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    Larson Gast

    Standard Abenteuer auf vier Rädern 1

    Abenteuer auf vier Rädern in Canada


    "Gott vertrauen ist eine Sache und ist sicher auch gut", sprach ich Thomas, meinen Cousin an, "aber Gott versuchen ist eine sehr ernste Sache. Damit treibt man keinen Scherz." Ich sprach diese Worte an einem regnerischen Abend des Juli 1981 im canadischen Gray Creek, gelegen am schönen Cootenay Lake, zu meinem Cousin, dem Sohn des jüngsten Bruders meines Vaters.

    Wir hatten eine Probefahrt mit Thomas' Valiant, einem 68er Modell von Chrysler, absolviert und mir waren einige Überraschungen bereitet worden. Vorsorglich hatte Thomas mich darauf hingewiesen, daß "mit den Bremsen etwas nicht stimme" und daß auch die Lenkung "ein wenig ausgeschlagen" sei. Thomas hatte recht. Beim Bremsen mit dem alten Valiant war das gleiche Verfahren anzuwenden, wie bei der alten Wasserpumpe im Hause meiner Großmutter in Schleswig-Holstein, bei der ich als kleiner Junge oft zusammen mit meinen Eltern die Ferien verbrachte. "Acht mal schnell pumpen und dann dreimal langsam!"

    Nur, weil die Auffahrt zum Grundstück meines Onkels eine etwa dreißig Meter lange Steigung war, schaffte ich es, den Wagen rechtzeitig vor dem Kühlschrank in der Küche zum Halten zu bringen. Hier fielen die oben zitierte Worte.

    "Tja", erwiderte mir Thomas nach einigen respektvollen Schweigesekunden in seinem etwas holperigen Deutsch, "du kannst meinen Wagen benutzen wann immer du willst. Nur..." "...ein paar Reparaturen sind nötig, ich weiß. Das hattest du mir schon nach Deutschland geschrieben." setzte ich seine Rede fort. "Na, dann weißt du ja Bescheid."

    Die nötigen Reparaturen dauerten beinahe fünf Wochen. Von den Bremsen abgesehen waren die Vorderachse zu reparieren, die Halterung der Batterie war beinahe durchgerostet, faustgroße Löcher im Blechkleid und dutzendweise andere Kleinigkeiten. Wurde ein Teil befestigt, brach ein anderes entzwei.

    Die Bremsleitung beispielsweise: Es gab keine Originale mehr zu kaufen. Also kauften wir Meterware. Doch die Anschlüsse für die Radbremszylinder paßten nicht. So schliff ich mir in Ermangelung sachgerechten Werkzeugs einen dicken Zimmermannsnagel aus dem Fundus meines Onkels zurecht und bördelte mit dessen Hilfe sowie einem Kugelkopfhammer die Bremsleitungsenden um. Und es paßte! Die Bremstrommeln schliff ich aus, befestigte neue Bremsbacken und allmählich schien es so, als seien die notwendigsten Teile wieder instandgesetzt. Die Löcher in der Karosserie schloß ich mit Blechen aus Aluminiumabfällen, befestigt wurden sie mit Blechschrauben direkt im umgebenden Blech. Das verlieh dem alten Valiant ein absolut unverwechselbares Aussehen.

    Das große Problem war, daß immer wieder Teile benötigt wurden, die es nur im knapp 80 KM entfernten Creston zu kaufen gab. Es war unmöglich vorauszusehen, was als nächstes benötigt wurde. Und wegen einer Bremsleitung mal eben so an die 160 Km zu fahren, das war selbst im sonst so sorglos-großzügigen Canada unrationell. So mußten wir immer wieder warten, bis ohnehin eine Fahrt in die Stadt nötig wurde.

    Doch allmählich ging das große Werk seinem Ende zu und eines schönen Tages führten wir die erste Probefahrt duch - und waren beide, Thomas gleichermaßen wie ich, begeistert. Abgesehen von einem unangenehmen Laufgeräusch der Lichtmaschine schnurrte der 4,2-Liter Sechszylinder des alten, ehrwürdigen Valiant wie ein verliebter Kater. Einige Kleinigkeiten waren noch einzustellen, die Fahrt zur großen Stampede in Calgary konnte beginnen.

    Eines Freitags ging es los. Thomas, sein jüngerer Bruder Rainer und ich hatten uns auf die ca. 650 KM lange Fahrt nach Calgary aufgemacht. Der Regen der ersten vier Wochen war herrlichstem Sommerwetter gewichen, die Sonne brannte auf uns und des alten Valiant Blechkleid herab, als wolle sie uns für die vergangenen Regenwochen entschädigen, von den Bergen herunter jedoch wehte noch eine angenehm kühle Brise durch die geöffneten Autofenster. Ruhig und gleichmäßig schnurrte der Valiant vor sich hin, und brachte uns Meile um Meile unserem Ziel Calgary, und damit der Stampede und - vor allem - Thomas Freundin Tara näher. Die Straße war leer, ganz selten nur begegneten uns andere Fahrzeuge.

    Die leere Straße. Eine weites Tal durchfuhren wir. Nahezu ursprüngliche Natur. Nur wenige Anzeichen menschlicher Eingriffe in diese grandiose Bergwelt des südlichen British Columbiens. Klare Luft unter dem vom hellen Blau am Horizont zum dunklen Blau im Zenith wechselnden Firmament. Die Luft duftete nach Wald, nach Erde, nach Sonne. Luft wie klarer, fruchtiger Wein. Lichtüberflutete Bergwände - seit wieviel Jahrtausenden mochten diese Steinriesen schon so majestätisch ins Licht ragen? Die Sicht so deutlich, daß man glaubte, an den gleichmütig stillstehenden Tannen deren Nadeln zählen zu können. Das Fahren - ein Rausch. Herr Gott, Vater im Himmel, wie ist das unwirklich schön. Geschenk an meine Seele nur aus Gnade und Freundschaft.

    Ich träumte in Gedanken versunken vor mich hin und geriet in einen Zustand zwischen Phantasie und Wirklichkeit - Fahrt durch die Unendlichkeit Gottes - Fahrt auf die Ewigkeit zu, mein Weg zu Dir.
    Meile um Meile glitt das grauasphaltierte Band der Straße unter unserem treuen Valiant hinweg, Stunde um Stunde saßen wir still und staunten, genossen Gott, der uns solche unvergleichlichen Stunden gewährte.

    An einem Rastplatz hielten wir an, um unsere Körper ein wenig zu entspannen und sie, die sich nicht an der Landschaft sattsehen konnten, mit stärkender Nahrung zu versorgen. Rainer, der sich ein paar hundet Meter entfernt hatte und sich durch einige gymnastische Übungen Bewegung verschaffte, entdeckte auf seinem Rückweg zu uns ein Rinnsal, welches aus dem Kühler des braven Valiant rann. Das war übel. Weit und breit gab es keine Möglichkeit, an Wasser zu kommen. Der Kühlwasserstand war zwar noch nicht besorgniserregend niedrig, doch als wir die Motorhaube öffneten, bemerkten wir, daß der Kühler mehrere Löcher aufwies, aus denen das Wasser nach außen drang. Bis zur nächsten Tankstelle mochten es noch gute 100 Kilometer sein. Wir taten das Einzige, was uns richtig erschien: In aller Eile packten wir unsere Siebensachen zusammen und starteten wieder. Wenn dem Wasser schon kein Einhalt zu gebieten war, wollten wir es wenigstens nicht auf dem Rastplatz davonlaufen lassen.
    Um den Motor erst gar nicht zu heiß werden zu lassen, drehte ich, der ich diese Etappe fahren sollte, die Heizung auf volle Leistung und ließ den Wagen recht verhalten laufen. Einige Steigungen waren zu überwinden und die Kühlertemperatur erreichte ein paarmal kritische Werte. Doch schließlich erreichten wir eine Tankstelle, an der wir den Kühler auffüllen und auch einen Vorrat an Bord nehmen konnten.
    Weiter ging die Fahrt.

    Wir hatten die südliche Route genommen und ließen jetzt die Berge allmählich hinter uns. Es begann Abend zu werden.

    Ich mag mich irren. Doch ich glaube, wer noch nie einen Sonnenuntergang in den Prärien des canadischen Westens erlebt hat, dem ist etwas wundervoll Schönes entgangen.
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