LiebeGnadenkinder,
ichverfolge interessiert eure Diskussion und wünschte, dass dieEingangsfrage, wer denn nun das richtige Gottesbild habe, tatsächlichbeantwortet werden könnte, aber ich befürchte zugleich,dass das leider nicht gelingen wird.
Wiedie Vergangenheit lehrt, haben sich an dieser Frage schon mancherleikriegerische Auseinandersetzungen entzündet und wir Menschenwerden nicht müde uns gegenseitig unsere Heiligen Schriften umdie Ohren zu hauen, im Bestreben danach, den Absolutsheitsanspruchder jeweiligen Lehre zu verteidigen.
Unddieser Absolutsheitsanspruch ist ( nicht nur) den sogenanntenabrahimitischen Religionen durchaus inhärent.
Allerdingsweiß zugleich eigentlich niemand so recht, was das sein soll:Das Judentum, das Christentum, der Islam.
Deshalbkommt es auch immer wieder innerhalb der einzelnen Religionen zuSpannungen und am Ende haben wir einfach nur Menschen jüdischen,christlichen, oder islamischen Glaubens in ihrer individuellenAusprägung.
Wennwir hier stehen bleiben und uns als Brüder und Schwesternbegegnen könnten, wäre allerlei nützliches vollbrachtund wir müssten nicht mehr auf unserem individuellen Glaubenswegden Nachbarn stoßen und überzeugen wollen, er liefefalsch.
Aberdas können wir nicht und das liegt an dem erwähntenAbsolutsheitsanspruch. Er ist der Stein des Anstosses, um den wir unsnun schon seit Jahrtausenden selbst drehen. Und ich möchte sogarsagen: Er ist das goldene Kalb, um das sich jedes positive Gottesbildalleine dreht.
Ihrhabt das gemeinsam ja schon sehr schön heraus gearbeitet, dassim Grunde jedes Gottesbild irgendwie nicht richtig ist und auch zurecht erwähnt, dass geschrieben steht:4Dusollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder vondem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch vondem, was in den Wassern, unter der Erde ist. ( 2. Mose 20,4Schlachter 2000)
Wirbefinden uns hier im Spannungsfeld zwischen positiver und negativerTheologie. Dazu ein Wikipediazitat (Negative Theologie):
DieBegriffe "positiv" und "negativ" sind dabei nichtin einem wertenden Sinn gemeint. Als "positiv" gelten alleAussagen, mit denen das Wesen Gottes bestimmt werden soll, indemfestgestellt wird, was er ist. Dies geschieht, indem ihm bestimmteEigenschaften wie beispielsweise Güte oder Weisheitzugeschrieben werden oder indem er mit diesen Eigenschaftenidentifiziert wird (z. B.Gottist gut ).Dabei werden Vorstellungen, die aus dem Bereich menschlicherErfahrung stammen, auf Gott übertragen. Die negative Theologielehnt eine solche Vorgehensweise ab und begründet dies mit derBehauptung, es sei prinzipiell unmöglich, bei positiven AussagenGottes absolute Transzendenz angemessen zu berücksichtigen.
Einwichtiger Vertreter der negativen Theologie war Meister Eckhart. Erhat sich vor rund 750 Jahren mit genau der gleichen Fragebeschäftigt, wie wir heute und er sagt:
Nichtshindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes wie Zeit und Raum.Zeit und Raum sind Stücke, Gott aber ist Eines. Soll daher dieSeele Gott erkennen, so muss sie ihn erkennen oberhalb von Zeit undRaum; denn Gott ist weder dies noch das, wie diese (irdischen)mannigfaltigen Dinge (es sind): denn Gott ist Eines. Soll die SeeleGott sehen, so darf sie auf kein Ding in der Zeit sehen; denn solangedie Seele der Zeit oder des Raums oder irgendeiner Vorstellungdergleichen bewusst wird, kann sie Gott niemals erkennen. Wenn dasAuge die Farbe erkennen soll, so muss es vorher aller Farbe entblößtsein. Soll die Seele Gott erkennen, so darf sie mit dem Nichts nichtsgemein haben. Wer Gott erkennt, der erkennt, dass alle Kreaturen(ein) Nichts sind. Wenn man eine Kreatur gegen die andere hält,so scheint sie schön und ist etwas; stellt man sie aber Gottgegenüber, so ist sie nichts.
(Quint,MeisterEckehart, Pred.36, S. 325)
Eckhartversucht auf diese Weise Gott von allen Attributen zu befreien. Fürihn ist er ein Eines, das sich jeglicher Bestimmung entzieht, abertrotzdem im eigenen Leben erfahren werden kann. Er sagt weiter:
Dahersoll deine Seele allen Geistes bar sein, soll geistlosdastehen.Denn, liebst du Gott, wie er Gott,wie er Geist, wie er Person und wie er Bild ist, - das alles mussweg. ‚Wie denn aber soll ich ihn lieben?‘ – Du sollst ihnlieben wie er ist ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person,ein Nicht-Bild, mehr noch: wie er ein lauteres, reines, klares Einesist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wirewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu verhelfe uns Gott. Amen.
(Quint,MeisterEckehart,Pred.42,S.355)
Dasklingt uns mystisch und wir können nicht recht verstehen, wiewir Gott als Nicht-Gott lieben sollen und als lauteres, reines,klares Eines. Aber der Schlüssel zum Verständnis liegt auchnicht in unserem Intellekt (der gar nicht anders kann, als Gott imBilde zu begreifen), sondern in der Seele. Eckhart schreibt dazu:
Dusollst ihn bildlos erkennen, unmittelbar und ohne Gleichnis. Soll ichaber Gott auf solche Weise unmittelbar erkennen, so muss ichschlechthiner,und ermussichwerden.Genauerhin sage ich:Gottmussschlechthin ichwerdenund ichschlechthinGott,so völlig eins, dass dieses »Er« und dieses »Ich«Eins ist, werden und sind und in dieser Seinsheit ewig einWerkwirken. Denn, solange dieses »Er« und dieses »Ich«,das heißt Gott und die Seele, nicht ein einziges Hier und eineinziges Nun sind, solange könnte dieses »Ich« mitdem »Er« nimmer wirken noch eins werden. (1 Quint,MeisterEckehart,Pred. 42, S. 354)
Eckhartist davon überzeugt (ich behaupte, weil er es selbst erlebthat), dass Gott in die Seele eines jeden Menschen geboren werdenkann. Aber dazu ist es notwendig jedwede Vorstellung von Gott sein zulassen und so Gott sein zu lassen was er ist. Das passt nicht insBild jeder tradierten positiven Religion, die ja im Gegenteil alleinnur von Vorstellungen und Bildern lebt und in der Absolutsetzungdieser Bilder ihren Heilsanspruch definiert.
ZumSchluss möchte ich aber betonen, dass es für mich hier keinRichtig und kein Falsch gibt und ich glaube daran:7Bittet,so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wirdeuch aufgetan!(Matthäus 7,7 Schlachter 2000).
Aberich finde ein guter Maßstab für unsere Entwicklung imGlauben ist die Frage, ob wir in der Liebe zueinander wachsen und obwir um dieser Liebe willen bereit sind Gott sein zu lassen, was erwill. Dazu nochmal Eckhart:
Sageich ferner: Gott ist einSein- es ist nicht wahr; er ist (vielmehr) ein überseiendes Sein undeine überseiende Nichtheit!“ Ehe es noch Sein gab, wirkteGott; er wirkte Sein, als es Sein noch nicht gab. [...] Ich würdeetwas ebenso Unrichtiges sagen, wenn ich Gott ein Sein nennte, wiewenn ich die Sonne bleich oder schwarz nennen wollte. Gott ist wederdies noch das.
(Quint,MeisterEckehart, Pred.10, S. 196)
PS:Ich bin noch ganz neu hier und bitte euch mich darauf aufmerksam zumachen, wenn ich etwas falsch mache (z.B. in der Gliederung,Zitate...).
LG
Provisorium
Lesezeichen