Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
Uii, die hatte ich ja völlig überlesen. Und tatsächlich, stimmt ja. So wird's sicher sein...Du bist jetzt mein Gnadenkinder-Orakel...:-)
Gläubig-Ungläubig, oder noch besser Rechtgläubig - und verirrt. Dann kann man sich auch innerhalb ein- und derselben Religion noch abheben! Mit der Heiligkeit hätte man dann schon eine Exklusivität erreicht, die eigentlich nicht zu toppen ist, oder gibt es unter Heiligen auch noch Abstufungen?
Aber man darf auch nicht unfair werden. So Gegensatzpaare und Exklusivitätsansprüche begegnen uns ja nicht nur in der Religion. Da verhält sich die Religion nur weltlich, oder die Welt religiös - ganz wie man will. Oh, und wieder ein wunderschönes Gegensatzpaar gefunden...;-)
Ja, die elendige "Schwarzweißdenke"...
Das ist ja interessant. Wie könnte sie denn tiefgängiger werden?
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
Wie ich schon schrieb, fehlt mir das auch in der gängigen christlichen Verkündigung:
Die mit dem 'normalen Verstand' konkret nachvollziehbare Verbindung zwischen der Lebensrealität und den Glaubenswahrheiten.
Sehr oft werden bestimmte Aussagen einfach 'gesetzt', irgendwie irrational und wenn man anfängt, darüber nach zu denken, sträubt sich einem der Verstand und sagt "Das kann doch nicht sein."
Besonders in Situationen seelischer Not. Solange alles 'in Butter' ist, fällt es mir nicht so schwer, Dinge, die ich nicht begreifen kann, einfach so stehen zu lassen. Aber in mir empört sich alles dagegen, wenn ich beispielsweise höre, wenn Eltern, die um ihr Kind trauern, zum Trost gesagt wird: "Gott hat das nicht gewollt, aber er hat das zugelassen."
Was soll man denn in einer Situation, in der einem der Boden unter den Füssen wegbricht, mit einem Glauben an einen Gott anfangen, der die Katastophe, in der ich mich gerade befinde, nicht will, sie aber doch zulässt? Woran soll ich mich denn da halten? Komme ich mir denn da nicht total hilflos ausgeliefert vor wie "ein Gefäss seines Zorns" wie in Römer 9:
"20 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? 21 Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?
22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren,
23 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit."
Und auch bei mir selbst stelle ich fest, je weniger ich meinen Verstand an meinem Glauben beteilige und mir gestatte, bestimmte Dinge bis zum Ende zu durchdenken, um so mehr klafft meine Lebensrealität auseinander, zerfällt in einen Teil 'Glaubensleben' und in ein Teil 'weltliche Existenz', - und diesen Zwiespalt spüre ich mal mehr, mal weniger deutlich.
Aber für mich ist es wichtig, mir auch über meine Beweggründe und Ziele dabei im Klaren zu sein.
Wenn man mit der Motivation daran geht, alles ergründen und verstehen zu wollen, um es dann nicht mehr 'nötig' zu haben, 'einfach' zu glauben - dann kann das zu einem Hindernis werden. Denn das 'Verstehen' - so weit es mit unserem menschlichen Verstand überhaupt möglich ist - kann den Glauben nicht 'ersetzen', dieser Schritt wird nur 'verlagert.
Das richtige Erkennen führt eigentlich immer nur in die Selbsterkenntnis im Angesicht Gottes, in die Erkenntnis, der eigenen 'Nacktheit', wie schon Adam und Eva, nachdem sie vom Apfel der Erkenntnis gegessen hatten, ihre Nacktheit erkannten und sich vor Gott zu verbergen versuchten.Und der Versuch, diese 'Blösse' zu bedecken, führt in die Trennung von Gott. Dahinter steht der Wunsch die Einsicht in die eigene menschliche Unvollkommenheit nicht ertragen zu wollen und die Angewiesenheit und Abhängigkeit als Geschöpf von seinem Schöpfer, in dem der Ursprung, das Ziel und der Sinn des Lebens begründet liegen.
Aber auch der Verstand kann in dieser falschen Weise eingesetzt werden, wenn man Gotteserkenntnis sucht, um sich über eigene 'niedrige Kreatürlichkeit' zu erheben und über den 'göttlichen Funken' der Erkenntnis zur 'Erleuchtung zu kommen und darin dann Gott gleich zu sein. So weit über dem Schmutz des Irdischen und auch des eigenen weltlichen Tuns erhaben zu sein, dass man der Vergebung nicht mehr bedarf, Gottes ausgestreckte Hand nicht mehr benötigt, weil man selbst schon die höchsten Höhen erklommen hat.
Ganz ehrlich gebraucht führt der Verstand aber dazu, dass man sich selbst nicht nur in seiner 'Nacktheit vor Gott' erkennt, sondern auch in der Sünde, mit der man versucht, diese 'Schwäche' auszubügeln, womit wir diese Blösse bedeckt haben:
"Nun aber legt alles ab von euch: Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde; 9 belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen
10 und den neuen angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat.
11 Da ist nicht mehr Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Sklave, Freier, sondern alles und in allen Christus.
12 So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;
13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit." Kolosser 3
Mit dieser Aufforderung ist aber jeder Mensch schlichtweg überfordert - das sagt uns auch unser Verstand (und unsere Erfahrung), das geht wiederum nur aus dem Glauben und wird auch hier so begründet:
" 3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott."
Das ist die Grundlage unserer Identität als Christen und über das "Leben, das mit Christus verborgen ist in Gott" kann auch unser Verstand nicht 'verfügen', er kann auch nur immer wieder in die Selbsterkenntnis führen und damit zum bewusst entschiedenen Glauben.
Ja, das berührt insgesamt die Frage nach der Theodizee. Die könnte tatsächlich im Christentum auch anders behandelt werden. Ich sag' da jetzt mal nix weiter zu, aber wer mag kann sich ja diesbezüglich mal folgenden Artikel durchlesen. Im Christentum gibt und gab es nämlich schon länger eine Sichtweise, die vielleicht eine befriedigendere Antwort auf die Theodizeefrage gefunden hat: http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_1933/
Da kann ich Dich sehr gut verstehen. Ich kann das auch nicht haben, wenn mein Verstand und mein Glauben nicht zumindest Hand in Hand gehen können.
Deswegen meinte ich, sie sollten Hand in Hand miteinander gehen können.
Aber kam die Erkenntnis der Nacktheit nicht erst nach dem Sündenfall und ist das dann das richtige Erkennen?
Gottes ausgestreckte Hand liegt ja in der Vergebung und in der Einladung alle Mühsal, Sünde und Trübsal bei ihm zu lassen und dadurch frei zu werden. Natürlich macht dann letztlich er allein davon frei, aber ich muss nun einmal auch bereit sein, es frei zu lassen und auf diese Weise ergreife ich dann seine Hand...
Aber sicher, solche Überheblichkeiten mag es geben.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
Das Erkennen von 'gut' und 'böse' durch den 'Apfel der Erkenntnis' führte zur Erkenntnis der eigenen Nacktheit und dem Wunsch, diese zu bedecken und sie und sich vor Gott zu verbergen:Zitat von Provisorium
"Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
...
Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich."
- Sie führte also in die Tennung von Gott, und die anschliessende 'Vertreibung aus dem Paradies' ist letzendlich nur die logische Konsequenz daraus.
Ja, das meinte ich ja. Die Erkenntnis der Nacktheit kam nach dem Sündenfall. Im Augenblick des Essens von der verbotenen Frucht wurden ihnen die Augen aufgetan und sie mussten dann z.B. zwischen gut und böse unterscheiden, lebten also verstandesmäßig plötzlich in einem Dualismus. Das war wohl zuvor nicht so und darum sehe ich persönlich darin einen Hinweis, dass die "richtige Erkenntnis Gottes" eben nicht im Dualismus, sondern in der Einheit mit ihm liegt.
Aber natürlich muss man das nicht so sehen.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
Ja, das sehe ich auch so.Zitat von Provisorium
Aber diese Einheit kommt nicht dadurch zustande, dass 'unser göttliche Funke' sich seiner 'Göttlichkeit' bewusst wird und auf diese Weise den 'irdischen Teil' seiner Existenz hinter sich lassen kann. Der menschliche Verstand kann trotz allem nicht über seine Begrenztheit hinaus, unser Erkennen bleibt zeitlebens Stückwerk und sobald es 'verabsolutiert' wird, wird die erkannte Wahrheit verfälscht.
Schon allein der Versuch, sich etwas vorzustellen, das jenseits der Grenzen von Raum und Zeit liegt, überfordert unseren Verstand, der gerade dieser Begrenzung auch unterworfen ist. Deshalb gibt es Erkenntnis des Göttlichen immer nur in der 'Relativität', nie in der 'Absolutheit'.
Erkenntnis gibt es immer nur den weltlichen Strukturen und insofern ist sie dann tatsächlich auch nur Stückwerk. In der Einheit selbst kann nichts erkannt werden, aber das Erkennen setzt ja in einem lebendigen Sein immer wieder ein, es geht ja gar nicht anders. Das führt dann eben zu der Erkenntnis, dass auch die höchste Erkenntnis nur kreatürlich und geschaffen ist und man auch von ihr wieder lassen muss, um in die Einheit genommen zu werden. Das ist der Erkenntnisprozess, den Eckhart "Sohnerkenntnis" nannte. Hier ist das bei Interesse nochmal ausführlicher erläutert: http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_391/
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
Lesezeichen