@Zeuge
dispicio hat der Bibel nicht den Sinn abgesprochen. Er hat lediglich geschrieben: Zu glauben es stecke ein Sinn in der Bibel, oder irgendeiner anderen Schrift, der nicht von einem wahrnehmenden Bewusstsein "hineingelegt" wird, bedeutet nichts anderes, als den eigenen Sinn, den, den man selbst hineinlegte, zu verabsolutieren.
Das heißt aber nicht, dass die Bibel keinen Sinn hat, das heißt nur, dass ihre Bildersprache zu reich ist, als das sie nur eine eindeutige Deutung zuließe. Jesus selbst hat sehr viel in Gleichnissen gesprochen und Gleichnisse wollen gedeutet werden. Damit spricht er jeden Leser, jedes wahrnehmende Bewusstsein individuell und persönlich an. So ist es menschlich, so bekomme ich nicht einfach von oben etwas übergestülpt und kann mich echt und wahrhaftig damit identifizieren. Und jeder legt dann eben auch den Schwerpunkt seiner individuellen Deutung anders. Und deshalb hat dispicio völlig Recht wenn er sagt, dass man seine individuelle Deutung nicht verabsolutieren dürfe.
Gegenüber den Schriftgelehrten ist Jesus in Matthäus 23, der sogenannten Strafrede gegen die Schriftgelehrten, hingegen einmal ungewöhnlich deutlich geworden:
1Da redete Jesus zu dem Volk und zu seinen Jüngern2und sprach: Auf Mose's Stuhl sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer.3Alles nun, was sie euch sagen, daß ihr halten sollt, das haltet und tut's; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht tun: sie sagen's wohl, und tun's nicht.4Sie binden aber schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf den Hals; aber sie selbst wollen die selben nicht mit einem Finger regen.5Alle ihre Werke aber tun sie, daß sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Denkzettel breit und die Säume an ihren Kleidern groß.6Sie sitzen gern obenan über Tisch und in den Schulen7und haben's gern, daß sie gegrüßt werden auf dem Markt und von den Menschen Rabbi genannt werden.8Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister, Christus; ihr aber seid alle Brüder.9Und sollt niemand Vater heißen auf Erden, denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.10Und ihr sollt euch nicht lassen Meister nennen; denn einer ist euer Meister, Christus.11Der Größte unter euch soll euer Diener sein.12Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.13Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließet vor den Menschen! Ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, laßt ihr nicht hineingehen.14Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor! Darum werdet ihr desto mehr Verdammnis empfangen.15Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Land und Wasser umziehet, daß ihr einen Juden genossen macht; und wenn er's geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, zwiefältig mehr denn ihr seid!16Weh euch, verblendete Leiter, die ihr sagt: "Wer da schwört bei dem Tempel, das ist nichts; wer aber schwört bei dem Gold am Tempel, der ist's schuldig.17Ihr Narren und Blinden! Was ist größer: das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt?18"Wer da schwört bei dem Altar, das ist nichts; wer aber schwört bei dem Opfer, das darauf ist, der ist's schuldig."19Ihr Narren und Blinden! Was ist größer: das Opfer oder der Altar, der das Opfer heiligt?20Darum, wer da schwört bei dem Altar, der schwört bei demselben und bei allem, was darauf ist.21Und wer da schwört bei dem Tempel, der schwört bei demselben und bei dem, der darin wohnt.22Und wer da schwört bei dem Himmel, der schwört bei dem Stuhl Gottes und bei dem, der darauf sitzt.
23Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr verzehntet die Minze, Dill und Kümmel, und laßt dahinten das Schwerste im Gesetz, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Dies soll man tun und jenes nicht lassen.24Ihr verblendeten Leiter, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt!
25Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln auswendig reinlich haltet, inwendig aber ist's voll Raubes und Fraßes!26Du blinder Pharisäer, reinige zum ersten das Inwendige an Becher und Schüssel, auf das auch das Auswendige rein werde!27Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr gleich seid wie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und alles Unflats!28Also auch ihr: von außen scheint ihr den Menschen fromm, aber inwendig seid ihr voller Heuchelei und Untugend.
29Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Propheten Gräber bauet und schmücket der Gerechten Gräber30und sprecht: Wären wir zu unsrer Väter Zeiten gewesen, so wollten wir nicht teilhaftig sein mit ihnen an der Propheten Blut!31So gebt ihr über euch selbst Zeugnis, daß ihr Kinder seid derer, die die Propheten getötet haben.32Wohlan, erfüllet auch ihr das Maß eurer Väter!33Ihr Schlangen und Otterngezücht! wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?
Was hatte Jesus für ein Problem mit den Schriftgelehrten? Kann es sein, dass es einen Unterschied gibt zwischen bibelgläubig und gottgläubig? Wie es einen Unterschied gibt zwischen der Straßenverkehrsordnung und der Teilnahme am Straßenverkehr, mit der Ausnahme, dass die StVO sehr viel eindeutiger ist als die Bibel...
Auch die Briefe der Apostel waren immer mit einer ganz bestimmten Intention geschrieben. Sie richteten sich an tatsächlich bestehende Gemeinden mit ihren individuellen Problemen. Da gibt es viel für uns zu lernen, aber wir würden den Texten nicht gerecht, wenn wir sie als eine Art Gebrauchsanweisung lesen und sie dann für andere in meiner individuellen Auslegung für verbindlich erklären würden.
„Den Griechen ein Grieche, den Juden ein Jude“ hatte Paulus gesagt (1.Korinther 9, 20-23). Das ist eines der zentralen Erfolgsgeheimnisse des Christentums. Es geht um Verkündigung der frohen Botschaft, der Botschaft das Gott den Menschen liebt, dass er sein Herz anschaut und nicht die äußeren Werke. Erst kommt das Herz und daraus resultierend dann die Werke aus echter Herzlichkeit. Das Wort ist in dein Herz geschrieben, es findet sich nur sehr unvollendet zwischen zwei Buchdeckeln...
LG
Provisorium
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