Grüß dich Dispicio
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Eine Handlung ist nur dann Handlung, wenn sie einer Intetion folgt. Keine Handlung ist jedoch ausschließlich von unserer Intention bestimmt. Es wohnt ihr aus menschlicher Perspektive immer auch ein Anteil Notdurft inne. Deswegen kann ich gar nicht nachvollziehen, dass Du sagst:Du hattest es doch sicher auch schon mal eilig, auf’s Klo zu kommen! ;) Und so wohnt auch dem Sex eine Art Notdurft inne, nämlich die Fortpflanzung. [...]
Wenn dir es so erscheinen mag, dass ich mich vergaloppiert habe, dann will ich dir diesen Eindruck durchaus billigen.^^ Mir scheint aber, dass ich den Sachverhalt einfach anders beurteile. Ob eine Handlung zwingend eine Intention benötigt, um eine Handlung zu sein, das wäre sicherlich ebenfalls eine interessante Diskussion – aber würde hier wohl zu weit führen. Die Handlung „aufs Klo gehen“ ist sicherlich meist durch eine gewisse Notdurft bedingt, muss es aber nicht ausschließlich sein. Ich kann auch auf die Toilette gehen, um z.B. einer unangenehmen Begegnung zu entfliehen und mich zu verstecken. Oder um in Ruhe zu lesen. Ergo ist auch hier betreffende Handlung nicht per se mit der Intention Notdurft verknüpft, sondern kann auch in einem anderen Kontext stehen.
Sicherlich hast du recht, dass Handlungen auch mit bestimmt sind von den unterschiedlichsten Neigungen, dem würde ich nicht widersprechen. Dieser Sachverhalt berührt aber nicht meine Feststellung, das Handlungen von uns mit Kontexten gefüllt werden, denn dies umfasst meinem Verständnis zufolge auch eben jene unterschiedliche Neigungen.
Zum Punkt Sexualität hatte ich dich nun aber derart verstanden, dass Sexualität ausschließlich auf die Partnerschaft beschränkt werden sollte, weil ein ganz bestimmte Form von Intimität zwangsläufig stattfindet. Dem habe ich entgegnet, dass auch dieses eine Handlung ist, die mit unterschiedlichen Intentionen verknüpft sein kann, und nicht auf eine bloße Erfahrung von Intimität in der Partnerschaft reduziert werden sollte. Ich bin mir nun nicht sicher, ob du dem zustimmen könntest oder nicht.
Und nachdem du oben schreibst „Ich glaube nicht an eine wie auch immer geartete "Natur" des Menschen, die ihn determiniert“ bin ich mir auch nicht sicher, für wie wesentlich du die intendierte Lust des Menschen hier verstehst. (Ich schreibe Lust, da der Wunsch nach Fortpflanzung zumindest bei mir nur selten gegeben ist und ich daher Verhütungsmittel nutze)

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Wogegen ich mich stelle ist die Vorstellung - und ich behaupte nicht, dass es deine wäre - dass die Sexualität eine rein nüchtern zu betrachtende Handlung sei, der wir ganz wie wir wollen Bedeutung verleihen können. […] Aber allein die körperliche Vereinigung zweier Menschen hat Einfluss auf unsere Gefühle, hinterlässt Spuren, prägt Vorstellungen und Eindrücke, die dann wieder auf unser Verhalten zurückwirken.
Dem würde ich so auch nicht widersprechen. Ich denke ebenfalls nicht, das der Mensch als Einzelwesen völlig kalt und nüchtern sich für eine Bedeutung entscheidet, die er dann seiner Sexualität gibt. Jedoch unterstelle ich, dass die Gefühle, Eindrücke und ähnliches wesentlich mit bestimmt sind von unserer kulturellen, sozialen und ideologischen Prägungen. Und insofern es hier unterschiedliche Konstellationen gibt, gibt es meines Erachtens auch mit Blick auf den Menschen als Gesamtheit unterschiedliche Erfahrungen, die sich in Sexualität zum Ausdruck bringen. Für den einen ist es tatsächlich eine mit Liebe untrennbar verknüpfte und damit auf eine exklusive Partnerschaft beschränkte Erfahrung, für den anderen vermittels dem Erleben von Macht reine Selbstbestätigung. Und für wieder andere ist Sexualität eine sehr intime, aber nicht auf eine einzige Partnerschaft beschränkte Erfahrung. Mancher Kontext wie z.B. Sex als reines Mittel der Macht ist für die Beziehungsfähigkeit sicherlich ungesund, dennoch – und darum ginge es mir im eigentlichen – halte ich es für ebenso fragwürdig und mit Blick auf die Gegebenheiten auch realitätsfremd, allein in der exklusiven Partnerschaft eine gesunde Lebensweise zu sehen.

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Will sagen: ritualisierte Fellatio unter Männern ist dumm und menschenverachtend, nicht weil es Fellatio unter Männern ist, sondern weil sie ritualisiert ist.
und für den weiteren Verlauf
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Hier liegst Du wohl deiner Voreingenommenheit auf. Ich weiß nicht, warum Du die persönliche Erfahrung so gering schätzt, für mich ist sie in diesen Dingen das Einzige, was zählt. […] Eine Selbstauskunft, die bei den Befragten in dem Wissen durchgeführt wird, dass ihre Angaben "verarbeitet" und interpretiert werden, produziert ein Ideal, bildet aber nicht tatsächliches Verhalten ab. Was mir wichtig ist in Sachen Sexualität, ist mir in Verbindung mit einem anderen Menschen wichtig, im Umgang mit ihm. Für diesen Umgang bildet meine persönliche Erfahrung die Grundlage, nicht "Wissen" aus wissenschaftlichen Studien. Ich hoffe inständig, mein lieber Kasper, dass das bei Dir auch so ist ;)
Vielleicht haben wir ein unterschiedliches Verständnis von Voreingenommenheit, oder aber es ist der Versuch einer kleinen rhetorischen Spitze, die mir aber offen gesagt unnötig erscheint.^^ Vorweg – und das vielleicht nur am Rande – stimme ich dir zu, dass es sicherlich auch negative Formen von Ritualen geben kann, nämlich meist dann wenn sie nicht abgelehnt werden können. Jedoch vermögen Rituale in meinen Augen auch eine positive Funktion zu haben. Wenn wir nun von ritueller Sexualität sprechen und du weiter schreibst „Was mir wichtig ist in Sachen Sexualität, ist mir in Verbindung mit einem anderen Menschen wichtig, im Umgang mit ihm. Für diesen Umgang bildet meine persönliche Erfahrung die Grundlage [...]“, gleichzeitig aber ritualisierte Sexualität als dumm und menschenverachtend beurteilst, darf ich dann daraus folgern, dass du hier persönliche Erfahrungen als Grundlage deines Urteils hast?^^ Denn ich habe sie und ich muss gestehen, mit Blick auf meine Erfahrung bzw. Beobachtung derselben könnte ich deinem Urteil nicht zwangsläufig folgen.

Was nun deine Argumentation im allgemeinen betrifft, bin ich mir nicht sicher, inwieweit ich eine Aussage aus deiner Erfahrung tatsächlich überhaupt annehmen kann, wenn du im Folgesatz die Fragwürdigkeit einer Selbstauskunft anführst. Müsste ich nun nicht vielmehr mutmaßen, dass es möglicherweise deine öffentliche Aussage ist, die hier in einem christlichen Forum einem sozial erwünschten Bild zu entsprechen versucht? Mit einer solchen Kritik an der Glaubwürdigkeit von Selbstauskünften scheinst du mir zum einen dir selbst die Glaubwürdigkeit zu entziehen, zum anderen bin ich nicht der Meinung, dass du diese pauschal auf eine anonymisierte Befragung anwenden kannst. Oder bist du der Meinung, dass die anonyme Stimmabgabe bei der Wahl ebenfalls nicht die tatsächliche Meinung der Wähler abbildet?
Sicherlich gibt es Situationen, in denen Menschen sich entsprechend dem ihrer Meinung nach erwarteten verhalten. Aber unangenehmen oder abgelehnten Ergebnissen mit der Annahme zu begegnen, die Befragten (unter denen sich übrigens auch konservative Christen befanden) hätten gelogen, wirkt schlimmstenfalls bequem, stellt aber in jedem Fall keine seriöse Kritik dar. Wenn du glaubst mit einer anderen Methode zur Erfassung personenbezogener Daten vorliegende Studien widerlegen zu können, dann wäre eine Fortsetzung dieser Diskussion sicherlich fruchtbarer.

Wie dem auch sei, ich möchte den Wert von Erfahrung nicht geringschätzen. Aber nebenbei noch einmal zu diesem Wert... wenn ich mich allein auf Erfahrung beziehen würde.... ich lebe seit vielen Jahren in einer nicht-exklusiven Ehe, ohne das ich aus meiner Erfahrung die vielen Mutmaßungen von Menschen ohne diese Erfahrung (ob dich das mit einschließt kann ich nicht beurteilen) zu den Auswirkungen einer solchen bestätigen könnte.
Jedoch bin ich mir der Grenzen meiner Erfahrung und meiner Selbstreflexion bewusst und würde daher allein aus meiner subjektiven Erfahrung keine für die Allgemeinheit geltende Gesetzmäßigkeit ableiten wollen. Genau das scheinst mir aber der Fall zu sein, wenn jemand wie du Formulierungen gebraucht, die in meinen Augen eine Faktizität in Anspruch zu nehmen scheinen, wie etwa „bei Partnerwechsel eine geradezu logische Konsequenz“ oder „diese Form des Ausdrucks mit mehreren Menschen zu pflegen, bringt ein paar Probleme mit sich [...]“ - um mal nur zwei zu nennen. Allerdings gebe ich zu, dass ich deine Aussagen auch im Kontext zu den auf mich pauschalisierend wirkenden Aussagen von Godsservant interpretiert und daher vielleicht etwas normativer verstanden habe, als du sie u.U. gemeint hast. Möglicherweise bin ich hier etwas zu pingelig in meinem Wortverständnis – es wäre nicht das erste mal.^^ Und dann möchte ich mich natürlich dafür entschuldigen. Für Aussagen über eine Allgemeinheit jedenfalls halte ich persönlich nachvollziehbare, und sich nach wissenschaftstheoretischen Vorgaben richtenden Untersuchungen tatsächlich für wesentlicher als meine persönliche Erfahrung, ja. Ich hoffe das entsetzt dich nicht zu sehr. Mir hat es zumindest bei der Frage ob sich die Sonne um die Erde dreht oder andersrum sehr geholfen. ;-)

Lieber Dispicio, ich schätze den Austausch mit dir sehr. Denn ungeachtet dessen, dass wir die Dinge wohl sehr unterschiedlich sehen, finde ich es doch enorm bereichernd deinen Blickwinkel nachvollziehen zu dürfen und dadurch auch meine Ansichten zu ergänzen und zu präzisieren. Aber einen Vorschlag zur Güte – um nicht mit seitenlangen Ergüssen das Thema zu sprengen, wollen wir uns darauf einigen, dass wir den Gedankenaustausch nach ein paar hin und her gegangenen Post mit einem gemeinsamen Fazit dann so stehen lassen, ohne das Gefühl haben zu müssen, die Diskussion immer weiter fortführen zu müssen? Erfahrungsgemäß kann es sonst schnell ausufern. ^^

Herzlichen Gruß dir
Kaspar