Liebe bonnie,
ich will mal versuchen mit nur wenigen Sätzen, auf Deine einzelnen Fragen eine Antwort zu finden. Sozusagen ein Stückweit losgelöst von dem von Dir zitierten Bibelvers.

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bonnie
„Recht zu üben…“ liegt die Unterscheidung zwischen „Recht und Unrecht“ im Menschlichen selbst verborgen?
Ich denke schon. Recht und Unrecht wird im Menschen, in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen, als Recht und Unrecht definiert. Das heißt das beide Begriffe nicht starr und unumstößlich für alle Zeiten feststehen, sondern immer wieder neu definiert und mit Inhalt gefüllt werden müssen.

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bonnie
Ist der Begriff „Rechtsempfinden“ subjektiv?
Ganz bestimmt, will ich meinen. Schon allein weil Du nach dem Empfinden fragst. Aber auch der Rechtsbegriff an sich lässt sich aus unserer menschlichen Perspektive heraus nur sehr unzureichend objektivieren. Trotzdem gibt es natürlich objektiv zu beurteilende Verstöße gegen geltendes Recht. Ein Mord ist ein Mord und verstößt gegen gültiges Gesetz und ist deshalb nicht allein ein subjektiver Rechtsverstoß, oder subjektives Unrecht.

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bonnie
Sind "nur" die „biblischen Gebote“ damit gemeint?
Das hat Alef besser erklärt, als ich es könnte.

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bonnie
Gibt es in uns Menschen etwas, was wir eigentlich alle auf gleiche Weise für Recht empfinden sollten?
Sollten wäre wünschenswert, aber aufgrund der Subjektivität jedes Menschen ist sich jeder auch zunächst einmal selbst der nächste. Kants "kategorischer Imperativ", oder ähnlich, das Gebot "was du nicht willst das man dir tut, das füg' auch keinem anderen zu", wird aber glaube ich ganz allgemein als Recht empfunden.

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bonnie
Oder ist „Recht“ etwa von Erkenntnis abhängig?
Ich denke schon. Denn je mehr Informationen (Erkenntnis) ich habe, um einen Rechtsstreit zu beurteilen, desto eher bin ich dazu in der Lage, die Situation auch objektiver zu betrachten. Ein reiner Indizienprozess kann schnell mal ungerecht werden.

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bonnie
Ist „Recht“ so etwas wie „Moral“?
Moral bestimmt vielleicht ein Stückweit was Recht sein sollte, aber sie kann nicht wirklich Recht sein, weil die Moralvorstellungen sehr unterschiedlich sein können und welche wäre dann Recht? Aber Kant erkannte im Menschen so etwas wie ein moralisches Gesetz: http://my.yetnet.ch/dergutemensch/seite/kant/gesetz.htm

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bonnie
Gesetze eines Landes sind verschieden- was aber ist „Recht“, dass für alle Menschen ganz gleich wo auf dieser Welt gilt?
Das berührt Deine Frage nach dem "alle auf gleiche Weise empfundenen Recht" weiter oben.

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bonnie
Ist uns Menschen (ohne Unterschied) „Recht“ ins Innerste gelegt?
Vielleicht wie Sunigol schon meinte in Form des Gewissens? Aber ich vermute da hat einerseits nicht jeder den gleichen sensiblen Zugang/Kontakt zu und andererseits glaube ich auch, dass das Gewissen subjektiv geprägt ist. Wenn jemandem einmal selbst Unrecht widerfahren ist, hat er eventuell(!) nicht mehr so starke Gewissensbisse ähnliches Unrecht zu begehen. Das muss aber sicher nicht so sein.

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bonnie
Jedenfalls Warum aber streiten wir dann darüber, was „Unrecht“ ist?
Ich glaube weil Unrecht als Unrecht empfunden wird und wir eine Sehnsucht nach Gerechtigkeit haben. Der Grundsatz der Gleicheit aller Menschen ist teuer erkauft worden und uns lieb und teuer.

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bonnie
Kommt „Güte zu lieben“ aus dem Weg , der Beziehung zum Schöpfer? Oder für manche Menschen anders herum?
Sowohl als auch. Man muss nicht an Gott glauben um Güte zu lieben. Aber natürlich kann gerade aus der Liebe zu Gott auch Güte erwachsen. Aber allein dafür, dass wir moralische und gütige Wesen sein sollen, braucht man meiner Meinung nach keinen Gott.

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bonnie
Ich persönlich glaube, dass es nur einen Schöpfer aller Menschen gibt- doch woher kommen dann so gravierend unterschiedliche Verstehensweisen über „Güte“, „Recht“ oder Moral?
Ich glaube so gravierend unterschiedlich sind die Verstehensweisen gar nicht. Zunächst hat jeder einmal sein "Gut und Böse", aber das wird dann mit unterschiedlichem Inhalt gefüllt. Im Krieg bringen sich die gegnerischen Parteien gegenseitig um und sind jeweils davon überzeugt, dass der Gegner der Böse ist. Darin sind sie also eins. Aber die Konsequenz daraus hat trotz dieser Einigkeit eben zur Folge, dass man sich gegenseitig umbringt. Und beide denken auf gleiche Weise, dass sie damit im Recht sind und ihnen Unrecht widerfährt.

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bonnie
Würde die Beziehung eines jeden Menschen mit dem EINEN dahin führen, dass der Mensch „weiß“, was „gut“ ist, so würde doch jeder Mensch etwas in sich tragen, was dem des anderen Menschen ähnelt oder gar gleicht.
Ich persönlich glaube nicht, dass es die Moral, unsere Vorstellung des Guten ist, die uns mit dem EINEN verbindet, sondern unser innerstes (eben substantielles) Wesen.

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bonnie
Sind die Gebote der Bibel nicht nur „schriftliche Grundpfeiler“ dessen, was wir Menschen in uns selbst und aus der Beziehung mit „Gott“ wissen?
Die schriftlichen Grundpfeiler und Gebote der Bibel sind zumindest von Menschen geschrieben worden, die eine Beziehung zu Gott empfunden hatten. Insofern ja.

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bonnie
Tragen wir Menschen nicht irgendwie etwas in uns, was uns mit dem Schöpfer und Mitmenschen verbindet? Sagt das uns, was „Recht“ oder „Gut“ ist?
Ich persönlich glaube daran, dass wir Menschen sowohl mit dem Schöpfer, als auch mit den Mitmenschen substantiell verbunden sind und sich im gemeinsamen Lebensvollzug dann aus dieser Verbundenheit heraus auch unser "Gut und Recht" entwickelt. Das ist aber ein zeitgeistiger und sich entwickelnder, fortschreitender Prozess.

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bonnie
Wenn nur EINER „gut“ ist- ist unser Leben als Übungsstrecke gedacht, sich dem EINEN „Guten“ zu nähern?
Übungsstrecke halte ich für nicht so das richtige Wort. Leben ist meiner Meinung nach Selbstzweck und deshalb, so denke ich, auch nicht allein wegen der Annäherung zum Guten gedacht. Aber natürlich sind wir während unseres Lebens bemüht das Gute zu tun. In aller Regel jedenfalls.

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bonnie
„Gut und böse“ was für mich "gut" zu sein scheint, muss für meinen Nächsten nicht in gleichem Maß "gut" sein, oder? Liegt es überhaupt an uns Menschen, solche Einordnungen zu denken?
Laut Bibel kam die Vorstellung von "Gut und Böse" ja erst nach dem Sündenfall in die Welt, aber jetzt ist sie Teil dieser Welt und insofern müssen wir glaube ich schon in solchen Einordnungen denken. Aber wie Du ja bereits selbst sagtest, ist das, was für den einen gut ist, für den anderen vielleicht böse. Wir sind da aber stark miteinander verbunden. Z.B. begegnet uns in Deutschland vieles was wir als gut empfinden nur deshalb, weil wir uns dessen ein Stückweit auf Kosten anderer (Menschen, Natur...) "bemächtigt" haben - z.B. unser Wohlstand. Deshalb müssen wir meiner Meinung nach aber nicht zwangsläufig auch die Bösen sein. Aber es sollte uns schon bewusst sein, dass wir auf diese Weise miteinander verbunden sind und dann sind wir sehr schnell, neben der Frage nach "Gut und Böse", bei der Frage nach der Gerechtigkeit angelangt.
LG
Provisorium
PS: Zum Schluss ein kleiner Buchtipp von mir: Vielleicht hast Du es ja auch schon gelesen, weil es ja sehr bekannt ist. Und zwar würde ich Dir zu diesem Themenkomplex Dostojewskis "Schuld und Sühne" empfehlen. Tolles Buch!
Geändert von Provisorium (15.03.2013 um 00:26 Uhr)
Grund: Buchtipp eingefügt
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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