@Zeuge
Meine Muttersprache habe ich in der Auseinandersetzung mit meiner Umwelt und hauptsächlich meiner Familie gelernt, das hatte nichts Überstülpendes. Anders kann es dann schon in der Schule aussehen, wenn man dort zum Beispiel Französisch lernen soll und dazu keinerlei Neigung hat. Ich kenne einige Menschen, die einmal in der Schule Französisch lernen mussten und heute kaum noch etwas davon wissen und auch nichts wissen wollen, aber cést la vie.

Das es absolut notwendige Verhaltensweisen gibt, die man unbedingt lernen muss, weil sie für das menschliche Miteinander eben unentbehrlich sind, habe ich ja bereits längst zugestanden und vielleicht müssen solche Verhaltensweisen auch einmal gegen Widerstand durchgesetzt werden, aber einem musisch begabten Menschen, versuche ich vielleicht besser nicht zum Jurastudium zu drängen, wenn er dazu eben keine Neigung hat.

Die Zufriedenheit, das Glück, das ein Mensch hier auf der Welt empfindet, hängt nun einmal ganz maßgeblich damit zusammen, wie sehr er sich mit dem was er tut wahrhaft identifizieren kann, wie sehr es eben seinem individuellen Sein entspricht. Und das individuelle Sein wird meiner Vorstellung nach, außerhalb der weltlichen Strukturen, von dem substantiellen Sein in Gott überstiegen, das im Innersten der Seele eines jeden Menschen die Einheit mit Gott vollendet und aus der wahrhaft Zufriedenheit und Glück geboren wird, sollte man selbst in den weltlichen Strukturen leiden müssen.

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Anerzogenem und Angeborenem. Das substantielle Sein, die Einheit in Gott muss nicht anerzogen werden, sie ist da, immer und ohne Ausnahme. Sie wird nur allzu häufig überdeckt von Alltagssorgen, Ängsten und Nöten, dem Streben nach materiellen Gütern und dem Imperativ der Selbstverwirklichung. Das sie aufgrund dieser „weltlichen Ablenkungen“ nicht jedermann/frau zu Bewusstsein kommt, ändert ja nichts an ihrer „substantiellen Istheit“. Darum habe ich ja auch einige Posts zuvor geschrieben, dass meiner Meinung nach alles daran gelegen ist, sich dieser substantiellen Einheit bewusst zu werden. Das geschieht aber nicht durch Erziehung, sondern durch den spirituellen Weg des radikalen arm werdens, wie ihn Eckhart zum Beispiel in seiner Armutspredigt beschreibt.http://www.meister-eckhart-gesellschaft.de/texte.htm

Wir Menschen beschreiten in unserem Leben einen Weg. Wir kommen von Innen, gehen nach Außen und kehren wieder nach Innen zurück. Suchen wir Sinn im Außen, im Unterschied, wo alles ins Vielfältigste zerteilt ist, sind wir weltlichen Sinnes, suchen wir hingegen Sinn im Innern, in der Einheit, wo das Zerteilte in Eines zusammenfällt, sind wir Gottes Sinns, den Gott ist Eines, abgetrennt von aller Zweiheit.

Darum strebt die Liebe nach Einheit, darum erkennen wir in der Evolutionstheorie, dass alles aus der Einheit kommt, darum findet sich echter Friede nur in der Einheit. Und die Gute Nachricht ist, dass „wir“ in Gott diese Einheit sind. Da muss nicht erst noch eine Denkweise, eine Gemeinschaft hergestellt werden, da ist sie bereits und wird immer sein. Das Reich Gottes kommt nicht, es ist da!

Die Bibel ist ein Buch der Weisheit, sie kann an die Grenze zu Gott führen, aber sie nicht überwinden. Erst wenn wir aller Weisheit und aller Bilder ledig wurden, öffnet sich diese Grenze. Alles was von dieser Welt ist vermag sie nicht zu öffnen, nur Gott allein hält sie offen. Und in ihn sollen wir ewig versinken, von Etwas zum Nichts.

LG
Provisorium