@Zeuge
Sagt die Gipskartonplatte zur Tapete: „Ach, ich bin es leid, dass Du immer auf mir sitzt und mich keiner sehen kann.“Wir sind das Haus Gottes, in dem er wohnt. Er hat uns, eine Gemeinschaft, als ein Haus für sich geschaffen. Wir, einzelne, sind nur Baumaterial in seinem Haus.
Sagt die Tapete: „Jetzt jammer nicht, sonst kleb’ ich dir eine...“
Und die Moral von der Geschicht... an dem Menschen als Baumaterial kann man glauben, oder nicht...
Guter Zeuge, Du hast ja nun nicht gerade die positivste Einstellung zum Menschsein. Beständig bist Du am klagen, der Mensch wolle sich nicht als Gemeinschaft verstehen, immer nur seinen egoistischen Trieben folgen und sei alles in allem ganz schrecklich individualistisch geprägt, mit einem starken Hang zum Eigennutz.
Dabei übersiehst Du aber offensichtlich, dass es gerade Dein Ego ist, das beständig bestimmen will, was alles falsch an uns bösen Individualisten sei und zum Beweis reißt Du dann fleißig Bibelverse aus ihrem Zusammenhang, um sie dann anschließend, nach eigenem Gutdünken, wieder in (D)einen Zusammenhang zu bringen und sie schlussendlich hier, als unumstößliche Wahrheit, zu verkaufen. Und weil Dein Ego wirklich allumfassend entgrenzt, bis in die tiefsten Winkel wahrhaft göttlicher Einfalt aufgebläht ist, weißt Du natürlich auch, was eines schönen Tages mit mir, dem bösen Individuum, geschehen wird. Anders kann ich mir derlei Ergüsse nicht erklären:
Jetzt die gute Nachricht: Leer vor Gott zu stehen, wäre mir das Allernützlichste, denn schon vor rund 700 Jahren hat da ein Individuum erkannt:Kein Wunder daß Gott euch leer ausgehen läßt.
Achtet darauf mit Ernst. Ich habe es manchmal gesagt, und auch ein großer Meister sagt es: Der Mensch soll derart abgelöst sein von allen Dingen und von allen Werken, äußeren wie inneren, dass er Gottes eigene Stätte werde, in der Gott wirken kann. Doch jetzt sage ich es anders: Löst der Mensch sich ab von allen Geschöpfen, von Gott und von sich selbst, aber Gott findet in ihm noch eine Stätte, darin zu wirken, so behaupte ich: Solange das in diesem Menschen noch so ist, so lange ist er nicht arm in der innersten Armut. Denn es ist keineswegs das Ziel Gottes in seinen Werken, dass der Mensch eine Stätte in sich hätte, in der Gott wirken könne. Denn das ist Armut des Geistes: Abgelöst leben von Gott und seinen Werken, so dass Gott, wenn er in der Seele wirken will, selbst die Stätte ist, worin er wirken will – und das tut er gern. Denn findet Gott den Menschen in dieser Armut, dann nimmt Gott sein Wirken in sich selbst auf; er wird die eigene Stätte seiner eigenen Werke, denn Gott ist ein Tätiger, der in sich selbst wirkt. Hier nun, in dieser Armut, da erreicht der Mensch das ewige Sein, das er einst gewesen ist, das er jetzt ist und das er immer bleiben wird.
Um in Deinem Beispiel zu bleiben: Das Haus ist bereits gebaut, da brauchst Du Dich nicht mehr als Architekt zu profilieren. Leg Deine Pläne bei Seite und häng den Hammer an den Nagel. Die Tür ist offen, kannst einfach reinkommen.
LG
Provisorium
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