Liebe Forengemeinschaft,
ein Provisorium ist etwas Vorübergehendes.
Man denkt dabei an Nylonstrümpfe und gerissene Keilriemen, an Sicherheitsnadeln und defekte Reißverschlüsse, an all die großen und kleinen Baustellen des Lebens, die uns zwar durchaus nerven und ausbremsen, die wir aber letztlich doch akzeptieren, weil sie eben nur vorübergehend sind und auf eine bessere und dauerhafte Lösung hinweisen.
Als ich vor acht Jahren in meine 2ZKB einzog und in meinem Flur, mangels Durchblick, die Lüsterklemmen der provisorischen Lampe festzog, hätte ich allerdings nicht gedacht, dass das schirmlose Glühbirnengewinde noch heute meine Decke zieren würde.
Hier müsse also, so vermutet meine Mutter, ein mangelnder Sinn für Ästhetik, oder eine bleierne Trägheit vorliegen, die sich außerstande sehe, die Stufen der Leiter zu erklimmen, an deren Ende die erfolgreiche Installation einer standesgemäßen Deckenbeleuchtung stünde.
Und da ich wohlerzogen bin, muss ich Mutti natürlich vollumfänglich recht geben.
Mehr noch, nicht nur meine Wohnung hat in weiten Teilen provisorischen Charakter, sondern mein ganzes Leben, ja ich selbst sogar.
So empfinde ich meine komplette Schulzeit als etwas ausgesprochen Provisorisches, was mich völlig unzureichend auf den Ernst des Lebens, wie man sagt, vorbereitet hat.
Zehn Jahre büffeln, um am Ende dann doch nicht zu wissen was man eigentlich will, scheint mir wenig effektiv.
In meiner Not hab ich´s dann dem Heiland gleichgetan und bin Zimmermann geworden, was sich im Nachhinein allerdings auch als eher provisorisch herausgestellt hat, da ich nach zweijährigem Gesellenleben dem Staat zu dienen hatte und fürderhin Alten und Kranken mein Nervenkostüm und meine körperliche Unversehrheit zur Verfügung stellte.
Da bin ich dann irgendwie hängen geblieben, was ein weiterer Beweis für die Beständigkeit manches Provisorischen darstellt. Ich hab dann nochmal brav drei Jahre Ausbildung gemacht und heute bin ich dann ein staatlich geprüfter Nervenkostüm und körperliche Unversehrtheit zur Verfügung Stellender.
Seit einiger Zeit allerdings nur noch Nächtens, was die provisorische Gestalt meines Daseins noch einmal kräftig unterstreichen sollte, da ich nun, wissenschaftlich erwiesen, mit vier Jahren kürzerer Lebenserwartung zu rechnen habe, was mein Ableben so um das vierundsiebzigste Lebensjahr herum wahrscheinlich werden lässt.
Bleiben also summa summarum noch ungefähr 37 Jahre Erdenzeit.
Hoppla, da stoß ich also genau zur Halbzeit zu euch dazu.
Da könnte man ja fast meinen da läge ein tieferer Sinn oder sowas dahinter und mein provisorisches Dasein ist am Ende doch gar nicht so provisorisch?
Ach egal! Das herauszufinden sind wir ja alle hier.
Und war es nicht Jesus selbst der sagte: Seid Vorübergehende...! (Thomasevangelium, Logie 42)
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