Hallo,

ich bin neu hier und möchte mich äußern, weil auch mich dieses Thema aktuell sehr beschäftigt. Eins vorne weg: Meine Lebensgefährtin ist Christin, ich selbst bezeichne mich als Agnostiker und halte die Existenz einer höheren Macht für unwahrscheinlich.
Wir sind seit 2 Jahren ein Paar und sehr glücklich mit einander. Nun hat meine liebe Frau den Vorschlag gemacht, ein Ehevorbereitungsseminar bei Team.F zu machen. Ich muss auch sagen, ich habe mir mal angeschaut, was da geboten und vermittelt wird und an sich ist das ja eine sinnvolle Sache. Als ich aber weiter gelesen habe, bin ich über folgenden Satz gestolpert: "Bei diesem Seminar werden unverheiratete Teilnehmer grundsätzlich in getrennten Zimmern untergebracht, in der Regel in Zwei- bis Vierbettzimmern mit anderen gleichgeschlechtlichen Teilnehmern." Erst habe ich kurz gestutzt, dann dachte ich mir, dass können die doch nicht ernst meinen! Auch eine Nachfrage, ob eine Ausnahmeregelung möglich wäre, verlief negativ. In der Stellungnahme hieß es, dass die meisten Paare damit kein Problem hätte, weil sie intensiv an ihrer Beziehung arbeiten wollten. Diese Aussage hat mich ehrlich gesagt tief getroffen, weil mir hier - in meinen Augen und auch in den Augen meiner Frau - unterstellt wird, dass wir nicht an unserer Beziehung arbeiten wollen. Was denken die eigentlich, warum wir so ein Seminar besuchen wollen?!
Diese Begebenheit hat mich nun veranlasst, mich intensiver mit dem Thema christlicher Glaube und der Einstellung kein Sex vor der Ehe aus einander zu setzen. Ich habe mit meiner Lebensgefährtin sehr viel darüber geredet, sie hat mit mir in der Bibel dazu gelesen und natürlich habe ich auch das Internet ausgiebig genutzt.
Unser Fazit: Obwohl man auf christlichen Seiten immer wieder ließt, dass die Bibel Sex vor der Ehe AUSDRÜCKLICH verbietet, können wir keinen klaren Beweis dafür finden! Alle zittierten Stellen, beziehen sich auf Sex außerhalb der Ehe. Ehe selbst wird nirgendwo klar Definiert. Was (für mich) relativ klar beschrieben steht ist, dass man man sich klar für einen Partner entscheiden soll und (vor Gott) verheiratet ist, wenn man mit diesem Sex hatte. Eine Zeremonie wird nirgens als zwingend notwendig beschrieben. Klar ist das eine Auslegungssache und jeder muss das für sich selbst entscheiden, aber für mich ist es die wesentlich logischere. Es erschließt sich mir überhaupt nicht, warum sich manche in einer Partenerschaft dieser wundervollen, intimen, verbindenden Sache verschließt und das nur auf Grund einer mehr als schwammigen Auslegung eines Buches. Allein, was die Übersetzung aus macht, legt in viele Stellen schon eine Intension, die so wahrscheinlich garnicht herüber kommen sollte. So ist das griech. Wort "Porneia" nicht mit Hurerei, sondern mit Unzucht zu übersetzen und das bezieht sich wiederum nicht auf Sex, sondern auf konkrete sexuelle Handlungen, explizit auf solche, die in der Bevölkerung gemein hin als "pervers" angesehen werden.
In vielen Diskussionen werden auch nur (anscheinend) positive Auswirkungen des "Kein Sex vor der Ehe" auf geführt, eine wirklich sehr einseitige Betrachtungsweise.
Negative Auswirkungen können wir gerade bei zwei Freunden meiner Lebensgefährtin sehen. Die beiden haben schon nach einem halben Jahr Beziehung geheiratet (sicher nicht nur, weil sie Sex wollten, aber ohne diesen Faktor hätten sie sich sicher länger Zeit gelassen), nur um jetzt, keine zwei Jahre später, fest zu stellen, dass es wohl doch nicht so gut passt.
Überhaupt möchte ich auch nicht wissen, wie viele Beziehungen daran zerbrochen sind. Was durch das unbefriedigte Verlangen auf einander für Spannungen nach innen und außen entstehen (können - nicht zwangsläufig müssen, jeder ist da anders), mag ich mir garnicht aus malen. Nicht umsonst sind Kulturen, in denen eine restriktive Sexualmoral vorherrscht, im allgemeinen sehr aggressiv.
Was mich an dieser ganzen Thematik ebenfalls stört: zumindest für mich schwingt immer dieser Unterton mit, dass man, wenn man vor der Ehe Sex hat, hin gestellt wird, als würde man wahllos mit allem durch die Gegend vögeln (entschuldigt die Ausdrucksweise an dieser Stelle, aber ich finde das es hier nur so beschrieben werden kann), was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das es auch einen Zwischenweg gibt, nähmlich verantwortungsvoll mit Sexualität um zu gehen, spielt kaum ein Thema. Wir sind ja auch nicht sofort in der Kiste gelandet, sondern haben uns damit über ein Jahr Zeit gelassen, wo wir uns kennen lernen konnten. Wir sind so zu sagen in die Beziehung hinein gewachsen, nach dem Motto "Alles kann, nichts muss" und das war gut so.

@Christin: Ich weiß nicht, ob du/ihr jetzt schon für euch entschieden habt. Aber wie du ja selbst schon gemerkt hast, ist die Argumentation der Bibel in diesem Bereich sehr lückenhaft. Wenn ihr also der Meinung seid, dass ihr bereit seid, diesen großen Schritt, der sehr viel Vertrauen in seinen Partner, aber auch in sich selbst und die Beziehung fordert, dann tut euch nicht den Stress an und übt keinen Verzicht, wo eigentlich keiner zu sein braucht.

@Pilger: Um deine Frage stellvertretend zu beantworten: nicht zu heiraten kann verschiedene Gründe haben. Das wir nicht heiraten liegt daran, dass wir beide gerade in der Ausbildung sind (sie studiert, ich bin in einer Umschulung), deshalb auf Grund der weit auseinander liegenden Ausbildungsorte nicht zusammen wohnen können und (der Hauptgrund) wir kein Geld haben, eine ordentliche Hochzeitsfeier auf die Beine zu stellen. Und auch, wenn ich kein Christ bin und das alles etwas freier aus lege, aber auch ich bin der Meinung, dass eine Beziehung auf Dauer ausgelegt sein sollte und in ein paar Jahren will ich mich mal eine große, fröhliche Hochzeitsfeier erinnern können und nicht an eine "Notlösung".

Viele Grüße,
Stephan