Die Bergpredigt
Wir müssen uns nun die Frage stellen: Wendet sich Jesus in ihr (der Bergpredigt) vom Judentum ab, oder ist es seine Absicht, die Forderungen des Judentums zu verinnerlichen und zu vertiefen?
Jene, die eine Abkehr vom Judentum erblicken, weisen auf die sechsmalige Wendung: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist… ich aber sage euch...“.
Die anderen aber weisen auf die Worte in der Einleitung der Bergpredigt hin: „Ihr soll t nicht wähnen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen …, sondern zu erfüllen. Denn ich sage auch wahrlich: Bis dass Himmel und erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis dass es alles geschehe…“
Nicht abschaffen will Jesus die Gesetze, sondern erfüllen. Er will seien Jünger darüber belehren, dass sie die Gebote nicht schon etwa erfüllen, wenn sie sich an den Buchstaben der Schrift klammern; sie müssen in den Geist der Gebote eindringen.
Und wenn sechs mal hintereinander steht, „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist… ich aber sage euch…“ so will er nicht einen Gegensatz aufrichten zwischen der bisherigen Lehre und der seinigen, das wäre doch kein Erfüllen des Gesetzes, sondern ein Auflösen, wogegen sich Jesus entschieden verwahrte. Nein, verinnerlichen will er die Lehren der Alten, vertiefen will er sie; in ihrem weitumfassenden Sinn will er sie erfasst wissen.
Und damit bleibt er völlig in der jüdischen Linie. So wäre es auch besser Übersetzt, wenn geschrieben würde: „Ihr habt gehört….. und ich sage dazu…“ als Vertiefung, Ergänzung, Verfeinerung.
Lesezeichen