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  1. #1
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    Standard Wie lest ihr die Bibel...?

    Liebe Gnadenkinder,

    angeregt durch zahlreiche Diskussionen in verschiedenen Threads, wollte ich hier einmal die Frage stellen, wie ihr die Bibel lest.


    Dabei geht es mir weniger um praktische Herangehensweisen, wie, ich lese die Bibel von links nach rechts, oder bequem auf das Sofa gefletzt in Rückenlage, sondern mich interessiert eher eure innere, geistige Haltung beim Lesen der Heiligen Schrift.


    Ist die Bibel für euch eher ein Buch der Weisheit, das man im historischen Kontext lesen muss und das von daher schon gar nicht so leicht zu verstehen ist, weil man eben zunächst wissen muss, wie die Verfasser damals so tickten, was ihre Lebensumstände waren und man sich darüber klar werden muss, mit was für einer Absicht geschrieben wurde, so dass sich ein wortwörtlich nehmen des Gelesenen eher nicht anbietet?


    Oder ist die Bibel vielmehr ein vom Heiligen Geist inspiriertes Werk, das zu allen Zeiten Gottes Willen zum Ausdruck bringt und wir diesem Willen gemäß unser Leben ausrichten sollten, was in vielen Fällen eben auch ein Wortwörtlichnehmen notwendig macht?


    Ich kann mir gut vorstellen, dass beide Herangehensweisen miteinander verknüpft am ehesten der Art entspricht wie die Bibel gelesen wird, aber wie unterscheidet man dann, was jetzt wortwörtlich gilt und was eher im historischen Kontext und eher bildlich oder allegorisch betrachtet werden sollte?


    Kann z.B. die Meinung eines Paulus, die er in einem Brief an eine ganz bestimmte Gemeinde zum Ausdruck brachte, für uns im Jahre 2012 noch Verbindlichkeit haben, so dass z.B. Frauen in der Gemeindeversammlung ihren Mund zu halten haben? Oder ist die Anweisung „die Frau sei dem Manne untertan“ vielmehr dem Zeitgeist geschuldet und heute so nicht mehr haltbar?


    Viele Auseinandersetzungen entzünden sich ganz offensichtlich an den verschiedenen Interpretationen der Bibeltexte und nicht selten schlägt man sich die Bibel regelrecht gegenseitig um die Ohren, um seinem Standpunkt zusätzliche Autorität zu verleihen. Dabei dürfte klar sein, dass ich mit Hilfe einzelner Verse alles und nichts begründen kann, vom gebieten des Völkermordes bis zum Gebot der völkerübergreifenden Nächstenliebe. Wo also liegt den nun die Wahrheit, die eine allgemeine Verbindlichkeit zur Folge hat? Oder spricht Gott vermittels der Bibel eher ganz persönlich zu mir und das, was für mich verbindlich ist, ist es deshalb noch lange nicht für meinen Nächsten?

    Diese fragwürdigen Fragen stellen sich wohl jedem Gläubigen im Laufe seines Glaubenslebens und sicher verändert sich deshalb auch im Laufe der Zeit die Haltung mit der man die Bibel liest.

    So drängte sich z.B. mir mit der Zeit immer mehr die Frage auf, was denn nun der Kern der Heiligen Schrift sei, der entkleidet von den zahlreichen Geboten, Anweisungen und Verhaltensregeln allgemeinverbindlichen Charakter habe und entsprechend auch meiner Haltung dem „Wort Gottes“ gegenüber verbindlich sei?
    Zum Glück fand sich für mich dieser Kern sowohl im so genannten Alten Testament, als auch im so genannten Neuen Testament: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.


    LG
    Provisorium

  2. #2
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    Also, ich les die Bibel überhaupt nicht, bisher kenn ich nur einzelne Texte aus dem Religionsunterricht. Allerdings habe ich auf anderen Brettern (arche-internetz und redliche-missionare) Diskussionen beobachtet, in denen immer Bibelzitate verwendet wurden. Ich sage deswegen, das man die Bibel auf keinen Fall direkt beim Wort nehmen sollte. Jedenfalls das meiste von ihr, manche Stellen sind ja auch doch relativ passend, z.B. das mit der Nächstenliebe und so.

    Lg Beyond-kun
    Jesus lief übers Wasser - Jashin lief über Jesus

  3. #3

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    Du wirfst hier eine ganze Menge an Fragen auf, die in sich so nicht allgemeingültig beantwortet werden können, da, wie du schon selbst feststellst, ein jeder die Gewichtung der Bibeltexte anders wertet.

    Paulus selbst sagte im Bezug auf einige Schriftwerke (die Bibel gab es als Kanon damals noch nicht) „Prüft alles und das Beste behaltet“. Auf welche Schriften sich Paulus hier genau bezog bleibt allerdings sein Geheimnis. Hier wäre aber schon einmal ein Anhaltspunkt, wie man mit Schrifttexten umgehen sollte. Das schließt allerdings in sich ein, dass man alles Prüfen – sprich - kritisch hinterfragen muß, um dann zum Besten zu gelangen. Und es bedeutet auch, es obliegt einen jeden Menschen selbst für sich die Auswahl zu treffen. Ja und nicht zu vergessen sei hier, wie Paulus selbst mit dem griechischen Schriftgut / Septuaginta umging. Von den zweiundachtzig Septuaginta Zitaten in den Paulusschriften, stimmen 30 mit der Septuaginta überein, 36 weichen von ihr ab und enthalten Zusätze, zwölf Zitate lassen den Ursprung noch in der Septuaginta erkennen doch werden sie gänzlich ihres Sinnes beraubt, bei den restlichen sechs Zitaten, die sich angeblich auf die Septuagintaversion berufen, gibt es keinerlei Vergleichsstellen. Nicht mitgezählt sind die vielen Zitate aus den sog. Pseudoepigraphenschriften, die offensichtlich für Paulus auch einen nicht unerheblichen Stellenwert hatten.

    Es fragt sich darüber hinaus, wenn „Gott“ dem Menschen eine heilige Schrift geben wöllte, warum schrieb „Gott“ diese nicht selbst? Warum überlies er dem fehlerhaften Menschen dies zu tun, mit aller Konsequenz der Irrungen und Verwirrungen und vor allem einer unglaublichen Interpretationsmöglichkeit bis hin zur möglichen Legitimierung von schlimmsten Verbrechen mittels dieses Schriftgutes. Hätte es nicht „Gottes“ Anliegen sein müssen, dem Menschen absolute textliche Klarheit zu verschaffen? Auch zu erwähnen ist, dass hinzu das überaus große Problem der Übersetzbarkeit der Texte kommt, die bis heute die Linguistiker, Religionswissenschaftler, etc vor unlösbare Probleme stellt. Oder wie Martin schon Luther schon in seiner Vorrede zum deutschen Psalter schrieb: „Allen Meistern und Klüglingen, 50 Gulden, wenn sie ihm das Wort „Chen“ durch und durch in der Schrift verdeutschen könnten“. Oder: „Was ist es doch für ein beschwerliches Werk, die hebräischen Propheten zu zwingen deutsch zu reden. Wie sträuben sie sich, da sie ihre hebräische Ausdrucksweise nicht verlassen und sich dem groben deutsch nicht anpassen können, gleich als ob man eine Nachtigall zwänge, ihren melodischen Gesang aufzugeben und den Kuckkuck nachzuahmen, dessen eintönige Stimme sie verabscheut. (Aus: Luther 14. Juni 1528 – Brief an Wenzelaus Link).
    Letztlich reiht sich auch die Frage hier ein, wieso es fast 400 Jahre heftigster innerkirchlicher Konflikte bedurfte, um zu einem halbwegs verbindlichen Schriftwerk zu gelangen, der dann als heilige Schrift postuliert wurde und doch innerhalb der Christenheit noch immer umstritten ist? Bedurfte es wirklich solcher Schritte, die letztlich nur Zerwürfnisse brachten und eben keine Einigung? War dies wirklich Gottes Absicht? Wer hat nun letztlich Recht im Kanonsstreit, die katholische Kirche, die evangelische Kirche, die koptische Kirche oder die äthiopische Kirche, etc?

    Gerade die christliche Theologie ist ein Paradebeispiel dafür, wie viele Interpretationsmöglichkeiten dieses Schriftgut in sich birgt, in dessen Folge es zu unfassbaren blutigen Religionskriegen, Völkermorden, Ausgrenzungen, Spaltungen, etc kommen konnte, die bis heute nicht beseitigt sind, sondern sich kontinuierlich fortsetzen.
    Liegt es daran, dass der Mensch nicht in der Lage ist die Botschaften Gottes in der Bibel richtig zu deuten, oder liegt es eher daran, dass es keine absoluten Antworten gibt, sondern viele Antworten und noch mehr Fragen?

    Selbst der Koran, der angeblich von „Gott“ diktiert wurde, hinterlässt die gleichen Spuren von zwischenmenschlichen Zerwürfnissen und Spaltungen auf Grund der Schrift. Das sollte schon nachdenklich machen.
    Daran schließt sich natürlich die Frage, ist nun „Gott“ Israelit, weil ES einst Israel heilige Schriften gab, ist „Gott“ später dann Christ geworden, weil ES Christen ganz gegensätzliche Schriften gab und folglich später dann Moslem, weil ES mit ganz „neuen“ – allerdings ganz ähnlichen Schriften / bis hin zur Wortwörtlichkeiten - den Islam schuf?

    Die Frage die sich mir stellt ist, wie viel Schriftwerke bedarf ein Mensch um „Gott“ wirklich aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit all seinem Sein zu folgen?


    Absalom

  4. #4
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    @absalom

    ich danke Dir für Deine sehr ausführliche Antwort.
    Du hast offensichtlich hervorragende Kenntnis über die Entstehung der Bibel und den sich allein schon aus diesen wissenschaftlichen Tatsachen heraus ergebenden Schwierigkeiten mit der Auslegung derselben.
    Es tut gut jemanden hier zu wissen, der zunächst mit dem kühlen Kopf des Wissenschaftlers an den ganzen, teils doch hoch emotional geführten Diskurs herangeht!

    Über Paulus könnte man sicher ein eigenes Thema eröffnen, soviel gäbe es über seine Person, seine Theologie und seine Bedeutung gerade für das Christentum zu sagen...

    Meines Wissens lehnt das Judentum die Septuaginta ja schon seit antiker Zeit als gültige Schrift ab, was den Missionaren Paulus, der auf dem Areopag zu Griechen sprach (Apostelgeschichte 17,19ff) aber wohl nicht weiter gestört haben dürfte, wollte er doch nach eigenem Zeugnis den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche und den Schwachen ein Schwacher sein ( 1. Korinther 9,20-22). Seine Priorität lag wohl dementsprechend eher darin, möglichst vielen das Evangelium zu predigen und dabei auch auf schon bekannte Schriften, Rituale, Bräuche und eben allem, was für die Sache nützlich war, zurückzugreifen.
    Das Christentum hat im Laufe seiner Geschichte ja sehr viele so genannte heidnische Bräuche adaptiert und integriert, man denke nur an Weihnachten.

    Aber selbst verbindliche Dogmen, wie das der Trinität Gottes, hat das Christentum von damals „kursierenden Vorstellungen“ übernommen. Hier speziell sogar von einem erklärten Christenfeind, nämlich Porphyrios, einem Neuplatoniker und Schüler Plotins.

    Das ist alles sehr interessant und zeigt sehr deutlich die Bemühungen alles zu prüfen und das Gute zu behalten;)
    Ohne Interpretation geht’s halt nicht und schlimm genug, dass man sich in den Interpretationsprozessen soviel Leid angetan hat und noch heute antut.
    Deshalb halte ich es persönlich für wichtig die Heiligen Schriften (also nicht nur die der Christen...) als Bücher der Weisheit und Inspiration zu wahren, ihre Interpretation aber niemals als einzig gültigen Weg zu Gott zu betrachten, oder als verbindlichen Willen Gottes anzusehen.

    Zum Schluss hast Du die Frage gestellt wie vieler Schriftwerke ein Mensch bedürfe um „Gott“ wirklich aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit all seinem Sein zu folgen?
    Und meine Antwort dazu lautet: Letzlich keiner!

    Ich bin davon überzeugt und erlebe es in meinem Leben so, dass das Wort in das Herz eines jeden Menschen geschrieben ist und sich nur sehr unvollkommen zwischen Buchdeckeln finden lässt.
    Damit lässt sich aber nur sehr schlecht Religion machen, weil es meiner persönlichen Überzeugung nach fast zwangsläufig eine negativ theologische Sicht zur Folge hat. Und so frei wollen wir Gott nun auch wieder nicht sein lassen, vielleicht weil wir Angst haben ihn dann ganz zu verlieren, oder dessen letzgültige moralische Vorschriften, die uns davor bewahren selbst Gott zu spielen?

    „Du sollst“ steht über unser aller Leben geschrieben.
    Wenigstens - du sollst leben, geboren sein!
    Wir Menschen können heutzutage auch dieses „du sollst“ aus mehr oder minder guten Gründen verhindern und unterbinden, beeinflussen.
    Vielleicht hat Gott die Verantwortung für seine Schöpfung ganz in unsere Hände gelegt? Vielleicht lässt er uns ziehen und frei sein?
    Aber vielleicht ist da auch etwas in uns, dass uns zu Gott zieht und uns nur in ihm wirklich frei sein lässt?
    Das muss jeder für sich selbst herausfinden.

    LG
    Provisorium

  5. Standard

    @Absalom

    Ich glaube, was in der theologischen Diskussion ganz gerne vergessen wird ist, daß Gott die Religionen an sich nicht braucht - sondern der Mensch. Ich bin mir nicht über alle Inhalte der Bibel zu 100% sicher, ob ich ihre Bedeutung "richtig" verstehe. Ich meine, es genügt zu wissen, daß die Bibel ein Werk über die Liebe (Agape) ist und ihre wichtigste Botschaft "liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" ist.
    Und ich stimme Dir zu - Gott ist in uns. Wir brauchen letztendlich keine "Schrift" um ihn zu kennen.

    @Provisorium
    Mal wieder ein sehr schöner Beitrag!

    Letztendlich sind spirituelle Erfahrungen individuell - die Erkenntnis des einen ist nicht die Erkenntnis eines anderen.

    In Christo+

    Godsservant
    Befleiße dich, sosehr du es vermagst, jeden Menschen zu lieben. Bringst du das noch nicht fertig, so hasse wenigstens keinen. Aber auch das wirst du nicht fertigbringen, wenn du nicht den Weltdingen gegenüber gelassen wirst. Hl. Maximos der Bekenner
    http://katholischorthodoxeeinigkeitskirche.npage.de/

  6. #6
    Zeuge Gast

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    Wenn es keine Selbstoffenbarung Gottes gegeben hätte, wäre der Mensch nie auf die Idee "Gott" gekommen, denn so einfallsreich ist er gar nicht.
    Alles, was der Mensch "erfindet", ist längst von Gott erfunden worden, und zwar viel besser als der Mensch es nachmacht.

    Da Gott sich aber hier und da einzelnen Menschen offenbart hat, und die es ihren Mitmenschen mitgeteilt haben, ist es im höchsten Maße töricht, diese selbstoffenbarungen Gottes zu ignorieren.
    Denn, wenn Gott sich jemandem offenbaren will, dann bereitet er ihn auf besondere Weise vor, damit im Mensch ein ernster Wunsch, ein Verlangen entsteht. Lange nicht jeder wäre bereit diese Vorbereitungen durchzumachen.
    Gott sei Dank brauchen wir es auch nicht. Denn Gott hat einzelne dazu auserwählt, die seine Selbstoffenbarungen allen mitteilen, damit alle davon profitieren.

    Hochmut und Neid hindern den Menschen aus diesen Offenbarungen Gottes zu lernen: Wenn Gott mir was mitteilen will, dann soll er es gefälligst mir persönlich tun. Durch andere Menschen nehme ich nichts an.
    Dazu gibt es in der Bibel ein Beispiel:
    "Korach, der Sohn Jizhars, des Sohnes Kehats, des Sohnes Levis, ferner Datan und Abiram, die Söhne Eliabs, und On, der Sohn Pallus, der Rubeniter,
    erhoben sich gegen Mose, zusammen mit zweihundertfünfzig führenden Männern aus der Gemeinde, angesehenen Abgeordneten der Versammlung.
    Sie rotteten sich gegen Mose und Aaran zusammen und sagten zu ihnen: Ihr nehmt euch zu viel heraus. Alle sind heilig, die ganze Gemeinde, und der Herr ist mitten unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn? ..."
    (Num. 16:1-35)
    Ihr Ende kann man nachlesen.

    "Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten;
    in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, ...
    Darum müssen wir um so aufmerksamer auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht vom Weg abkommen.
    Denn wenn schon das durch Engel verkündete Wort rechtskräftig war und jede Übertretung und jeder Ungehorsam die gerechte Vergeltung fand,
    wie sollen dann wir entrinnen, wenn wir uns um ein so erhabenes Heil nicht kümmern, das zuerst durch den Herrn verkündet und uns von den Ohrenzeugen bestätigt wurde?"
    (Hebr. 1:1 - 2:3)
    Geändert von Zeuge (23.08.2012 um 12:27 Uhr)

  7. #7

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    Natuerlich ist er so einfallsreich, dafuer spricht das immer wiederkehrende muster in fast allen Religionen; es gibt immer Gottheiten die fuer diverse Naturphaenomene verantwortlich gemacht werden, es gibt nicht umsonst diverse Sonnengottkulte, oder Donnergoetter, meinst du ein Neanderthaler wusste dass ein Blitz eine elektrische entladung ist? Oder dass der Mond ein trabant der erde ist? Nein, und so enstehen Gottheiten, alles andere ist schwachsinn das verneinen zu wollen

  8. #8
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    @Zeuge
    Also auf die „Idee Gott“ zu kommen (und da gebe ich Seleiah völlig Recht), ist sicher so alt wie die Menschheit selbst. Diese Idee scheint aber offensichtlich einer Evolution zu folgen, so wie der Mensch einer Evolution folgt.

    Naturvölker hatten Naturgötter in denen sich deren Liebe und Verbundenheit mit der sie umgebenden Welt ausdrückte, aber auch konkrete Ängste und Bedrohungen einen Abfluss fanden. Viele Naturphänomene, für die wir heute ganz natürliche Erklärungen haben, mussten selbstverständlich auch schon in der Zeit vor der Entdeckung ihrer natürlichen Ursache gedeutet werden und wenn die Erde von einem Beben erschüttert wurde, oder Blitz, Donner und Hagel über diese Menschen hereinbrach, lag es doch sehr nahe, dies einer höheren Macht zuzuschreiben.

    Zu der Vorstellung, dass man sich diese höheren Mächte gnädig stimmen müsse, ist es meiner Meinung nach dann nicht mehr sehr weit und hier dürfte auch der Grund zur Entstehung von Ritualen und Kulten zu suchen sein.
    Allein das Phänomen Tod und Krankheit zwingt ja geradezu die Vorstellung auf, dass man einer höheren Macht unterstellt ist. Und wenn man daran denkt, dass das Überleben der Gruppe damals sehr viel mehr auch vom Überleben des Einzelnen abhing, war die Hilfe der Götter natürlich von herausragender Bedeutung.

    Sicher könnte man zu diesem Thema noch sehr viel fundierter und ausführlicher schreiben, aber ich denke auch diese kurzen Beispiele zeigen schon recht deutlich auf, dass die „Idee Gott“ einer völlig natürlichen Genese folgt.

    Das die jeweiligen Vorstellungen über diese Götter dann in Konkurenz zu- und miteinander weiteren Veränderungen unterworfen waren und sich z.B. vom Polytheismus zum Monotheismus hin veränderten, halte ich für ebenso natürlich.

    Das diese positiven Gottesbilder veränderlich sind und der kulturellen Veränderung der Menschen folgen, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die „Idee Gott“ beweist, dass es keinen Gott gibt, sondern eben nur Vorstellungen/Phantasien/Sehnsüchte der Menschen über ihn; vielmehr macht es deutlich, dass man Gott so wie er Gott ist, nicht in Bildern/Gedanken/Vorstellungen festhalten kann.

    Bilder/Gedanken/Vorstellungen, also auch die Bibel, um mal beim ursprünglichen Thema zu bleiben, sind „Hilfsmittel“ um sich Gott begreiflich zu machen, seinen angeblichen Willen herauszuinterpretieren, sie können aber Gott nicht unverhüllt, nicht so wie er tatsächlich Gott ist schauen.

    Der Mensch ist zuvorderst ein spirituelles Wesen, Gott ist uns transzendent. Unsere Spiritualität dieser Transzendenz zu öffnen, damit Gott in den Seelengrund des Menschen geboren wird ist Ziel der negativen Theologie, die keine positiven Gottebilder mehr kennt und entsprechend auch keinen Streit mehr über Gott.

    In Zeiten von Massenvernichtungswaffen und zunehmend heraufbeschworenem „Kampf der Kulturen“ sollten wir uns vielleicht von der „Idee Gott“ verabschieden, um ihn bildlos, im Sinne einer negativen Theologie, in unserem Innersten offenbar werden zu lassen...

    LG
    Provisorium

  9. #9
    Zeuge Gast

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    Zitat Zitat von Seleiah Beitrag anzeigen
    Natuerlich ist er so einfallsreich, dafuer spricht das immer wiederkehrende muster in fast allen Religionen;
    Das soll Einfallsreichtum sein, wenn in allen Religionen ein und dasselbe Muster immer wieder vorkommt?

    es gibt immer Gottheiten die fuer diverse Naturphaenomene verantwortlich gemacht werden,
    Und heute werden Gesetzmäßigkeiten verantwortlich gemacht. Ist doch dasselbe, nur daß den Göttern Bewußtsen zugeschrieben wurde, den Gesetzmäßigkeiten aber nicht. Und so haben wir heute Naturkatastrophen, b.z.w. die Natur gerät ausser Rand und Band, da sie ja von keinem Bewußtsen mehr gelenkt wird.

    meinst du ein Neanderthaler wusste dass ein Blitz eine elektrische entladung ist? Oder dass der Mond ein trabant der erde ist? Nein, und so enstehen Gottheiten,
    Schwachsinn. Wieso sollte der Neandertaler Erklärungen für die Naturphänomene suchen, wenn er selbst ein Teil der Natur war? Nur ein Mensch, der durch die Zivilisation von der Natur getrennt ist, hat vor ihr Angst und sucht Erklärungen.


    Zitat Zitat von Provisorium Beitrag anzeigen
    Also auf die „Idee Gott“ zu kommen (und da gebe ich Seleiah völlig Recht), ist sicher so alt wie die Menschheit selbst.
    Glaubst auch an das moderne Märchen, was? Wer kam denn als Erster auf diese Idee und wieso?

    Viele Naturphänomene, für die wir heute ganz natürliche Erklärungen haben, ...
    Haben wir die tatsächlich? Oder meinen wir nur sie zu haben? Z.B.:
    http://www.wissenschaft-im-dialog.de/aus-der-forschung/wieso/detail/browse/13/article/kann-man-strom-sehen-wenn-er-durch-ein-durchsichtiges-stromkabel-fliesst.html?tx_ttnews[backPid]=88&cHash=ea0e3013d9058d92633c9f7f7518e0e3

    ... mussten selbstverständlich auch schon in der Zeit vor der Entdeckung ihrer natürlichen Ursache gedeutet werden und wenn die Erde von einem Beben erschüttert wurde, oder Blitz, Donner und Hagel über diese Menschen hereinbrach, lag es doch sehr nahe, dies einer höheren Macht zuzuschreiben.
    Zunächst mußte man auf die Idee einer höheren Macht gekommen sein, um dann ihr die Naturphänomene zuzuschreiben. Der Mensch sucht Erklärungen nur im Bereich dessen was er kennt.

    Zu der Vorstellung, dass man sich diese höheren Mächte gnädig stimmen müsse, ist es meiner Meinung nach dann nicht mehr sehr weit und hier dürfte auch der Grund zur Entstehung von Ritualen und Kulten zu suchen sein.
    Alles aus dem atheistischen Märchen.

    Das die jeweiligen Vorstellungen über diese Götter dann in Konkurenz zu- und miteinander weiteren Veränderungen unterworfen waren und sich z.B. vom Polytheismus zum Monotheismus hin veränderten, halte ich für ebenso natürlich.
    Versuch es doch mal auf dem Beispiel der Christenheit zu erklären.

    Bilder/Gedanken/Vorstellungen, also auch die Bibel, um mal beim ursprünglichen Thema zu bleiben, sind „Hilfsmittel“ um sich Gott begreiflich zu machen, seinen angeblichen Willen herauszuinterpretieren, sie können aber Gott nicht unverhüllt, nicht so wie er tatsächlich Gott ist schauen.
    Menschen, denen Gott sich offenbart hat, haben diese Offenbarungen entweder selbst aufgeschrieben oder anderen mitgeteilt, die sie dann aufgeschrieben haben.
    Der Leser versteht das Gelesene auf seine Art. Daher die vielen verschiedenen Gottesbilder, b.z.w. Bibelauslegungen.
    Um die Entfernung zu einem fernen Punkt zu berechnen, muß man den Punkt mindestens aus zwei Punkten anpeilen.
    In diesem Sinne ist die Bibel unverzichtbar, denn sie ist eine Sammlung von Punkten, aus denen man Gott anpeilen kann.
    Nur wenn man sein eigenes Ego als den einzigen Punkt haben will, von den man Gott anpeilen soll, braucht man die Bibel nicht. Das Ergebnis aber wird auf jeden Fall falsch sein.
    Geändert von Zeuge (23.08.2012 um 22:18 Uhr)

  10. #10
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    @Zeuge
    Ich weiß nicht welcher Mensch als erstes auf die „Idee Gott“ kam, auf die Idee, dass es höhere, ihm übergeordnete Mächte geben könnte. Weißt Du es? Ich bin mir nur ziemlich sicher, dass es ihm oder ihr angesichts der im Erkenntnisprozess geschaffenen Naturphänomene zu Bewusstsein kam, dass das Erkannte nach einem Grund, einer Erklärung verlangte.
    Oder anders die Frage: Warum ist etwas und nicht nichts? Der Mensch ist ein erkennendes, ein bewusstes Wesen. Er schaut hinaus in die Welt und möchte verstehen was diese Welt ist, ihre Beschaffenheit, ihren Grund. Das Fragen selbst kleine Kinder.

    Das man Strom nicht durch ein durchsichtiges Kabel fließen sehen kann, liegt eben an der Art unseres Erkenntnisvorgangs. Und darum stellen wir heute auch zunehmend die Frage danach, wie unsere Erkenntnisse entstehen, unser Erkenntnisapparat beschaffen ist. Dabei stoßen wir dann auf solch seltsame Phänomene, dass Teilchen sich wie eine Welle verhalten, je nach Beobachtungsgrundlage (z.B. Doppelspaltexperiment). Auch Farben haften den Gegenständen und Dingen um uns herum nicht an, sondern werden erst im Erkenntnisprozess „hinzugefügt“.

    Die Frage also, was ist Realität ist bis heute nicht geklärt und solange wir keine Antwort auf die Frage nach der Realität besitzen, haben wir keinen Standpunkt von dem aus wir mit Sicherheit sagen könnten, warum die Dinge so sind wie sie sind, wieso etwas ist und nicht nichts.

    Deshalb meinte ich unter anderem auch, dass wir Menschen zuvorderst spirituelle Wesen sind, die sich in der als Realität empfundenen Welt orientieren müssen und im Zuge dieser Orientierung stellt sich dann natürlich auch die Frage nach dem Absoluten, nach Gott.

    Dieser Gott wird in 1.Mose 1,26 im Plural, also polytheistisch vorgestellt. Lasst uns Menschen machen, nach unserem Bild...
    In der weiteren Entwicklung kommt es dann zum Monotheismus. Z.B. in 2.Mose 20,2+3 Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Haus der Knechtschaft, herausgeführt habe.
    Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!

    Gerade die Bibel zeichnet verschiedene Gottesbilder, vom eifersüchtigen und genozidbefehlenden Rachegott, hin zum Gott der völkerübergreifenden Liebe.

    Deshalb bleibe ich dabei, die Bibel ist ein Buch der Weisheit, ein „Hilfsmittel“ um sich Gott begreiflich zu machen, sie kann uns aber Gott nicht unverhüllt schauen lassen, dazu muss sich das spirituelle Wesen Mensch, der Transzendenz Gottes öffnen.

    LG
    Provisorium


 

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