Meister Baal Schem Tow und die Brille


"Es wird über den großen chassidischen Meister Baal Shem Tow gesagt, dass er normalerweise keine Brille benutzte, doch wann immer er mit einem Philosophen oder einem Wissenschaftler sprach, setzte er sich sofort die Brille auf. Das war ungewöhnlich und seine Schüler fragten sich, was wohl dahinter stecke.

„Was ist los?“ fragten sie. „Du benutzt doch sonst keine Brille?“

Der Meister lachte. Was er antwortete, ist bedeutsam.
„Mit euch kann ich in meinem normalen Zustand bleiben, ich muss mich nicht von ihm entfernen. Meine Augen können nicht mehr unterscheiden. Ihr und der Baum und der Fels, ihr seid alle eins. Wenn ich mit einem Schüler spreche, dann brauche ich nichts auszugrenzen. Ich spreche zur gleichen Zeit zum Schüler, zum Baum, zum Felsen, zu den Sternen und dem Himmel. Alles ist eins. Denn ich spreche aus Liebe. Ich überschütte euch mit meiner Liebe und werde von eurer überschüttet."


Eine Brille, um Grenzen wiederzufinden

Er fährt fort: "Doch wenn ein Philosoph kommt, dann muss ich von meiner normalen Art zu seinem Denken hinabsteigen. Ich muss mir eine Brille aufsetzen, damit ich blind werde, damit ich die große Vision verliere. Meine Augen werden durch die Brille eng gemacht, denn ein logischer Mensch besteht auf Unterscheidungen. Die Dinge sollen seiner Meinung nach eingeordnet und definiert werden. Liebe kennt keine Definition und keine Abgrenzung.“"