@Zeuge

Die Einheit, die du meinst, ist also die Einheit der Baustoffe aus denen wir gemacht worden sind.
Nö, ich hab' doch geschrieben:
Wir erkennen also keine Substanz, keine Einheit, aber ich glaube daran, dass sie praktisch in Gott vollendet ist und also sind wir in Gott eins, mögen wir hier auf Erden auch Provisorium und Zeuge sein.
Über die Baustoffe habe ich nur gesprochen, weil Du danach gefragt hast, was denn substantiell heißt. Und Substanz ist nach dem lateinischen Wort substantia das, woraus etwas besteht. Und alles besteht unseres Wissens nach aus Baustoffen, die wir leider nicht genau definieren können, weil wir noch nicht so richtig eine objektive Stellung zu diesen Baustoffen einnehmen können. Aber es wird daran gearbeitet. Just eben ist für zwei dieser Arbeiter der Physik Nobelpreis verliehen worden.

Außerdem wollte ich betonen, wie nah wir uns substantiell sind und deshalb habe ich uns mal kurzerhand in unsere atomaren Bestandteile zerlegt, weil wir uns unter diesem Blickwinkel wirklich ausgesprochen ähnlich sind.

Und dann, nun ja, als gläubiger Mensch kann ich es halt nicht lassen, hab' ich mal Gott mit ins Boot geholt und versucht ihn aus meiner negativ theologischen, stark vom Neuplatonismus geprägten Sicht aus zu definieren.

Ich darf kurz den Unterschied zwischen dem „jüdisch geprägten Christentum“ und dem „neuplatonischen“ erklären:

Der entscheidende Unterschied zwischen Neuplatonismus und dem jüdisch geprägten Christentum ist, dass für den ursprünglichen Neuplatonismus und die mehr von diesem geprägte christliche Spielart z.B. die personale Dreifaltigkeit wie alle anderen Bilder und Vorstellungen nur eine Metapher oder ein Hilfsmittel ist und bleibt, das in der „Negation der Negation“ ebenfalls überwunden werden muss, während das jüdisch geprägte Christentum dieses bestimmte Bild exklusiv mit dem Absoluten dogmatisch gleichsetzt und darin nicht negiert.
So hält Eriugena (810-877) entgegen dem allgemeinen christlichen Verständnis „an der Transzendenz des Absoluten über alle Bestimmtheit mit allem Nachdruck fest: das Eine bleibt jenseits von allem, auch wenn es in allem erscheint, das Übersein hebt sich nicht selbst auf ins Sein, sondern bleibt dessen transzendenter Ursprung“ und Gott ist „kein bestimmtes und d. h. immer auch: begrenztes Etwas, das positiv gewusst werden könnte, sondern das unendliche Nichts der reinen Transzendenz“.

Im diesem mehr neuplatonisch-christlichen Verständnis ist auch der Sohn entsprechend dem philosophischen Logos-Begriff eher ein Prinzip oder eine Hilfsvorstellung und in diesem Sinne eben eine Metapher, die für den Prozess des Kontaktes mit dem Einen in der eigenen Seele oder dem eigenen Geist steht, aber nie in einer einzigartigen Weise ein ganz bestimmter Mensch in der äußeren Welt. Die Verehrung eines historischen Menschen als Menschwerdung Gottes und als göttliches personales Wesen ist für den Neuplatonismus ein „Rückfall in den schon von Platon und dem Vorsokratiker Xenophanes (6.Jahrhundert v. Chr.) bekämpften Anthropomorphismus“ und widerspricht „dem Dogma der Unveränderlichkeit Gottes“ bzw. des Absoluten.

Neuplatonismus und Christentum benutzten also ein gemeinsames Bild, das das Christentum als neues Gottesbild übernahm, doch letztlich verstanden sie etwas gänzlich Gegensätzliches unter diesem Bild des dreieinigen Gottes und verfolgten gänzlich unterschiedliche Ziele damit. Der mit diesem unterschiedlichen Verständnis verbundene „christliche Anspruch auf den exklusiven Zugang zum Heil“ und das Bekenntnis zum historischen Christus als Gottheit waren für Porphyrios ( der „Erfinder der Dreieinigkeit“) die konkreten Gründe dafür, das Christentum in dieser Form strikt abzulehnen. Während das jüdisch geprägte Christentum auf dem positiven Weg mit einem ganz bestimmten Bild sozusagen steckenbleibt und es für absolut setzt, nämlich dem aus den Chaldäischen Orakeln entwickelten der dreieinigen Gottheit, gilt für den Neuplatonismus: „Bestimmend für den Sinn auch der Analogie bleibt die Negation. Restlos alle positiven Bilder, Benennungen und Beziehungen, die sich in dieser analogischen Dialektik mit ihrer Seinsfülle und Vielheit ergeben, gelten nur als „uneigentliche und transzendente Quasi-Selbstbeziehung, Quasi-Selbstbegründung und Quasi-Selbstbestimmung des Absoluten“ und werden letztlich in einer allumfassenden Negation immer wieder aufgehoben. „Jene analogen Quasi-Prädikationen, die Plotin dem Einen in der zweiten Gedankenreihe zuspricht, erweisen sich damit als ein Durchgangsstadium seiner Argumentation, das die negative Theologie weder durchbricht noch einschränkt“.

Im Neuplatonismus ist dabei auch die einfache Verneinung noch ein Akt des Denkens, d.h. was in den Verneinungen gedacht wird, ist nicht das Absolute selbst, sondern nur das, was ihm abgesprochen wird. „Im Verneinen bleibt darum die Intentionalität des Denkens und damit dessen grundlegende Zweiheit erhalten“. Durch die Negation der Negation wird dann die Intentionalität des Denkens zurückgenommen, so dass sich das Denken selbst aufhebt. „Dabei übersteigt das Denken sich selbst, indem es seine konstitutive Zweiheit zurücknimmt in jene einfache, ununterschiedene Einheit (henôsis) mit dem Absoluten, die Plotin Ekstasis genannt hatte“. Das im Übersteigen des Denkens verwirklichte Eine ist „so zuletzt jenseits des Seins schlechthin. Weil das Absolute in seiner reinen Transzendenz somit nicht ist, kann man von ihm nicht einmal sagen, dass es Eines ist“, wobei „auch die Benennung des Absoluten als «das Eine» darum nur uneigentlich und metaphorisch„. «Wir nehmen selbst das Ist von Ihm weg», darum «existiert Es auch nicht (oude hypestê)», sondern ist «vor aller Existenz (pro hypostaseôs)» und «über das Sein hinaus (hyperontôs)»“.

Das bedeutet auch, „dass das transzendente Absolute, das Eine selbst, nicht als Gott oder gar als ein irgendwie personaler Gott gedacht wird; das Eine selbst ist vielmehr auch «mehr als Gott»“. „Der Gottesgedanke gehört selbst zu dem, was in einer konsequenten negativen Theologie transzendiert wird“. Diese radikale Transzendenz findet sich im Gegensatz zum mehr jüdisch geprägten Christentum, für das es in dieser Relativierung und Negierung der eigenen Gottesvorstellung nichts als Ketzerei ist, in dergleichen Weise ganz konkret bei Meister Eckhart, wenn er bei seiner Negierung und Transzendierung auch der christlichen Gottesvorstellung nicht nur die Personalität abspricht („Soll Gott je darein lugen , so muss es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit“), sondern darüber hinaus neben den Kategorien von Raum und Zeit (wie bei Kant) auch die des Seins. Gott ist in der Mystik Eckharts keine Person, sondern das Absolute, Eine, über das er etwa ganz im neuplatonischen Sinn sagt:

Gott wirkt oberhalb des Seins in der Weite, wo er sich regen kann; er wirkt im Nichtsein. Ehe es noch Sein gab, wirkte Gott; er wirkte Sein, als es Sein noch nicht gab.
Du sollst ihn bildlos erkennen, unmittelbar und ohne Gleichnis. Soll ich aber Gott auf solche Weise unmittelbar erkennen, so muss ich schlechthin er, und er muss ich werden. Genauerhin sage ich: Gott muss schlechthin ich werden und ich schlechthin Gott, so völlig eins, dass dieses »Er« und dieses »Ich« Eins ist, werden und sind und in dieser Seinsheit ewig ein Werk wirken. Denn, solange dieses »Er« und dieses »Ich«, das heißt Gott und die Seele, nicht ein einziges Hier und ein einziges Nun sind, solange könnte dieses »Ich« mit dem »Er« nimmer wirken noch eins werden.


Schwups, da ist sie ja, die Einheit die ich meine...

LG
Provisorium