G-ttliche Vorsehung


Obwohl der Baal Schem Tow lange nach den Gräueltaten der spanischen Inquisition lebte, gab es zu seiner Zeit noch Marranos, die mit dem Tode bestraft wurden, wenn sie die Mizwot befolgten. Ein Jude und Marrano, der seine Treue zur Tora viele Jahre lang verbergen konnte, wurde schließlich entdeckt und vor Gericht gestellt. Weder sein Regierungsamt noch seine Verbindungen, noch die Gunst des Königs konnten ihn aus den tödlichen Klauen der Kirche befreien. Das Urteil lautete: öffentliche Verbrennung.

Viele Menschen, darunter der König, strömten zum Hinrichtungsplatz. Die Menge versammelte sich um die Plattform, auf der das grausame Urteil vollstreckt werden sollte. Plötzlich erstickte ein lautes Donnern die Stimme, die das Urteil verlas, und die Erde begann zu beben. Ein Chaos brach aus, und die Menschen rannten um ihr Leben. Auch der Verurteilte floh, und im allgemeinen Durcheinander gelang es ihm, seine Verfolger abzuschütteln und die spanische Grenze zu erreichen. Von da an wohnte er in einem anderen Land und praktizierte die Tora und die Mizwot öffentlich und furchtlos. Aber er musste oft an das große Wunder denken, das sein Leben gerettet hatte.

„Was ist g–ttliche Vorsehung?“, fragte er viele Gelehrte. „War es schon bei der Schöpfung geplant, dass die Erde in diesem Moment beben sollte, damit ich fliehen konnte? Oder war das Beben ein Naturereignis, und bestand das Wunder darin, dass ich gerade in diesem Augenblick hingerichtet werden sollte?“

Da er mit den Antworten unzufrieden war, wollte er die Meinung des Baal Schem Tow erfahren und reiste nach Mesibusch. Er kam am Haus des Zadik an, als dieser zu den Morgengebeten aufbrach.

„Komm, wir gehen gemeinsam in die Synagoge“, sagte der Baal Schem Tow. Unterwegs trafen sie einen Bauern, der einen Heuwagen zum Markt fuhr. Kurze Zeit später begegneten sie einem Mann, der über Zahnschmerzen klagte. Als der Mann an ihnen vorbeiging, lief er zu dem Heuwagen, streckte begierig die Hand ins Heu und zog einen Halm heraus. Diesen steckte er rasch in den Mund und piekte damit den kranken Zahn. Fast sofort ging es ihm besser.

Der Baal Schem Tow wandte sich an seinen Begleiter: „Siehst du, das ist g–ttliche Vorsehung! Es gibt ein bestimmtes Kraut, das gegen Zahnweh hilft. Als der Mann die Hand in den Heuhaufen streckte, griff er ,zufällig’ nach diesem Kraut. Es war kein Zufall, dass der Bauer heute auf den Markt fuhr. Aber der Allm-chtige hat das Kraut auch nicht heute ins Heu gesteckt. Nein, er hat schon bei der Schöpfung vorausgesehen, was geschehen würde, und darum plante er alles so, wie es gekommen ist. Auch in deinem Fall hat er das Erdbeben schon bei der Schöpfung geplant, damit es genau an diesem Ort und zu dieser Stunde dein Leben retten würde.