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  1. #171
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    Thema: Wohin entwickelt sich das Christentum?

    Vielleicht ist das ja gerade auch ein Problem des Christentums, weil es in einigem das ursprüngliche Verständnis mit anderem ausgetauscht hat.

  2. #172
    Effi Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Alef Beitrag anzeigen
    Thema: Wohin entwickelt sich das Christentum?

    Vielleicht ist das ja gerade auch ein Problem des Christentums, weil es in einigem das ursprüngliche Verständnis mit anderem ausgetauscht hat.


    Alef

    Dachte ich mir auch schon so. Ich merke jedenfalls zunehmend, dass mir das ursprüngliche Verständnis näher steht.

  3. #173
    Effi Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Alef Beitrag anzeigen
    Ich vermute mal, dass Eckart schon ähnliches sagen wollte, aber mit seiner „Philosophie“, seinen "Worten". Wenn man aber nichts mehr Wissen darf, sollte man dann auch die Philosophie beiseite legen, denn diese kann das grösste Hindernis der Demut sein.
    Eben, darin sehe ich u.a. die Widersprüchlichkeit, die ich vorhin erwähnte.

    Zitat Zitat von Alef Beitrag anzeigen
    Aber vor diesem Gott ist der Mensch kein „Nichts“ sondern ein DU: „Du, ich habe dich lieb“, ein Mitfühlen mit mir.
    Ja, so... :-)

    Zitat Zitat von Alef Beitrag anzeigen
    Dieser "kalte", ja fast unpersönliche Gott, der nicht mitfühlt, ist dem "biblischen" weit entfernt. Es wird Überschneidungspunkte geben, aber auch Dinge, die sich diametral gegenüberstehen.
    Mich stört an solchen Philosophien, dass sie nur für Auserlesene gemacht sind, nämlich jene, die sie verstehen können, die Zugang finden und haben, wie auch immer. Hab ich vorhin ja zitiert. Ich verstehe Eckarts höheren Sinn von Armut nicht, kann ihm nichts abgewinnen. Es soll nichts sein und doch so viel. Es geht um ein "Etwas" in unserer Seele. Das "Etwas" darf wieder was sein, ist was ganz besonderes, das unter Intellekt und göttliche Einheit fällt, wenn ich's richtig verstanden habe. Provisorium, wie kannst du das alles verstehen?

    Zitat Zitat von Alef Beitrag anzeigen
    lailah tov

    Alef
    Gute Nacht (habe ich ergoogelt ;-)),
    Effi
    Geändert von Effi (20.03.2013 um 22:29 Uhr)

  4. #174

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    guten Morgen,

    Mt 5,3 Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel.

    Bezieht sich auf:

    Jes 57,15 Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: In der Höhe und im Heiligen wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen.


    Wer Arm ist, hat Mangel, ist nicht gesättigt. Der geistlich/geistig Arme erkennt sein Ungenügen vor Gott. Er Überhebt sich nicht seiner Geistlichkeit, Frömmigkeit, Erkenntnis, seinen guten Taten, sich besser fühlen / leben als andere, usw.

    Math. 25, 31-46 Schafe und Böcke vor Gericht, der „geistlich Reiche“ = die Motivation waren gute Taten zu vollbringen, besser als andere zu sein, der „geistlich Arme“ = der Gerechte ist sich seiner Taten nicht "bewusst", es ist seine Lebenshaltung.

    Thema: Wohin entwickelt sich das Christentum...

    vielleicht gelingt es dem "Christentum", wieder hungrig zu werden?
    Vielleicht schweigen irgendwann die vorformulierten Antworten und "Grundsätze"?
    Vielleicht wäre es "wacher" und "neugieriger", wenn es alle festgelegten Antworten vergißt, wenn Fragen neu gefragt werden und einfach nichts mehr schlechthin "logisch" oder "biblisch eindeutig" sein muss?
    Wenn die Beziehung zum Schöpfer nicht mehr mit (unterschiedlich versteh- und auslegbaren) Bekehrungen, Riten oder ähnlichem, sondern mit einfachem Fragen und Leben beginnt...

    Vielleicht käme Beziehung und Liebe auch mehr in den Vordergrund als Worte und Bücher...
    Vielleicht gäbe es dann kein "du musst... sonst bist du verloren", sondern ein aufeinander achtendes "du darfst... dann ist dein Leben zielgerichteter"...

    vielleicht wäre das Leben, Beziehungen mit dem Schöpfer und den Mitmenschen- einfacher? intensiver, neugieriger, nicht formell...
    weil keiner "mehr wissen kann oder muss", sondern alle abhängig bleiben von dem EINEN, in jeder Minute, in jedem Handeln und Denken.

    aber vielleicht sind das auch einfach zu viele "Vielleichts" für Religionen allgemein?

    lg bonnie

  5. #175

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    Wer Arm ist, hat Mangel, ist nicht gesättigt. Der geistlich/geistig Arme erkennt sein Ungenügen vor Gott. Er Überhebt sich nicht seiner Geistlichkeit, Frömmigkeit, Erkenntnis, seinen guten Taten, sich besser fühlen / leben als andere, usw.
    Vielleicht sind heutzutage unsere 'Hände' in jeder Hinsicht auch einfach nur zu voll, um empfangen zu können - und damit stehen wir uns selbst im Weg.

    So wie ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher in das Reich Gottes und der ein zur Nachfolge Jesu Aufgeforderter traurig von dannen ging "denn er hatte viele Güter".

    Es ist nun mal eben so : "Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz" - und wenn das Herz bereits vergeben ist, kann Gottes 'Liebeswerben' nicht mehr auf fruchtbaren Boden fallen und grosse Resonanz hervorrufen.

    Nicht umsonst erinnern sich Viele erst wieder an ihren verschütteten Glauben, wenn ihnen durch einen Schicksalsschlag die 'Leere ihrer Hände' deutlich vor Augen kommt.

  6. #176
    Effi Gast

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    Zitat Zitat von Padma Beitrag anzeigen
    Es ist nun mal eben so : "Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz" - und wenn das Herz bereits vergeben ist, kann Gottes 'Liebeswerben' nicht mehr auf fruchtbaren Boden fallen und grosse Resonanz hervorrufen.
    Welche Bedeutung hat für dich "und wenn das Herz bereits vergeben ist..."? In meinem Herzen, in meinem Innern spüre ich genug Raum für Liebe, Zuneigung, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit... zumindest habe ich den Eindruck, das Gefühl. Ich wollte mich nicht zwischen Gott und anderem mir Wertvollem entscheiden müssen. Für mich gehört das alles zusammen, daher schrieb ich auch von lebenspraktischem Glauben, der meine Lebenspraxis begleitet.

  7. #177

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    "Das Herz bereits vergeben" dh "wo der Schatz ist" bedeutet für mich:
    Dasjenige, vn dem her ich den Sinn in meinem Leben beziehe, von dem her ich entscheide, was in meinem Erleben und Tun ich als "gut und sinnvoll" empfinde und was ich als "negativ, falsch und überflüssig/vergeblich" einordne.
    Oder mit anderen Worten: womit ich mich - bei meinem Erleben und Handeln - 'identifiziere' und was ich ablehne, oder noch anders: die Grundlage für mein 'Identitätsbewusstsein'/Selbstverständnis.

    Auf eben dieser Grundlage 'verwirkliche ich mich selbst' (oder auch nicht, wenn ich daran gehindert werde).

    Und wenn diese Grundlage schon "besetzt" ist, wenn ich den Sinn (oder 'Unsinn') in meinem leben nach anderen Kategorien festlege und beurteile - als nach dem, was der Schöpfer dieses Lebens dafür vorgesehen hat - , mache ich mich in meiner "Selbstverwirklichung" auch davon abhängig. Ich kann mich nur dann glücklich und zufrieden fühlen, wenn ich in Übereinstimmung mit meinen Zielen (dh dort wo mein Schatz und somit auch mein Herz ist) leben kann. Denn nur ein so ausgerichtetes Leben fühlt sich für mich dann als "sinnvoll" an.

    Da heutzutage sehr viel mehr "machbar" ist als früher, kommen wir viel weniger schnell an unsere Grenzen und können uns viel länger etwas vor machen und uns darüber hinweg täuschen, wie abhängig wir uns von bestimmten Dingen (materiell oder auch ideell oder zwischenmenschlich) gemacht haben. Um so tiefer ist dann aber der Absturz in die "Sinnlosigkeit", wenn so ein Kartenhaus aus dann doch einmal einstürzt....

  8. #178
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    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Ich las jetzt erstmal nur die Predigt und überflog die Auslegungen lediglich. Ich muss sagen, dass mir diese Art des Denkens und Glaubens sehr fremd ist.
    Die Armutspredigt Eckharts ist ein meditativer und vielleicht auch ein Stückweit ein philosophischer Text. Deshalb erschließt er sich vielleicht nicht sofort und wirkt deshalb fremd für unsere Ohren?

    Vielleicht hast Du die Auslegung der Predigt ja doch noch gelesen, dann bist Du im Laufe des Textes einer Dame vorgestellt worden: Marguerite Porete.
    Marguerite hatte in ihrer französischen Landessprache ein Buch geschrieben mit dem Titel "Spiegel der einfachen Seelen". Inhalt des Buches ist die Beziehung der menschlichen Seele zu Gott. Marguerite stellt in ihrem Text fest, dass die Seele des Menschen von Natur aus so geartet ist, dass sie sich immer mit Gott in der Einheit befindet und beschreibt dann in Dialogform, wie sich die menschliche Seele dessen bewusst werden könne.

    Das war der Kirche natürlich massiv ein Dorn im Auge, denn den Weg den Marguerite beschrieb, machte eine Institution Kirche eigentlich überflüssig. Deshalb wurde sie von der Inquisition angeklagt und 1310 schließlich auch verbrannt, nachdem sie sich geweigert hatte zu widerrufen.

    Für die Inquisitionsprozesse waren in der katholischen Kirche immer die Dominikaner zuständig. Eckhart war Dominikaner und deshalb natürlich auch mit diesem Fall vertraut. Allerdings und nur nebenbei, weil es tatsächlich bemerkenswert ist, ist trotz intensiver Forschung kein einziger Fall bekannt, in dem Eckhart einen Menschen verurteilt hätte. Im Gegenteil!

    Die Armutspredigt Eckharts ist sein Versuch 10 Jahre nach der Verbrennung von Marguerite, ihren Text zu rehabilitieren und entspricht somit quasi einem posthumen Freispruch Poretes, von einem der einflussreichsten Theologen dieser Zeit.

    Eckhart hat sich damit selbst in Gefahr gebracht und tatsächlich wurde er weitere acht Jahre später ebenfalls angeklagt und verurteilt.

    Es ist wichtig die Zusammenhänge zu verstehen, sonst wird man seiner Predigt nicht gerecht. Wir sprechen hier schließlich über einen 700 Jahre alten Text, der zudem auch noch ein Stückweit eine Verteidigungsrede war. Da ist es gut, dass Eckhart deutliche Worte gefunden hat und von "unverdeckter Wahrheit" sprach! Im Klartext heißt das nämlich nichts anderes als: Nein, wir brauchen keine Kirche um mit Gott verbunden zu sein. Nein, wir brauchen kein Christentum, keine anderen -tümer, -ismen, Religionen oder sonstwas. Denn unsere Seelen sind substantiell mit Gott verbunden, jede Seele, ausnahmslos. Keine besondere Gnadenausstattung ist nötig, kein besonderes Bekenntnis, nichts dergleichen. Keine Ideologie, keine bestimmte Sichtweise, kein besonderer Weg ist nötig, um mit Gott verbunden zu sein. Eckhart spricht von der Natur der Seele und die ist immer geborgen in Gott und mit ihm in der Einheit.

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Ich zitiere zunächst einige wenige Aussagen aus der langen Predigt, etwas wahllos, nicht gezielt, weshalb ich hoffe nichts aus dem Zusammenhang zu nehmen. Ich möchte drunter meine Eindrücke dazu aufschreiben.
    Die Predigt ist eigentlich ganz klar gegliedert, aber ich will trotzdem mal versuchen auf Deine Eindrücke einzugehen.

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Soll der Mensch arm sein an Willen, dann darf er so wenig wollen und verlangen, als er wollte und verlangte, als er nicht war. Und in diesem Sinne ist der Mensch arm, der nichts will.

    Wer nun arm sein soll an Geist, der muss arm sein an allem eigenen Wissen, so dass er überhaupt nichts weiß – weder Gott noch Geschöpfe noch sich selbst. Dazu ist es notwendig, dass der Mensch frei darauf verzichte, die Werke Gottes zu wissen oder sonst zu erkennen. In diesem Sinne kann der Mensch arm sein an seinem eigenen Wissen.

    Als ich aus Gott herausfloß, da sagten alle Dinge: Gott ist. Aber das kann mich nicht selig machen, denn hierbei bekenne ich mich als Geschöpf. Hingegen beim Durchbrechen – da stehe ich losgelöst von meinem Willen und vom Willen Gottes, von allen seinen Werken und von Gott selbst; da stehe ich oberhalb von allen Geschöpfen. Da bin ich weder Gott noch Geschöpf, ja, da bin ich das, was ich war und bleiben werde, jetzt und für immer.

    Wer diese Rede nicht versteht, der mache sich deswegen in seinem Herzen keine Sorgen. Denn solange der Mensch dieser Wahrheit nicht gleich wird, so lange wird er diese Rede nicht verstehen, denn sie ist unverdeckte Wahrheit, wie sie unvermittelt aus dem Herzen Gottes kommt.

    Provisorium, ich muss jetzt schreiben, dass ich auch meine, dass dahinter eine Ideologie steht. Alleine die Art des Redens erschreckt mich.
    Kannst Du das bitte noch etwas konkretisieren? Was ist Dir denn unklar? Was erschreckt Dich? Wo siehst Du hier eine Ideologie?

    Eckhart spricht hier von der Natur der menschlichen Seele. Er baut keine Ideologie auf, sondern er spricht von unserem innersten Grund, unserem Wesen. Ideologen sagen aber, dass man erst, wenn man das so oder so sieht, oder so oder so macht, dann erst sieht oder macht man es richtig. Und in Religionen bedeutet das, dass man erst dann richtig mit Gott verbunden ist, wenn man es so oder so sieht oder denkt oder macht.

    Eckhart erklärt dem klar eine Absage. Nicht erst wenn Du Dich auf ganz spezielle Art und Weise verhältst, oder denkst, oder Dich bekennst bist Du mit Gott verbunden, sondern Du bist es immer und jeder Mensch ist es. Ganz egal wie er denkt, fühlt, glaubt und sich verhält. Er formuliert eine deutliche Absage an jede Form von Ideologie die meint, sie sei notwendig um den Menschen mit Gott zu verbinden. Wo also ist hier eine Ideologie verborgen? Ich verstehe es wirklich nicht!

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Das hier ... Nun beschwöre ich euch, ihr möchtet so sein, dass ihr diese Lehre verstündet. Denn bei der ewigen Wahrheit, ich sage euch: Kommt ihr der Wahrheit nicht gleich, von der wir nun reden wollen, dann werdet ihr mich nicht verstehen. ... sagte ein Mensch und er wirkt damit überheblich auf mich.
    Hältst Du Eckharts Armutspredigt für leicht verständlich? Eckhart war bewusst, dass seine Predigt eben nicht leicht verständlich ist. Gleichzeitig war er von der Wahrheit, von der Richtigkeit seiner Worte völlig überzeugt und deshalb sehnt er sich danach, dass die Menschen ihn verstehen würden. Ich denke das diese Art zu reden 1320 völlig normal war. Und Eckhart war damals einer der größten Theologen seiner Zeit. Ich denke er musste auch mit dieser Autorität auftreten.

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Ebenso wie dies... Wer diese Rede nicht versteht, der mache sich deswegen in seinem Herzen keine Sorgen. Denn solange der Mensch dieser Wahrheit nicht gleich wird, so lange wird er diese Rede nicht verstehen, denn sie ist unverdeckte Wahrheit, wie sie unvermittelt aus dem Herzen Gottes kommt.
    Aber er beruhigt doch nur die Menschen. Er sagt doch nur, dass man seine Predigt gar nicht unbedingt verstehen muss. Deshalb ist er ja auch kein Ideologe. Er weiß das es nicht nötig ist seine Predigt zu verstehen. Aber er weiß eben auch, dass er die Wahrheit spricht. Die Wahrheit das jeder Mensch substantiell mit Gott verbunden ist. Würde man das verstehen, würden auf einen Schlag sämtliche Gräben zwischen den einzelnen Religionen überwunden.

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Diese Predigt hat was Elitäres, weil darin irgendwie doch ein richtigster Weg beschrieben wird.
    Ist mir zu abgehoben und zu mystisch. Die Suche nach höheren Begriffen ist mir suspekt und verlässt mir zu sehr die rationale Vernunftsebene, die Überprüfbarkeit beinhaltet.
    Eckhart gehörte damals zur Elite, das kann man ihm also nur schwerlich vorwerfen. Es wird auch kein richtigster Weg beschrieben, sondern Eckhart beschreibt nur wie sich die Vernunft dieser göttlichen Einheit nähern kann. Die Vernunftebene wird hier eben gerade nicht verlassen. Das ist reinste neuplatonische Philosophie und baut damit völlig auf der Vernunft auf. Und überprüfbar ist der von Eckhart beschriebene Weg in gewisser Weise auch. Einmal weil es hier eben um Vernunftgründe geht und zum zweiten, weil der von Eckhart beschriebene Weg spirituell nachvollziehbar ist.

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Schau hier... In diesem ersten Grund bist du du, dort brauchst du nichts, begehrst folglich nichts. Begehren, Verlangen, Anstreben, dies alles setzt voraus, dass das Gute außer dir ist. Du bist aber im Guten. Du bist das Gute. Normalerweise stellst du dir Gott, die Welt und dich als verschieden vor. Aber im ersten Grund bist du Gott, Welt und Mensch.

    Ich merke nicht nur die Widersprüche, ich spüre sie auch. Einerseits ist man nichts und andererseits ist man wieder Gott, Welt und Mensch.
    Es ist mir lebensfremd. Ich beschäftigte mich evtl. auch schon zu viel rational mit Gehirnforschung & Co, als dass ich für solch Mystik empfänglich sein könnte.
    Hier ist vom ersten Grund des Menschen die Rede und dieser erste Grund ist die Einheit mit Gott. Einheit mit Gott bedeutet, dass Du aus jedem Unterschied, aus jedem Gegensatz herausgenommen bist. Du bist in der Einheit und also bist Du die Einheit. Ich halte das nicht für lebensfremd, sondern das schafft eine völlig neue Perspektive, aus der heraus sich das Leben meiner Meinung nach sehr viel bejahender erleben lässt.

    Und gerade die Gehirnforschung gibt Eckhart in vielen Dingen recht: Wenn Du magst kannst Du ja mal den Artikel "Das einfache Nichts. Der Gottesbegriff bei Meister Eckhart und die aktuelle Gehirnforschung" lesen. Ist der 8. Artikel von unten: http://www.philosophia-online.de/maf...sion_index.htm

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Gewiss hat man eine gewisse Sehnsucht nach irgendwas, wenn man den Wunsch verspürt sich gar von sich selbst ablösen zu wollen, aber ich kann das wirklich sehr schlecht nachspüren, schreib ich jetzt einfach mal so ehrlich auf. Dies ist nicht als Abwertung deines Lebenskonzeptes gedacht, nein, einfach nur meine schlichte Haltung dazu mitgeteilt.
    Ich löse mich nicht von meinem Selbst ab, sondern nur von allem Geschaffenen, das mein Selbst verdeckt. Erst so komme ich zu meinem Selbst.

    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Das hier finde ich traurig:
    Eckhart radikalisiert die geistige Armut. Sein armer Mensch stellt das Wollen ein. Er weiß nicht nur, dass er nichts weiß; er löst sich auch noch von diesem Wissen ab. Er läßt alles fallen. Mit nichts identifiziert er sich. Er hat keine Welt mehr.

    Für mich ist es wichtig eine Welt zu haben. Identifizieren ist bedeutsam, um empathisch sein zu können
    Ich verlasse auch nicht die Welt nur weil ich mich von ihr zu lösen trachte und alles fallen lasse. Bis zu meinem Tod werde ich Teil dieser Welt sein und das finde ich ganz prima. Aber gerade weil ich wissen darf, dass mich diese Welt nicht binden kann, fühle ich mich wahrhaft befreit für andere Menschen da zu sein und mich empathisch in sie einzufühlen, weil ich gleichzeitig auch noch weiß, dass ich substantiell mit ihnen verbunden bin.

    LG
    Provisorium
    Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)

  9. #179
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    Zitat Zitat von Effi Beitrag anzeigen
    Provisorium, wie kannst du das alles verstehen?
    Ich nehme Eckharts Armutspredigt dann mal ein bisschen auseinander und versuche sie selbst und mit meinen eigenen Worten auszulegen, damit sie vielleicht bisschen verständlicher wird. Das Fettgedruckte dient allein der besseren Lesbarkeit und Unterscheidung meines Textes, von Eckharts Predigt. Eckharts Predigt ist kursiv geschrieben, meine Denke dazu fettgedruckt. Bitte nicht angeschrien fühlen.

    Die Seligkeit selbst öffnete den Mund der Weisheit und sprach: „Selig, die arm sind an Geist, denn ihnen gehört das Himmelreich“.

    Alle Engel, alle Heiligen und alles, was geboren wurde, alle müssen sie schweigen, sobald die Weisheit des Vaters spricht. Ist doch alle Weisheit der Engel und aller Geschöpfe reine Torheit vor der unergründlichen Weisheit Gottes.

    Und sie hat behauptet, die Armen seien selig.

    Nun gibt es zwei Arten von Armut.

    Einmal die äußere Armut. Sie ist gut und hoch zu loben – in einem Menschen, der sie um der Liebe unseres Herrn Jesus Christus willen frei erwählt. Auch er hat sie gehabt, als er auf der Erde war. Von dieser Armut will ich jetzt nicht weiter reden.

    Aber über sie hinaus gibt es eine Armut, eine inwendige, und auf sie bezieht sich das Wort unseres Herrn, wenn er sagt: „Selig, die arm sind an Geist“.

    Nun beschwöre ich euch, ihr möchtet so sein, dass ihr diese Lehre verstündet. Denn bei der ewigen Wahrheit, ich sage euch: Kommt ihr der Wahrheit nicht gleich, von der wir nun reden wollen, dann werdet ihr mich nicht verstehen.


    Das ist eigentlich nur Eröffnungsgeplänkel, mit einer kurzen Unterscheidung von äußerer Armut und innerer Armut. Äußere Armut ist uns allen bekannt und bezieht sich eventuell auf Mängel, materielle Not, Besitzlosigkeit und dergleichen.

    Als die Predigt 1320 gehalten wurde, wussten sicher alle Zuhörer was äußere Armut bedeutet. Deshalb wollte Eckhart auch heute nicht davon reden, obwohl er sie ausdrücklich lobt, wenn sie jemand freiwillig erwählt hat und das waren damals nicht eben wenige Menschen.

    Aber heute will Eckhart von innerer Armut sprechen. Armut beschreibt hier keinen Mangel oder irgendeine Form von Notstand, sondern den innersten Grund der menschlichen Seele. Die Seele ist dann als arm zu bezeichnen, wenn sie in der Seligkeit geborgen ist, wenn sie nichts Geschaffenes oder Kreatürliches umschlungen hält. Da wo die Seele das ist, was sie im ursprünglichsten Sinne ist, ist sie arm, ist der Mensch innerlich arm.

    Ihr habt mich gefragt, was das Wesen der Armut sei und was ein armer Mensch sei. Darauf will ich antworten.

    Bischof Albert lehrt, ein armer Mensch sei der, der kein Genüge findet an allem, was Gott je geschaffen hat. Das ist gut gesagt. Doch darüber hinaus: Ich sage es noch besser und nehme „Armut” in einem höheren Sinn:

    Ein armer Mensch ist, wer nichts will, nichts weiß und nichts hat.

    Von diesen drei Punkten will ich heute reden, und um der Liebe Gottes willen beschwöre ich euch, ihr möchtet diese Wahrheit verstehen, wenn ihr könnt. Und versteht ihr sie nicht, so sorgt euch darum nicht, denn ich will von einer Wahrheit sprechen, die so beschaffen ist, dass auch von guten Menschen nur wenige sie verstehen werden.


    Jetzt geht’s also los! Eckhart legt das Jesuswort „Selig, die arm sind an Geist“ aus. Er kommt sofort zu einer kristallinen Dreiteilung:„Ein armer Mensch ist, wer nichts will, nichts weiß und nichts hat.“

    Bitte im Hinterkopf behalten, dass es hierbei nicht um ein äußeres Verhalten oder Verhältnis geht, sondern um ein inneres. Es geht also nicht darum in der äußeren, materiellen Welt keinen Willen mehr zu haben, also z.B. keine Ziele mehr zu verfolgen oder ähnliches, sondern es geht um einen geistigen, um einen inneren Prozess.

    Erstens also behaupten wir, ein armer Mensch sei der, der nichts will.

    Diesen Satz verstehen einige Leute nicht richtig. Es sind die Leute, die sich in ihrem Selbstbezug an Bußwerke und äußere Übungen halten. Sie finden, das sei etwas Großes. Mir tun diese Menschen leid. Denn sie begreifen so wenig von der göttlichen Wahrheit. Dem äußeren Anschein folgend, nennen viele Leute sie „heilig”. Aber sie sind Esel. Innen sind sie Esel, denn sie begreifen nicht das Besondere der göttlichen Wahrheit. Auch diese Menschen behaupten, ein armer Mensch sei, wer nichts will.

    Eckhart spricht hier unseren Hinterkopf an. Es geht ihm nicht um äußere Werke, nicht um für andere sichtbare Werke, sondern um etwas innerliches.

    Sie erklären das aber so: Der Mensch soll so leben, dass er nirgends seinen eigenen Willen erfüllt, sondern immer nur danach strebe, wie er den liebsten Willen Gottes erfülle.
    Um diese Menschen steht es gut, denn ihre Absicht ist gut, deshalb wollen wir sie loben.
    Gott gebe ihnen in seiner Barmherzigkeit das Himmelreich.

    Eckhart spricht hier „klassisch religiöses Verhalten“ an. Der Mensch muss den Willen Gottes tun, dann ist er ein guter Mensch. Diese Art zu denken hat in der Vergangenheit immer für die Unterschiede in den einzelnen Religionen geführt, weil der Wille Gottes immer unterschiedlich interpretiert wurde und letztlich in bestimmten Positionen dann auch verbindlich und absolutgesetzt wurde. Eckhart erkennt wohl an, dass solche Menschen es gut meinen und deshalb wünscht er ihnen auch das Himmelreich, aber er erkennt auch gleichzeitig die Gefahr, die von solch einem Denken ausgeht und deshalb wendet er sich dagegen.

    Ich gehe aber noch weiter und behaupte bei der göttlichen Wahrheit: Diese Menschen sind nicht arm, und sie gleichen auch nicht armen Menschen. Leute, die nichts Besseres kennen, achten sie hoch. Aber ich behaupte: Sie sind Esel; von der Wahrheit begreifen sie nichts.

    Weil sie es gut meinen, werden sie das Himmelreich erlangen, aber von der Armut, von der wir nun reden wollen, verstehen sie gar nichts.

    Nochmal betont Eckhart hier, dass er niemandem aufgrund seines individuellen Verständnisses das Himmelreich absprechen will. Also nix da mit Absolutsetzung, oder Ideologie, oder „ihr müsst das jetzt so sehen wie ich das sehe, sonst war’s das“.
    Gleichzeitig will er aber erklären, wie er es persönlich sieht und weshalb es für ihn die Wahrheit ist. Dazu wählt er einen argumentativen Weg.

    Käme nun einer und fragte mich: Was wäre denn ein armer Mensch, der nichts will? So antworte ich ihm und argumentiere wie folgt:

    Solange der Mensch daran festhält, es sei sein Wille, den liebsten Willen Gottes erfüllen zu wollen, so lange hat er die Armut nicht, von der wir reden wollen. Denn dieser Mensch besitzt immer noch einen Willen, mit dem er dem Willen Gottes entsprechen will, und das ist nicht die wahre Armut.

    Denn der Mensch, der die wirkliche Armut hat, der ist völlig abgelöst von seinem geschaffenen Willen, so wie damals, als er noch nicht war. Denn ich sage euch bei der ewigen Wahrheit: Solange ihr den Willen besitzt, den Willen Gottes zu erfüllen und solange ihr Verlangen habt nach der Ewigkeit und nach Gott, so lange seid ihr nicht arm.
    Denn nur das ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts verlangt.

    Das Schlüsselwort in diesem Abschnitt ist „geschaffener Wille“. Was meint Eckhart damit? Eckhart ist philosophisch gesprochen Neuplatoniker. Ich kann an dieser Stelle jetzt unmöglich den kompletten Neuplatonismus erklären, aber grundlegend reicht es auch zu wissen, dass im Neuplatonismus alles Sein aus der Einheit kommt.

    Das glaubt der Neuplatoniker aber nicht mal einfach so, sondern er gibt ganz klare Vernunftgründe an, weshalb er das so sieht. Weiter vorne habe ich ja ein viel gerügtes Beispiel gegeben, warum wir Menschen auch das Absolute nur als Einheit verstehen können. Das mag nerven, aber es ist Neuplatonismus. Der Mensch denkt über sein denken nach und ihm wird dabei klar, dass er alles Sein immer und ausschließlich nur als Einheit betrachten, denken kann.

    Das ist keine böse Ideologie, sondern ganz einfach unsere Art zu denken. Falls jemand dazu in der Lage sein sollte irgendein Sein nicht als Einheit denken zu können, dann lasse er mich das doch bitte wissen. Ich werfe dann stante pede meine komplette Weltsicht über Bord!

    Aber zurück zum geschaffenen Willen Eckharts und sorry für den kurzen polemischen Ausfall.

    Wenn also alles Sein aus der Einheit kommt und nur als Einheit gedacht werden kann, dann müssen wir Menschen, bevor wir zu einer Kreatur, zu einem geschaffenen Wesen, zu einem Teil der Schöpfung, zu einem Menschen wurden, eben in dieser Einheit gewesen sein.

    Der Neuplatoniker nennt diese ursprüngliche Einheit lediglich Einheit, Eckhart hingegen gibt ihr in vielen Texten den Namen Gottheit, im Unterschied zu Gott, der für ihn eben schon Teil des geschaffenen Willens ist. Das wird später noch mal wichtig.
    Jetzt ist aber nur wichtig zu verstehen, was Eckhart mit „denn der Mensch, der die wirkliche Armut hat, der ist völlig abgelöst von seinem geschaffenen Willen, so wie damals, als er noch nicht war“ meint.

    Eckhart spricht hier von der „Zeit“ vor unserem „in die Welt treten“. Also der „Zeit“ bevor wir aus der Einheit heraustraten. Er spricht von unserem ersten Ursprung und in unserem ersten Ursprung waren wir eben in der Einheit mit Gott und insofern waren wir Gott.
    Erst als wir aus der Einheit hinaus in die Welt traten, bekamen wir einen geschaffenen Willen und Eckhart bezeichnet nun Armut an Willen, als den Willen, den wir ursprünglich in der Einheit hatten, nicht den, den wir jetzt als Willen haben. Er erklärt weiter:

    Als ich in meinem ersten Ursprung stand, da hatte ich keinen Gott, und da war ich Ursprung meiner selbst.
    Da wollte ich nichts. Dort verlangte ich nach nichts, denn ich war abgelöst von ihm und ein Erkennender meiner selbst im Genuss der Wahrheit.
    Da wollte ich mich selbst und sonst nichts. Was ich wollte, das war ich. Was ich war, das wollte ich.
    Und hier stand ich, abgelöst von Gott und allen Dingen.

    Abgelöst von Gott und allen Dingen bedeutet, dass ich mich als ursprünglich in der Einheit befindlich denkend, gegensatzlos eben diese Einheit bin. Da gibt es keinen Gott als Unterschiedenen, da ist alles eins. Da gibt es nichts, wonach ich verlangen könnte, denn es gibt ja nichts als nur die Einheit, in der alles in Einem vollendet ist. Deshalb nennt es Eckhart „das Selbst im Genuss der Wahrheit“.
    Wir können uns das nicht wirklich vorstellen, aber Eckhart lehrt, dass wir im Innersten alle dieses Selbst sind und er lehrt weiter, dass wir, als wir geboren wurden, einst aus diesem Selbst herausgetreten sind (aber nicht völlig).

    Aber als ich dann heraustrat aus meinem freien Willen und mein geschaffenes Wesen entgegennahm, da bekam ich einen Gott.
    Denn bevor die Geschöpfe waren, da war Gott nicht Gott, vielmehr war er, was er war.
    Aber als die Geschöpfe entstanden und ihr geschaffenes Wesen empfingen, da war Gott nicht mehr Gott in sich selbst, sondern er war Gott in den Geschöpfen.

    Das ist der Unterschied zwischen Gottheit und Gott. Gottheit ist die ursprüngliche Einheit, Gott die Vorstellung der Menschen, bzgl. eines höchsten Wesens. Über die Gottheit können wir keine Aussage treffen, weil das nur in der ursprünglichen Einheit, nicht aber in den weltlichen Strukturen möglich wäre.
    Deshalb war Gott auch nicht Gott bevor die Geschöpfe waren, sondern erst die Geschöpfe haben ihn Gott genannt und ihn sich als Gott vorgestellt. Aber was er vor den Geschöpfen war, das können wir nicht wissen. Er war, was er war.
    Dann aber entstanden die Geschöpfe und sie nannten das, was sie eigentlich überhaupt nicht verstehen können, Gott. Eigentlich haben die Menschen Gott geschaffen und Gott wurde zu Gott in den Geschöpfen.


    Nun behaupte ich: Gott, sofern er Gott ist, ist nicht das vollkommene Wesensziel der Geschöpfe. Dazu ist der Reichtum zu groß, den das geringste Geschöpf in Gott hat.

    Hätte eine Mücke Vernunft und suchte sie mit Vernunft den ewigen Abgrund des göttlichen Wesens, aus dem sie gekommen ist, so könnte Gott, behaupte ich, mit all dem, worin er Gott ist, die Mücke nicht ausfüllen und ihr Genüge verschaffen.

    Mit Gott, sofern er Gott ist, meint Eckhart hier den geschaffenen Gott unserer menschlichen Vorstellung. Mit dem ewigen Abgrund göttlichen Wesens, meint er die Gottheit, also die Einheit, aus der alles Geschaffene ausfließt.
    Der geschaffene Gott unserer Vorstellung kann nach Eckhart selbst eine Mücke nicht ausfüllen, wenn diese mit Vernunft die Gottheit, die Einheit suchen würde.
    Entscheidend ist hier die Betonung der Vernunft. Aufgrund der neuplatonischen Spekulation über die Einheit, die völlig vernunftbasiert ist, ist es eben unmöglich genau bestimmen zu können, was genau diese Einheit ist.

    Man muss sich das einmal deutlich vor Augen führen. Da behauptet ein Top-Theologe zu Zeiten der Inquisition, dass alle Aussagen über Gott falsch sein müssen!
    Alle Dogmen - Quatsch.
    Alle Absolutsetzungen - Unsinn.

    Wir Menschen haben uns nur selbst unseren Gott geschaffen und wenn wir diesen Gott nun absolutsetzen, dann verfehlen wir Gott. Nicht in der Form, dass man dann dafür bestraft würde und nicht in das Himmelreich käme, aber schon die Vernunft sagt einem, dass das was Du denkst das Gott ist, das ist er ganz sicher nicht. Und darum:

    Deswegen bitte ich Gott, losgelöst zu werden von Gott und die Wahrheit dort zu ergreifen und die Ewigkeit dort zu genießen, wo die obersten Engel und die Mücke und die Seele gleich sind, worin ich stand und wollte, was ich war und war, was ich wollte.

    Deshalb behaupte ich: Soll der Mensch arm sein an Willen, dann darf er so wenig wollen und verlangen, als er wollte und verlangte, als er nicht war. Und in diesem Sinne ist der Mensch arm, der nichts will.

    Zurücktreten in den ersten Grund, als der Mensch noch nicht geschaffener Mensch, sondern in der Einheit war. Das ist für Eckhart ein Mensch der nichts will.

    Zweitens: Der ist ein armer Mensch, der nichts weiß.

    Irgendwann einmal habe ich gesagt, der Mensch solle so leben, dass er für nichts lebt, weder für sich noch für die Wahrheit noch für Gott.
    Aber heute will ich anderes und Größeres sagen:

    Der Mensch, der diese Armut haben soll, der soll so leben, dass er nicht einmal weiß, dass er lebt, für überhaupt nichts, weder für sich selbst noch für die Wahrheit, noch für Gott. Mehr noch: Er soll so abgelöst sein von allem Wissen, dass er weder wisse noch sonstwie erkenne oder wahrnehme, dass Gott in ihm ist.

    Abgelöst soll er sein von jeder Art der Erkenntnis, die in ihm lebt. Denn als der Mensch im ewigen Wesen Gottes weilte, da war nichts in ihm, was nicht er selbst war, sondern alles, was da war, das war er selber.

    In diesem Sinne behaupte ich, der Mensch solle abgelöst sein von seinem eigenen Wissen, so wie er es war, als er nicht war.
    Er lasse Gott wirken, wie Gott will. Der Mensch sei abgelöst.

    Ich hoffe jetzt wird die Perspektive klar, aus der heraus Eckhart in die Welt schaut. Es geht ihm immer um dieses Zurücktreten in den ersten Grund des Menschen und allen Seins. In der Einheit gibt es nichts Unterschiedenes, das gibt es nur in den weltlichen Strukturen.

    Die weltlichen Strukturen sind aber nichts böses, nicht das man das falsch versteht. Eckhart ist kein Weltverneiner, er zieht nur schroff die Konsequenz aus seiner Einheitserkenntnis.

    Und als mich ursprünglich in dieser Einheit denkend, bin ich abgelöst von aller Erkenntnis, weil da nichts in mir ist, was ich nicht selbst bin. Dort herrscht sozusagen nur reinste Selbsterkenntnis und nichts außerdem.
    Darum will Eckhart abgelöst sein von aller Erkenntnis und zurücktreten in seinen ersten Grund, zurücktreten in die Einheit.

    Alles, was je von Gott herkam, ist bestimmt, sein Wesen durch Wirken rein zu entfalten. Die für den Menschen charakteristische Tätigkeit ist Lieben und Erkennen. Nun entsteht die Frage, worin von beidem die Seligkeit vor allem bestehe.

    Hier ist das menschliche Sein innerhalb der weltlichen Strukturen angesprochen. Lieben und Erkennen ist die für den Menschen charakteristische Tätigkeit, behauptet Eckhart. Das heißt unser Erkennen, unser Denken wird immer angezogen von dem was es liebt. Was es liebt, darin erkennt es sich, oder sucht sich darin zu erkennen. Der Mensch strebt nach Integrität und Identität. Er will wissen wir er mit anderem Sein verbunden ist, was das mit ihm zu tun hat. Er sucht nach einem Sinn.

    Einige Meister lehren, sie bestehe in der Liebe; andere lehren, sie bestehe im Erkennen und im Lieben, und die reden besser. Aber ich behaupte, sie bestehe weder im Erkennen noch im Lieben. Mehr noch: Es gebe ein Eines in der Seele, von dem Erkennen und Lieben herkommen. Es selbst erkennt nichts und liebt nichts – wie das die Kräfte der Seele tun. Nur wer dieses Eine erkennt, der begreift, worin die Seligkeit besteht. Es kennt weder ein Davor noch ein Danach. Es harrt keiner von außen zufällig erfolgenden Ergänzung, denn es kann weder etwas hinzu gewinnen noch etwas verlieren. Es ist so arm, dass es nicht weiß, dass Gott in ihm wirkt. Ja, es ist selber das selbe, das sich selbst genießt wie Gott sich genießt.

    Für Eckhart ist die Sinnsuche beendet. Der Sinn kommt für ihn nicht von außen herein. Er ist nicht etwas zusätzliches, was erst noch geschaffen werden müsste. Der Sinn muss nicht erst noch erkannt und begriffen werden, sondern er liegt im menschlichen Sein selbst verborgen.
    Weil das menschliche Sein ursprünglich gedacht sich in der Einheit befindet, ist es sich selbst der Sinn. Es kennt weder Davor noch Danach, harrt keiner zufällig erfolgenden Ergänzung, es ist ganz bei sich, so arm, dass es nichts mehr bedarf.
    Der Mensch ist in der Vorstellung Eckharts immer schon vollendet, immer schon in Gott. Nur das Geschaffene an ihm, lässt ihn leiden, macht ihm das Leben schwer. Deshalb will er sich davon lösen.

    Daher behaupte ich, der Mensch solle frei und abgelöst stehen. Er soll nicht wissen und nicht erkennen, dass Gott in ihm wirke. Auf diese Weise kann der Mensch Armut besitzen.

    Die Meister lehren, Gott sei Sein und ein vernünftiges Sein und erkenne alle Dinge. Ich aber lehre: Gott ist weder Sein noch ein vernünftiges Sein, noch erkennt er dieses und jenes.
    Daher ist Gott losgelöst von allen Dingen und deshalb ist er alle Dinge. Wer nun arm sein soll an Geist, der muss arm sein an allem eigenen Wissen, so dass er überhaupt nichts weiß – weder Gott noch Geschöpfe noch sich selbst.

    Dazu ist es notwendig, dass der Mensch frei darauf verzichte, die Werke Gottes zu wissen oder sonst zu erkennen. In diesem Sinne kann der Mensch arm sein an seinem eigenen Wissen.

    Nichts wissen ist also keine Geringachtung von menschlicher Erkenntnis in den weltlichen Strukturen, sondern die Einsicht darin, dass uns menschliche Erkenntnis nicht selig machen kann.
    Sie dient uns hier auf Erden quasi als Konstruktionsgrundlage auf derer wir dann die Welt bauen und verstehen (müssen), aber Seligkeit ist in diesem Wissen, diesen Erkenntnissen nicht zu finden.

    Drittens: Arm ist der Mensch, der nichts hat.

    Viele Menschen haben behauptet, das sei das vollkommene Leben – auf Erden nichts zu besitzen an körperlichen Dingen.
    Das ist auch wahr in einem gewissen Sinne, wenn einer es freiwillig tut.
    Aber in diesem Sinne meine ich es nicht.

    Wieder macht Eckhart deutlich, dass es ihm nicht um äußerliche Dinge geht.

    Ich habe zuvor gesagt, arm sei, wer den Willen Gottes nicht erfüllen wolle, ja, der Mensch solle so leben, dass er abgelöst sei von beidem, von seinem eigenen Willen und vom Willen Gottes, abgelöst wie damals, als er nicht war.
    Von dieser Armut behaupte ich, es sei die höchste Armut.

    Zweitens habe ich behauptet, arm sei, wer die Werke Gottes in sich nicht kennt. Wer so lebt, abgelöst von Wissen und Erkenntnis, wie Gott abgelöst lebt von allen Dingen, der hat die durchsichtigste Armut.

    Aber das dritte, das ist die innerste Armut. Von ihr will ich jetzt reden. Es ist die Armut, in der der Mensch nichts hat.
    Achtet darauf mit Ernst. Ich habe es manchmal gesagt, und auch ein großer Meister sagt es: Der Mensch soll derart abgelöst sein von allen Dingen und von allen Werken, äußeren wie inneren, dass er Gottes eigene Stätte werde, in der Gott wirken kann.

    Doch jetzt sage ich es anders: Löst der Mensch sich ab von allen Geschöpfen, von Gott und von sich selbst, aber Gott findet in ihm noch eine Stätte, darin zu wirken, so behaupte ich: Solange das in diesem Menschen noch so ist, so lange ist er nicht arm in der innersten Armut.

    Snoopy hat in diesem Thread mal irgendwo gesagt, dass man letztlich vor Gott kapitulieren müsse. Eckhart sagt hier genau das Gleiche. Nur beschreibt er genauer, worin diese Kapitulation besteht. Sie besteht darin, nichts zurückzuhalten und an nichts festzuhalten.

    Denn es ist keineswegs das Ziel Gottes in seinen Werken, dass der Mensch eine Stätte in sich hätte, in der Gott wirken könne.
    Denn das ist Armut des Geistes: Abgelöst leben von Gott und seinen Werken, so dass Gott, wenn er in der Seele wirken will, selbst die Stätte ist, worin er wirken will – und das tut er gern.

    Denn findet Gott den Menschen in dieser Armut, dann nimmt Gott sein Wirken in sich selbst auf; er wird die eigene Stätte seiner eigenen Werke, denn Gott ist ein Tätiger, der in sich selbst wirkt.
    Hier nun, in dieser Armut, da erreicht der Mensch das ewige Sein, das er einst gewesen ist, das er jetzt ist und das er immer bleiben wird.

    Genau darum geht es Eckhart. Der Mensch kommt nicht durch Religion, oder einem bestimmten Glauben zu Gott, sondern der Mensch ist substantiell mit Gott verbunden. Das heißt er war einst in Gott, ist in Gott und wird immer in Gott bleiben.

    Das ist eine klare Absage an jede Religion die behauptet, nur auf ihrem vorgeschriebenen Weg könne man zu Gott kommen. Nach Eckhart sind wir aber von Natur aus alle bereits substantiell mit Gott verbunden, nicht erst durch einen bestimmten Glauben. Wenn das in euren Augen eine Ideologie ist, dann bitteschön.

    Eckhart folgt nur der Vernunft und diese sagt, dass ausnahmslos jeder Mensch aus der Einheit kommt und wieder in die Einheit zurücktreten wird. Schon hier auf Erden kann man dies auf spirituellem Wege tun, man muss es aber nicht, wenn man nicht will. Das ändert nichts an der substantiellen Verbundenheit.

    Doch da entsteht ein Problem. Der heilige Paulus sagt: „Alles, was ich bin, das bin ich durch die Gnade Gottes”.
    Aber meine Rede steigt höher hinauf – höher als Gnade, als Sein und Erkennen, als Wollen und alles Verlangen – wie kann dann das Wort des heiligen Paulus wahr sein?

    Hierauf lautet die Antwort: Das Wort des Paulus ist wahr. Er brauchte die Gnade, denn die Gnade Gottes bewirkte in ihm, dass das Zufällige an ihm in sein Wesen einging. Als die Gnade endete, weil sie ihr Werk vollbracht hatte, da blieb Paulus das, was er war.

    Gnade ist in diesem Sinne das, was Dir auf Deinem Lebensweg begegnet. Du kannst Dir aus unserer Sicht heraus nicht aussuchen wann Du geboren wirst, in welches Land, wer Deine Eltern sein werden, wem du begegnen oder nicht begegnen wirst. Für all das bist Du auf Gnade angewiesen.
    Aber am Ende wirst Du eben immer bleiben was Du warst und das ist ursprünglich gedacht immer die Einheit. Und die Einheit braucht keine Gnade mehr.

    Also lehren wir, der Mensch solle so arm dastehen, dass er keine Stätte sei und keine Stätte habe, in der Gott wirken könnte. Wo der Mensch noch eine solche Stätte behält, dort hält er am Unterschied fest. Darum also bitte ich Gott, dass er mich ablöse von Gott, da mein wesentliches Wesen oberhalb Gottes steht, sofern wir Gott begreifen als den Ursprung der Geschöpfe.

    Denn in dem selben Wesen Gottes, aufgrund dessen Gott oberhalb von Sein und Unterschied steht, da war ich selbst. Und dort wollte ich mich selbst und dort erkannte ich mich selbst als den, der diesen Menschen schuf.

    Darum bin ich Ursprung meiner selbst, nach meinem Wesen, das ewig ist, nicht nach meinem Werden, das zeitverloren ist.
    Aufgrund des Werdens bin ich geboren, und sofern ich geboren bin, kann ich sterben. Sofern ich ungeboren bin, bin ich ewig gewesen, bin ich jetzt und werde ich ewig dauern.

    Was an mir geboren ist, das wird sterben und zunichte werden, denn es ist zeitverloren, darum muss es in der Zeit zugrunde gehen.

    Bei meiner Geburt, da wurden alle Dinge geboren, und ich war Ursprung meiner selbst und aller Dinge, und hätte ich gewollt, so wäre ich nicht entstanden und alle Dinge wären nicht entstanden. Und wäre ich nicht, dann wäre auch Gott nicht. Dass Gott Gott ist, dafür bin ich der Ursprung. Und wäre ich nicht, dann wäre Gott nicht Gott. Dies muss man nicht unbedingt wissen.

    Der Mensch ist der Ursprung Gottes. Das habe ich schon weiter oben erklärt. Wichtig ist hier nur die Perspektive aus der heraus Eckhart über sein Sein nachdenkt. Und er versucht es zu denken, bevor es in der weltlichen Struktur zum Sein wurde und als er noch in der göttlichen Einheit war.

    So verstanden, kenne ich persönlich keine tröstlicheren und keine schöneren Worte. Denn sie sagen alles ist gut und alles wird immer gut sein. Fürchte dich nicht.

    Ein großer Meister lehrt, sein Durchbrechen sei edler als sein Ausfließen, und das ist wahr. Als ich aus Gott herausfloß, da sagten alle Dinge: Gott ist. Aber das kann mich nicht selig machen, denn hierbei bekenne ich mich als Geschöpf. Hingegen beim Durchbrechen – da stehe ich losgelöst von meinem Willen und vom Willen Gottes, von allen seinen Werken und von Gott selbst; da stehe ich oberhalb von allen Geschöpfen. Da bin ich weder Gott noch Geschöpf, ja, da bin ich das, was ich war und bleiben werde, jetzt und für immer.

    Dabei erfahre ich ein Gepräge, das mich hinaufbringt über alle Engel. Dieses Gepräge gibt mir einen solchen Reichtum, dass Gott mir nicht mehr genügen kann mit all dem, was er als Gott ist und mit allen seinen göttlichen Werken, denn in diesem Durchbrechen erhalte ich es, dass ich und Gott eins sind. Dort bin ich, was ich war. Dort erhalte ich weder etwas hinzu noch verliere ich etwas. Denn da bin ich das unveränderliche Wesen, das alles verändert.

    Hier findet Gott keine Stätte im Menschen, denn der Mensch erhält aufgrund dieser Armut, was er ewig gewesen ist und immerdar bleiben wird. Hier ist Gott eins im Intellekt, und das ist die innerste Armut, die man finden kann.

    Wer diese Rede nicht versteht, der mache sich deswegen in seinem Herzen keine Sorgen. Denn solange der Mensch dieser Wahrheit nicht gleich wird, so lange wird er diese Rede nicht verstehen, denn sie ist unverdeckte Wahrheit, wie sie unvermittelt aus dem Herzen Gottes kommt.

    So zu leben, dass wir es ewig einsehen, dazu helfe uns Gott. Amen

    Man mag es glauben oder nicht, dass wir Menschen substantiell mit Gott eins sind. Ich glaube es und ich habe es schon so erfahren dürfen. Jeder darf aber seinen eigenen Weg gehen und niemand muss Angst haben auf seinem Weg verloren zu gehen. Das sagt Eckhart und nichts anderes.

    Und ich persönlich behaupte, würden sich die Menschen dieser substantiellen Einheit bewusst, dann wäre diese Welt mit Sicherheit ein besserer Ort und insofern mag man mich gerne einen Ideologen schimpfen.

    LG
    Provisorium
    Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)

  10. #180
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    Äm Wiise gnüeget wenig Wort

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