Zitat Zitat von clyde Beitrag anzeigen
Liebe leute dieser weg führt euch nicht näher zu gott, sondern eher zu dem gefühl, dass eure gemeinde der einzige anker ist, den ihr habt. Das bringt euch in eine Abhängikeit der Gemeinde gegenüber, die eher wie eine sekte fungiert.
In diesem Zusammenhang finde ich interessant, dass es einerseits heißt, man solle alles prüfen und das Gute behalten und außerdem noch, dass man zur Freiheit berufen sei und andererseits bekommt man beständig ein Gefühl vermittelt, dass an jeder Ecke das Böse lauert und nur darauf wartet, dass man einen Fehler macht, um dann erbarmungslos zuzuschlagen.

Religiöse Gefühle sind dadurch häufig von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet. In meiner besonders frommen und eifrigen Glaubensphase, die so ungefähr sechs Jahre lang anhielt, hatte ich am Ende beständig das Gefühl Gott gegenüber nicht würdig genug zu sein und mich beständig zu versündigen, weil ich mein Wesen als durch und durch verdorben empfand und meinen selbstauferlegten, von der Bibel inspirierten Geboten, nicht ausreichend gerecht wurde.

Ich habe damals tatsächlich meinen ganzen Krempel (Unterhaltungselektronik, Hobbyartikel usw) verschenkt, weil ich dachte, dass mich der ganze Kram nur von dem Wesentlichen, von Gott abhielt. Sämtliche Bücher, mit Ausnahme der Bibel, hatte ich mir selbstverordnet auch verboten und schlussendlich wurde ich tatsächlich richtig fromm und auch meine Art mich auszudrücken klang regelmäßig wie direkt der Bibel entsprungen.

Aber leider hatte ich immer nur kurze Zeit das Gefühl dadurch würdiger oder gottgefälliger zu werden und schlussendlich war ich dann eines Tages völlig leer und in mir hat sich dann irgendwie so gar kein Gefühl mehr geregt und ich kam mir ausgesprochen verloren und elend vor.

Es hat dann einige Jahre gebraucht um wieder meinen Frieden mit Gott zu finden und das war erst ab dem Zeitpunkt möglich, als sich Gott aus meinen individuellen Vorstellungen befreite und mir bewusst machte, dass ich ihn zwar nicht verstehen kann, er aber in jedem Augenblick, unabhängig von meinem Verhalten, immer schon da ist. Voraussetzungslos.
Ich habe dann meinen Blick auf den Augenblick gerichtet und Gott darin gesucht. Und tatsächlich, er ist da...

Die Bibel habe ich dann mit anderen Augen (allegorisch und weniger wortwörtlich) gelesen und Gleichnisse, wie z.B. das vom verlorenen Sohn, hatten einen ganz neuen Zauber für mich, was auch mein religiöses Empfinden stark veränderte und sich zunehmend in Richtung heiterer Gelassenheit verschob.

Sünde ist heute für mich weniger das was ich tue, als das was ich nicht tue. Denn wenn ich meinen Blick allzeit auf Gott richte (also das was ich tue), dann lässt er sich in jedem Augenblick auch finden. Und nur wenn ich ihn aus dem Blick verliere (also das was ich nicht tue), dann ist da auch so etwas wie Sünde erkennbar.

Das die Menschen Gott in jedem Moment ihres Lebens entdecken mögen, das ist es was ich allen wünsche...

LG
Provisorium