@Zeuge

Das die Denkweise eines Menschen von herausragender Bedeutung ist, will ich gar nicht in Abrede stellen. Allein, ich halte es für entscheidend, woraus diese Denkweise resultiert, oder woher sie kommt.
Du hast sicher Recht, dass die Denkweise auch von der Erziehung und den Medien geprägt wird, aber es macht für mich einen Unterschied, ob ich jemandem zuliebe etwas tue, oder nicht tue, oder ob ich es mache, oder sein lasse, weil ich zutiefst von meinem Tun überzeugt bin, was das „Zuliebemachen“ übersteigt.

Wenn ich nun einem Gebot der Bibel folgen möchte, ist es meiner Meinung nach etwas anderes, es zu tun weil es in der Bibel steht und ich dadurch den Willen Gottes oder Gott zuliebe folgsam sein möchte, oder ob ich es aus der Überzeugung, der Erkenntnis heraus tue, dass ich substantiell mit Gott verbunden und Eins bin.

Dein „Agape-Beispiel“ finde ich hier sehr passend. Agape definiert als interessenlose Liebe drückt das sehr gut aus, was auch ich meine. Mein Denken verfolgt nicht einen bestimmten Zweck, ich folge den Geboten der Bibel nicht aus der Motivation heraus den Willen Gottes tun zu wollen, oder in den Himmel, das Paradies zu gelangen, sondern die Gebote Gottes sind mir in das Herz geschrieben, sie sind „Teil meines Selbst“, es sind sozusagen meine eigenen Gebote.

Dieses Denken ist natürlich in meinem weltlichen Dasein nicht vollendet, ich bin und bleibe Provisorium, ein sündhafter, erlösungsbedürftiger Mensch, aber die Motivation meines Denkens und Handelns liegen nicht zweckgebunden in einer bestimmten Absicht, sondern in der Erkenntnis meiner substantiellen Einheit mit Gott und entsprechend mit Allem. Ich würde mir sozusagen selbst schaden, schadete ich einem anderen.

Und diese substantielle Einheit wird einem nicht allein durch das Lesen der Bibel bewusst, oder in der Auseinandersetzung mit Schriften jeglicher Art, sondern diese Einheit ist in Dich und in die Natur eingeschrieben. So sagt Paulus in Römer 1,18-20: Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen, so daß sie keine Entschuldigung haben.

Gott begegnet uns überall, vermittelt durch das Außen, aber substantiell und unmittelbar im Innersten unserer Seele. Und nur in den weltlichen Strukturen lege ich Gott Attribute bei, mache ihn zum gedachten Gott meiner Vorstellung und Denkweise. Aber im Innersten der Seele liebe ich Gott so wie er Gott ist, bildlos, abgetrennt von jeglicher positiver Bestimmung und Denkweise.


LG
Provisorium