Kommentar von William Barclay
Keine Begebenheit der Apostelgeschichte ist anschaulicher als die hier geschilderte. Wir brauchen keineswegs ein Wunder daraus zu machen. Dieses Ereignis macht jedoch ganz deutlich, welche Stimmung in der ersten Gemeinde herrschte. Es ist urkundlich nachgewiesen, dass ein Höfling aus lauter Angst tot umfiel, als Eduard der Erste voller Zorn über ihn aufflammte. Aus dieser Geschichte ersehen wir zweierlei über die erste Gemeinde. Es geht deutlich aus ihr hervor, in welchem Zustand der Erwartung und höchsten Erregung sich die Menschen damals befanden. Ausserdem zeigt sie uns, welche ungewöhnliche Achtung und Ehrerbietung den Aposteln entgegengebracht wurde. In einer dermassen aufgeheizten Atmosphäre hatten dann die Worte und der Tadel des Petrus die oben geschilderte Wirkung.
Diese Geschichte ist ein Beispiel dafür, von einer wie grossen, beinahe hartnäckig zu nennenden Aufrichtigkeit die Bibel erfüllt ist. Nichts hätte näher gelegen, als diesen Bericht auszulassen, weil er ein Beweis dafür ist, dass es selbst in der ersten Gemeinde sehr unvollkommene Christen gab. Doch die Verfasser der Bibel lehnen es ab, ein idealisiertes Bild von irgendwelchen Geschehnissen zu zeichnen. Als ein Hofmaler einst ein Porträt von Oliver Cromwell anfertigte, liess er die sein Gesicht entstellenden Warzen weg, weil er glaubte, dem grossen Manne damit einen Gefallen zu tun. Cromwell sagte jedoch beim Anblick des Bildes zu dem Maler: „Nehmt das Bild wieder mit und malt mir alle meine Warzen ins Gesicht.“ Es gehört zu den grossen Vorzügen der Bibel, dass sie uns weder Helden- und Ruhmestaten noch Warzen oder irgend etwas anderes vorenthält.
Im gewissen Sinne ist diese Geschichte sogar ermutigend, zeigt sie uns doch, dass die Gemeinde selbst in ihren grössten Tagen ein Gemisch von Gut und Böse darstellte. Wir tun gut daran, uns zu vergegenwärtigen, dass es überhaupt keine Kirche gäbe, wenn sie eine Gemeinschaft vollkommener Menschen wäre.
Bezeichnend ist auch, wie sehr Petrus betont, dass jede Sünde einen Sünde gegen Gott ist. Auch wir sollten das vor allem in bestimmter Hinsicht stets bedenken,
1. Mangelnde Sorgfalt ist Sünde vor Gott. Gott wirkt durch die Menschen. Mit allem was wir zur Gesundheit, zur Zufriedenheit und zum Wohlergehen der Menschheit betragen, wie bescheiden und anspruchslos s auch sein mag, wirken wir für Gott. Der berühmte Gegenbauer Stradivari hat einmal gesagt: „Ich würde Gott berauben, wen ich mit nachlässiger Hand arbeiten wollte.“ Das sollten alle Menschen beherzigen.
2. Mangelnder Gebrauch unserer Gaben ist Sünde vor Gott. Gott hat jedem von uns bestimmte Fähigkeiten geschenkt; sie gehören uns nicht; wir verwalten sie nur für Gott. Daher sind wir auch nicht den Menschen, sondern Gott gegenüber verantwortlich für das, was wir mit unserer Begabung anfangen.
3. Mangel an wahrheitsliebe ist Sünde vor Gott. Wir kennen die Wahrheit nur durch das Wirken des Heiligen Geistes in unserem Herzen. Wenn wir der Lüge und Unredlichkeit verfallen, versündigen wir uns an dem heiligen Geist, der unsere Herzen lenkt.
Autor: William Barclay
Vielleicht - Vielleicht auch nicht.
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