Stamm existieren. Aber vielleicht liegt ja auch die Wurzel im Ewigen selbst begründet und ihr dürft ruhig Stamm sein und auch eure Äste und Zweige ausbreiten und gute Früchte bringen. Nur vielleicht pfropft der Ewige halt auch ein paar neue Zweige auf, die auf ihre Weise mit dem Baum verwachsen, die neue andere Sorten von Früchten bringen, manchmal bessere, manchmal schlechtere. Die sich aber wohl nähren durch den Baum, aber nicht seine Eigenschaften haben müssen.

Aber scheinbar müssen wir mit diesen Bruch zwischen uns leben und derart Akzeptieren, dass wir wohl vom selben Baum essen aber diesen anders verstehen, verwenden und beleben.
Diese Aussage macht mich ein bisschen traurig. Früher dachte ich mal, gerade diese Unterschiede könnten eigentlich gegenseitig befruchtend sein. Aber allmählich wird mir schmerzlich bewusst, wie sehr sich die Wege getrennt haben.

Nun es ist wieder etwas viel geworden. Vielleicht magst du dich ja etwas mit meinen Gedanken auseinandersetzen, was mich schon freuen würde. Jedenfalls ist es mir wichtig zu sagen, auch wenn ich vieles von eurem Denken nicht verstehen kann, dass ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass ein fruchtbarer Austausch doch möglich sein könnte.


Ganz liebe Grüsse