
Zitat von
luxdei
Es ist Dualismus nur in einem etwas anderen Gewand.
So liegt Deinen Ausführungen beispielsweise die Trennung zwischen negativer und positiver Theologie zu Grunde. Ebenso zwischen "substantiell" und "weltlich"...
Die denkende und fühlende Instanz in uns ist Teil der Schöpfung, deren Wesen Dualität ist. Aus ihr kann kein schlüssiges monistisches Konzept erwachsen. Oder um Eckhart aufzugreifen: Man kann sich nicht aller Bilder entledigen, indem man sich neue schafft.
Aber darum geht es doch auch gar nicht.
Natürlich kann niemand in den weltlichen Strukturen ein schlüssiges, hier auf Erden tatsächlich verwirklichtes monistisches Konzept erwarten, weil es nun einmal völlig der Alltagserfahrung zuwider ist und sich darin nicht leben lässt, wie wir leben müssen. Wir sind ja im Dualismus und das lässt sich nicht ändern. Muss es auch nicht.
Ich behaupte ja auch nicht das der Dualismus etwas schlechtes oder gar böses sei und unbedingt hier in der Welt überwunden werden muss.
Aber spirituelle und religiöse Fragen gehen doch immer und ausnahmslos über die Welt hinaus und versuchen Bezug zu nehmen zur Transzendenz, zu einem Höheren. Das liegt doch im Wesen alles Religiösen verborgen und da wäre es schon reichlich unfair, wenn nun ausgerechnet meine Wünsche bzgl der Entwicklung des Christentums, der Entwicklung der Spiritualität und Religiösität darauf keinen Bezug nehmen dürfte. Der Gläubige sucht doch immer innerhalb der weltlichen Strukturen nach etwas, was diese weltlichen Strukturen durchbricht und über sie hinausweist. Das ist kein Mangel "meines Konzeptes", sondern das Wesen und Herz aller lebendigen Beziehung zwischen Mensch und Gott.
Die Gegensatzpaare "positive Theologie" und "negative Theologie", "substantiell" und "weltlich" habe ja auch nicht ich erfunden, sondern sie sind ganz einfach Teil dieser Welt und ich versuche sie lediglich genauer zu bestimmen und sozusagen mit Sinn zu füllen. Darin eine Wertung sehen zu wollen, nach dem Motto "besser und schlechter" wird ja dem Thema nicht gerecht, weil sich nun mal in dieser Welt jeder Begriff auch durch sein Gegenteil definiert. Das ist doch ganz normale a priori vorgegebene Art denken und sich erklären zu müssen. Das kann ich in meinen Ausführungen ja nicht unberücksichtigt lassen, sonst müsste ich mit euch ja in Zungen reden , oder sowas...;-)
Nein, ich glaube das Problem, dass Du und vielleicht auch Snoopy mit meinen Ausführungen habt ist ein anderes. Ich vermute ihr stört euch an der Aussage, dass man sich in dieser Welt als ganz bestimmte, also so und nicht anders zu verstehende substantielle Einheit begreifen sollte. Wahrscheinlich seht ihr euch in dieser Aussage gedrängt und es gehen die Warnlichter an und ihr denkt euch: "Jetzt aber mal langsam, liebes Provisorium".
Ich habe tatsächlich länger darüber nachgesinnt, was konkret an meiner Darstellung nun solch einen Widerspruch hervorrufen sollte, wo doch gerade hier bei den Gnadenkindern soviel Wert auf Toleranz gelegt wird. Und plötzlich, da kam es mir.
Jeder Mensch macht ja ganz eigene Erfahrungen in seinem Leben und die sind ihm natürlich lieb und teuer und da sich jeder Mensch in seinem Leben auch so allerhand Gedanken macht, ist es vielleicht schon allein deshalb eine Zumutung, wenn da einer kommt und etwas für unbedingt sinnvoll oder sogar als den besten Weg zu einer spirituellen Erfahrung und Gottbezogenheit hält, von dem ich selbst noch nie etwas gehört habe und worüber ich mir auch noch nie Gedanken gemacht habe. Instinktiv weiß man dann, dass dies nicht sein kann, denn tatsächlich hat man ja selbst eine lebendige Beziehung zu diesem Gott und da spielen Begriffe wie "substantielle Einheit" und dieser komische Meister Eckhart überhaupt keine Rolle. Das was der uns also erzählen will, kann ja gar nicht sein und in dieser Intention liest man dann auch die Posts vom Provisorium und sucht (mehr oder minder) unbewusst nach dem Fehler im System.
An dieser Stelle und falls dem tatsächlich so sein sollte, kann ich volle Entwarnung geben! In meiner Vorstellung ist nichts, aber auch rein gar nichts besser oder schlechter, richtiger oder falscher, gottgefälliger oder sündhafter an eurem Weg, als an meinem! Und das meine ich wirklich so. Ich kann a) aus meiner subjektiven Positionen heraus sowieso keinerlei gültige Aussage über die "Qualität" eurer individuellen Gottesbeziehung und eurem spirituellen Weg treffen. Und b) bin ich aufgrund meines individuellen Glaubens der festen Überzeugung, dass aus der Perspektive Gottes heraus kein Weg besser oder schlechter ist und er von unseren Wegen völlig und in Gänze unberrührt bleibt!
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, fast schon ein Dogma meines Glaubens als Vertreter der negativen Theologie. Mir steht also nicht nur kein Urteil über andere Gläubige zu, ich glaube auch tatsächlich nicht daran, das Gott dem einen Menschen näher und dem anderen ferner steht.
Allerdings, und da schießt sich dann der Kreis, ist für den Gläubigen selbst und für die Menschen um ihn herum, für seine Nächsten also und die ganze Welt in der wir leben, seine individuelle Beziehung zu Gott und der Weg den er persönlich geht, für die "Qualität" seiner Gottesbeziehung von herausragender Bedeutung. Da reicht die Spannweite vom völlig überzeugten Atheisten oder Antichristen, über den Agnostiker, bis hin zum Heiligen. Jeder Mensch erlebt seine Gottbezogenheit also anders und geht seinen eigenen Weg und das hat Auswirkungen in der Welt, wie ja überall zu sehen ist.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was das bedeutet und wie man das bewerten muss. Für uns Menschen, nicht für Gott, macht es einen fundamentalen Unterschied, wenn ein Gläubiger zur Überzeugung gelangt, er müsste sich, um ein gottgefälliges Leben zu führen, in einer Menschenansammlung in die Luft sprengen, oder er muss jedem armen Menschen etwas Gutes tun. Angesichts dieser Unterschiede ist man versucht sehr schnell sich anzumaßen, man könnte diese unterschiedlichen Verhaltensweisen aus der Sicht Gottes beurteilen; aber das können wir nicht. Wir haben keinen blassen Schimmer was Gott darüber "denkt".
Aber instinktiv wissen wir, oder glauben zu wissen, dass der Terrorist nicht im Willen Gottes gehandelt hat. Das ist auch ok, aber woher kommt dieses "Wissen"? Die einen werden auf die Bibel hinweisen und sagen, dass es dort heißt, dass man nicht töten soll. Ein anderer würde vielleicht sagen, dass Gott das Lebenfördernde ist und lehnen deshalb den Terroristen ab. Beide haben Recht, aber sie können eben nur aus ihrer individuellen Sicht heraus argumentieren und diese soll man ja gerade nicht absolut setzen.
Deshalb bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man sich von Gott kein Bild machen soll und das hat für meinen Glauben eben zur Folge, was ich hier bereits ausführlich erläutert habe. Jetzt könnte man natürlich fragen, ob dadurch nicht alles egal würde. Ich sage nein, denn auch wenn wir nicht dazu in der Lage sind aus der Sicht Gottes heraus zu argumentieren, können wir eben doch aus unserer Sicht argumentieren. Man gibt durch sein Leben ein Beispiel und bestimmt auf diese Weise ganz maßgeblich, wohin sich diese Welt entwickeln wird. Jesus z.B. hat in meiner Vorstellung zu einem spirituellen Weg eingeladen und dieser Weg wird einen verändern. Das tut er aber nicht eindeutig und immer auf die gleiche Weise, weil unterschiedliche Verstehensweisen diesen Weg betreffend, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es liegt also an uns, an allen, wie wir seiner Einladung folgen wollen.
Wenn dieser Jesus nun sagt, dass man seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst, dann drückt sich darin eine Aufforderung aus, dem Nächsten Gutes zu tun. In uns ist ein Antrieb uns selbst und unsere Familie zu schützen und zu bewahren. Instinktiv suchen wir die Nähe zu anderen Menschen. Staaten wurden gegründet um das Zusammenleben zu organisieren und zu fördern. Eine lebenserhaltende und -bewahrende Kraft ist da am Werk, die sich die Welt untertan machen möchte und in alle Bereiche der Welt eindringen will. Wir leben und wir leben nicht nur für uns allein. Da ist es unsere Aufgabe das Leben zu fördern, das Fortkommen unserer Kinder zu sichern und Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Um dieses Streben zu entwickeln, brauche ich nicht einmal einen Glauben, das ist in uns drin, das muss so sein.
Nicht zuletzt der Glaube dient in diesem Sinne dem Fortkommen der Gesellschaft, der Befriedigung unserer Bedürfnisse. Auch der Glaube ist für den Menschen da und zwar für alle! Inwieweit und auf welche Weise ich dem Glauben nun aber Raum in meinem Leben gebe und was er dann mit mir und in der Folge auch mit meinem Nächsten macht, ist ganz alleine Sache des Einzelnen, in Reaktion und Interaktion mit seinen Nächsten. Wir Menschen gestalten das und tragen diesbezüglich Verantwortung füreinander.
Den Weg, den dieser Jesus beschrieb, mag ich ja auch unterschiedlichste Weise verstehen können, aber er wird immer ein Weg bleiben, den ich in der Auseinandersetzung mit meinem Nächsten beschreite und deshalb meinte Christus auch, dass die Gebote nicht für Gott, sondern für den Menschen gemacht sind. Es ist deshalb ganz und gar nicht egal, wie man seinen Glaubensweg gehen möchte, da es immer Auswirkungen in dieser Welt hat und wir alle an dieser Welt bauen, partizipieren und über ihr Schicksal mitentscheiden. Und nur aus dieser Einsicht heraus halte ich es persönlich für wünschenswert, dass sich der Mensch als substantielle Einheit in Gott versteht. Es ist das "lebensförderlichste Konzept" das ich kenne und in diesem Sinne verstehe ich auch die Einladung dieses Jesus.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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