Unbequeme Sitzbänke. Rote Kissen auf abgewetztem Holz. Nur wenige Besucher sitzen in der Kirche. Der Geruch von alten Büchern und ausgeblasenen Kerzen hängt in der Luft. Der Sprecher redet leise. Es ist schwierig, ihm zu folgen. Die Lautsprecheranlage ist schlecht ausgesteuert und alt. "Jesaja 12 Vers 3", höre ich. Dort steht: "Mit Freuden werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils." Was für eine Botschaft! Schade, dass dieser hoffnungsvolle Inhalt nicht Raum gewinnt. Das helle Licht, das aus der Bibel in unsere Gegenwart möchte, wird sofort wieder gelöscht. Bloß keine Freude aufkommen lassen. Nur nicht von Rettung reden. Auf keinen Fall zu den Quellen des Heils weisen. So kommt es mir vor. Denn da sind Sätze zu hören, die, kaum verständlich, an der Realität des Lebens abprallen.

Vorsichtig beobachte ich die wenigen Besucher. Sie sehen aus wie Figuren. Keine Regung, maskengleich. Lebensfremd.
Ob jemand zuhört? Plötzlich - Bewegung in der Kirche: Ich sehe einen Schmetterling, der durch das Kirchenschiff torkelt. Außer mir scheint ihn keiner zu beachten. Ein Pfauenauge. Wahrscheinlich hat jemand der Kälte wegen die Türen nach draußen offen gelassen. Kälte in der Kirche und Hitze im Freien. Der Schmetterling fliegt im Kreis. Immer noch nimmt keiner Notiz von dem Boten aus einer anderen Welt. Er flattert nach oben, fliegt dann in die entgegen gesetzte Richtung und bleibt an einem Mauervorsprung hängen. Vielleicht muss er Atem holen...

Ich bin der Einzige, der ihn beobachtet. Die anderen blicken in Richtung Redner. Der verliert sich mittlerweile in Bereiche, die mein Leben nicht betreffen. Der Blick zurück zum Schmetterling kommt unweigerlich. Er fliegt wieder los. Zielstrebig. Direkt auf die hohen Fenster zu. Erst jetzt fällt mir auf, dass sich dort eine andere Welt auftut. Tief blauer Himmel, hinter bunten Blättern an Kastanienbäumen. Sie strecken ihre Äste dem Blau entgegen. Unerreichbar für den Schmetterling. Der prallt gegen das Fenster, fällt einige Zentimeter ab und versucht erneut, in die Freiheit zu entfliehen. Welche Freiheit, frage ich mich? Eigentlich bin ich doch in der Kirche. Und eigentlich höre ich eine Botschaft von "Quellen des Heils", vom "Wasserschöpfen" und von "Freude". Am liebsten würde ich aufspringen, dem Schmetterling das große schwere Fenster öffnen und mit ihm nach draußen fliegen. In die Freiheit. In die Freude. Zu den Quellen des Heils. Zu ... Gott. Zum Vater.

Nein, ich zeige nicht mit dem Finger auf den Redner. Nicht jeder kann impulsiv, begeisternd, motivierend sprechen. Und das ist auch gut so. Doch jeder, der auf Gott und seinen Sohn Jesus Christus hinweist, ist verpflichtet, keine weltfremden, praxisfernen Monologe zu halten, sondern darf, ja, muss! einladen, in die Freiheit zu entfliehen. Wer die Wahrheit kennt, muss reden. Darf bezeugen, einladen, werben. Wer anderen die Quellen des Heils verschweigt, und Wachsfiguren sein lässt, darf sich nicht wundern, dass keine Reaktionen kommen. Wer verschweigt, hat womöglich selbst noch nie von diesem klaren, frischen Wasser getrunken.

Der von Freude spricht, darf auch Regung zeigen. Diese Freude, von der in der Bibelstelle die Rede ist, lebt. Deshalb, weil Vergebung von Schuld und Sünde gewährt wurde - und heute immer noch gewährt wird. Da lässt es sich lachen, danken, fröhlich sein. Gott hat vergeben, er hat frei gemacht. Er sagt: "Komm, mein Kind, ich will dich in meine Arme schließen! Schön, dass du wieder bei mir bist."

Das Fenster in die Freiheit steht weit offen. Vergebung von Schuld Sünde muss keine Theorie bleiben. Deshalb bleib du nicht sitzen. Du darfst Regung zeigen. Trauer und Belastung über deine Schuld - aber auch Freude über erhaltene Vergebung!
Das Leben mit Jesus Christus hat nichts mit einem Aufenthalt in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zu tun. Dort stehen wichtige Persönlichkeiten - aber ohne Leben. Du aber lebst. Komm mit in die Freiheit.


Herzlichst, wo immer du bist, dein

Thomas Meyerhöfer