Zitat Zitat von Die_Leuchte! Beitrag anzeigen
Ein paar wenige (junge) Quantenphilosophen sind sich also darüber einig, dass der alte Magister Eckhart sehr gut hätte mit dazugehören können, aber ich sehe auch, dass man in Manier der kopenhagener Deutung sehr voreilig den Realitätsbegriff überstrapaziert, wenn die (kollektive) Einbildung einer bloß eingebildeten Welt "real" sein soll.
Ja Obacht, hier besteht akute Stolpergefahr. Eckharts Welt wird ja nicht im Sinne eines Solipsismus durch ihn geistig geschaffen, oder eingebildet. Der von mir verlinkte Artikel versucht dieser Gefahr der Missdeutung unter dem Absatz mit der Überschrift "Das große Missverständnis des Idealismus und Solipsismus und seine Überwindung durch die strikt negative und darin neuplatonisch-idealistische Theologie Meister Eckharts" beizukommen.

Ich darf daraus zitieren:
Die Ansicht, dass „wir“ als körperliches und weltliches Wesen in der Welt die materiellen Dinge geistig beeinflussen oder schaffen und uns so eine besondere und absolute Rolle in der Welt zugewiesen wird, wie das dem falschen Solipsismusverständnis zugrunde liegt, ist kein Idealismus sondern (lächerlicher) Aberglaube!
Mit dergleichen wollen wir natürlich nichts zu tun haben. Mögen wir auch irgendeine Art von Konstruktivisten sein, dann doch sicher nicht solche, die den Nächsten ihre Realität absprechen und nur sich allein als real denken.

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Ein bisschen sehr blöde wird es also, wenn behauptet wird, die Wirklichkeit bilde sich der Quantenmechaniker nur ein, allerdings "wirklich". Tatsache ist vielmehr, dass er der Wirklichkeit oder Realität nur abverlangt hat, was Wirklichkeit oder Realität nie (wörtlich / nominal) versprochen haben, denn selbst eine nur gedachte Welt verschwände ja tatsächlich, wenn auch nur die Vorstellungs- oder Urteilskraft erlösche. Nie wird der Tote sich nur einbilden, tot zu sein, sondern sich ganz tatsächlich nichts mehr einbilden - auch nicht, dass er sich den Tod nur einbilde.
Nochmal Obacht. Man kann zwar vielleicht tatsächlich bei Eckhart von einer Art Einbildung sprechen, aus der heraus dann die Welt hervorgeht, aber diese Einbildung ist nicht unser, sondern Gottes. In Eckharts Verständnis (und der gute Mann lebte von 1260-1329!) geht die komplette Welt aus dem Seelengrund hervor. Was genau der Seelengrund sei, kann er uns allerdings nicht verraten, denn dieser ist nach seiner eigenen Aussage "unerkannt, war unerkannt und wird nie erkannt werden". Deshalb nennt er ihn auch "den Abgrund Gottes", welchen heutzutage der Quantenphysiker so gerne aufdecken möchte, dem es aber nicht so recht gelingen mag und daher rührt dann Eckharts Affinität, als Vertreter der negativen Theologie, zur Quantenphysik.

Bei dem Magister verhält es sich folgendermaßen: Gott hat die Welt nicht zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, in einem absoluten Raum geschaffen und sich dann ruhig zurückgelehnt. Nein, er erschafft weiterhin und vollständig in einem "ewigen Nun" und ununterbrochenen Schaffensprozess diese ganze Welt, mit allem was dazugehört. Wir Menschen, als Teil dieser Schöpfung können aber diesen Prozess nicht beobachten. Wir sind quasi "in dem Prozess" und können deshalb nicht von "außen daraufschauen". Das gewöhnliche dualistische Weltbild wird an dieser Stelle aufgehoben und monistisch.

Allerdings nicht im Sinne eines Pantheismus, was ein weiteres, häufiges Missverständnis bei der Interpretation der Eckhartschen Philosophie darstellt. Im Pantheismus ist die Welt mit Gott identisch, bei Eckhart bleibt die Welt aber geschaffen, kreatürlich und vergänglich und Gott ist jenseits dieser Welt ihr davon unberührter Schöpfer.
Er hat aber seinen Geschöpfen den sogenannten "göttlichen Funken" in die Seele "gepflanzt", durch den wir mit Gott verbunden sind und unser Sein erhalten. Dieser Funken ist mit Gott identisch und er zündet immer dann und bringt den Menschen zum Lodern, wo dieser lernt von allen kreatürlichen und geschaffenen Dingen zu lassen, also ganz im Sinne der Interpretation des Eingangs erwähnten Gleichnisses.

Der Mensch ist in dieser Vorstellung also eigentlich nicht mehr individuell, er ist in der Einheit, erlebt sich dort allerdings als Individuum, also nur als Teil der Einheit (was übrigens auch die Evolutionstheorie vermittelt, bei der letztlich auch alles aus der Einheit kommt).
Jesus wird in diesem Zusammenhang im Thomas-Evangelium mit folgenden Worten zitiert: "
Ich bin das Licht, das über allen ist. Ich bin das All; das All ist aus mir hervorgegangen, und das All ist zu mir gelangt. Spaltet das Holz, ich bin da. Hebt einen Stein auf, und ihr werdet mich dort finden."

Der Gute dürfte ab einem gewissen Punkt seines Lebens also auch nicht mehr einem Dualismus angehangen und stattdessen eine monistische Sichtweise vertreten haben...

Zum Abschluss noch folgende Überlegung: In der Genesis wird uns erzählt, dass durch den Sündenfall des Menschen die Erkenntnis, die Unterscheidung von gut und böse in die Welt des Menschen trat. Da ist es doch nicht allzu abwegig, dass der Mensch zuvor, als er noch in der Gemeinschaft mit Gott lebte, nichts von gut und böse wusste, sein Erkennen, immer nur das Erkennen Gottes war.
Kann es in diesem Zusammenhang nicht sein, dass mit unserer Erkenntnis etwas nicht stimmt? Das wir immer dort, wo wir in einen Dualismus verfallen (hier z.B. gut und böse), jenseits unseres eigentlichen Zuhauses unser Glück zu machen versuchen? Und das aber unser eigentliches Zuhause, auch im Sinne des Gleichnisses "vom verlorenen Sohn", jenseits dieses Dualismus liegt, nämlich in der Einheit mit Gott?
Und ist darüberhinaus vielleicht jetzt schon möglich, dieser Einheit in Gänze gewahr zu werden?

Also mich persönlich lassen Jesus und auch der Magister Eckhart diesbezüglich frohster Hoffnung sein...

LG
Provisorium